2. Eigenschaften, Einsatz, Einstufung und Grenzwerte

2.1 Eigenschaften

Peressigsäure ist eine flüssige, farblose, essigsäureähnlich stechend riechende Säure, die vollständig mit Wasser mischbar ist. Sie ist stark ätzend und hat in konzentrierter Form aufgrund der Sauerstoffabspaltung brandfördernde Eigenschaften. PES ist instabil und zersetzt sich insbesondere bei Erwärmung oder Kontakt mit geringsten Verunreinigungen in Essigsäure und Sauerstoff, bei Temperaturen über 110 °C auch explosionsartig. Die Selbstzersetzungsgeschwindigkeit ist abhängig von der Konzentration der PES und der verwendeten Menge.

Im wässrigen Medium liegt PES im Gleichgewicht mit Essigsäure und Wasserstoffperoxid vor. PES hat eine hohe Flüchtigkeit, der Dampfdruck bei 20 °C liegt bei 14,3 hPa (14 mbar).

Flammpunkt

Der Flammpunkt der reinen Peressigsäure liegt bei ca. 40 °C. Für die in den Branchen Nahrungsmittel und Gastgewerbe verwendeten handelsüblichen PES-Konzentrate liegt der Flammpunkt bei über 62 °C; für Anwendungsverdünnungen liegt er deutlich darüber und ist daher nicht relevant.

Relative Dampfdichte

PES-Dämpfe sind etwa 2,5 mal schwerer als Luft und können sich daher am Fußboden oder in Auffangwannen ansammeln.

 

2.2 Einsatz

Konzentrate

In den Handel gelangt PES als wässrige Mischung mit Wasserstoffperoxid und einer organischen Säure, meist Essigsäure. Die handelsüblichen Mischungen enthalten zwischen 5 und 30 % PES. Sie werden in dieser ASI als Konzentrate bezeichnet.

Anwendungsverdünnungen

Die Konzentrate werden für die Anwendung vor Gebrauch mit Wasser verdünnt. Diese Anwendungsverdünnungen enthalten üblicherweise bis zu 0,3 % PES (3000 ppm).

 

2.3 Einstufung und Kennzeichnung nach CLP

Nach der CLP-Verordnung werden organische Peroxide in die Typen A bis F eingestuft. Von A nach F nimmt die Gefahr der Selbstzersetzung ab.

Die vollständige Einstufung und Kennzeichnung nach der CLP-Verordnung wird im Folgenden für ein Beispiel eines handelsüblichen Konzentrates folgender Zusammensetzung angegeben:

Peressigsäure:       10-15 Gew.-%,
Wasserstoffperoxid:       10-25 Gew.-%,
Essigsäure:       10-25 Gew.-%.

Zur Einstufung gehören die zugeordneten Gefahrenklassen mit Kategorien bzw. Typen und den H-Sätzen.

Tabelle 1: Einstufung des Beispielgemisches gemäß CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008

Gefahrenklasse Abkürzung Kategorie /Typ H-Satz
Organisches Peroxid Org. Perox. Typ F H242
Ätz-/Reizwirkung auf die Haut Skin Corr. 1A H314
Akute Toxizität Acute Tox. 4 H302+H312+H332
Spezifische Zielorgan-Toxizität (einmalige Exposition) STOT SE 3 H335
Gewässergefährdend Aquatic acute 1 H400
Korrosiv gegenüber Metallen Met. Corr. 1 H290

Die Kennzeichnung ist im Abschnitt 2.2 des Sicherheitsdatenblattes zu finden. Die Kennzeichnung für das Beispielgemisch besteht aus den folgenden Piktogrammen, Signalwort, Gefahren- und Sicherheitshinweisen (H- und P-Sätze):

Piktogramme

Abb. 1: Piktogramme des Beispielgemisches mit deren Nummern, Bezeichnungen und Eigenschaften

Abb. 1: Piktogramme des Beispielgemisches mit deren Nummern, Bezeichnungen und Eigenschaften

Signalwort

Gefahr

Gefahrenhinweise (H-Sätze)

Sicherheitshinweise (P-Sätze)

Hinweis:
Gemische mit einem Peressigsäure-Gehalt unter 2,3 % und einem Wasserstoffperoxid- Gehalt unter 7 %

Flasche mit Gefahrstoff

sowie
Gemische mit einem Peressigsäure-Gehalt unter 4,7 % und Wasserstoffperoxid-Gehalten unter 1 %

Flasche mit Gefahrstoff

sind nach CLP-Verordnung nicht als organisches Peroxid einzustufen. Für sie gelten weniger strikte Vorgaben. Hierunter fallen die üblichen Anwendungsverdünnungen.

Die gefährlichen Eigenschaften müssen bei der Einstufung der Anwendungsverdünnungen und der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.

 

2.4 Einteilung in Gefahrgruppe OP I bis IV

Zusätzlich zur Einstufung nach der CLP-Verordnung (siehe Abschnitt 2.3) werden organische Peroxide nach der Gefahrstoffverordnung Gefahrgruppen zugeordnet (Gefahrstoffverordnung Anhang III Nummer 2 "Tätigkeiten mit organischen Peroxiden"). Die organischen Peroxide sind in Abhängigkeit vom Brandverhalten und vom Peroxidgehalt in vier Gefahrgruppen eingeteilt. Man unterscheidet dabei:

Tabelle 2: Einteilung von organischen Peroxiden in Gefahrgruppen nach Gefahrstoffverordnung

Gefahrgruppen: Brandverhalten
OP I Brennen sehr heftig unter starker Wärmeentwicklung ab, der gesamte Inhalt einer Packung kann sich umsetzen.
OP II Brennen heftig unter starker Wärmeentwicklung ab, nicht der gesamte Inhalt einer Packung setzt sich um.
OP III Brennen ab, vergleichbar mit brennbaren Stoffen.
OP IV Schwer entzündbar, brennen langsam ab.

Die Einstufung in die Typen A bis F und die Zuordnung zu den Gefahrgruppen OP I bis OP IV sind nicht ineinander "umzurechnen". Der Hersteller muss dem Anwender die Gefahrgruppe mitteilen. Dies kann entweder im Abschnitt 15 des Sicherheitsdatenblattes erfolgen oder beim Hersteller erfragt werden. Die Angaben müssen bereits vor Aufnahme der Tätigkeiten vorliegen.

Ausnahme:
Bei Gemischen mit einem PES-Gehalt < 10% und einem Wasserstoffperoxidgehalt < 5% darf die Angabe der Gefahrgruppe nachträglich eingeholt werden.

Nicht brennbare organische Peroxide mit einer PES-Konzentration ab 10 Prozent können mit behördlicher Zustimmung vorläufig - max. zwei Jahre - wie organische Peroxide der Gefahrgruppe OP IV behandelt werden. Die Zuordnung zu einer Gefahrgruppe erfolgt immer durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Bis zur Bekanntgabe der Gefahrgruppe durch die BAM müssen für die Einteilung in eine Gefahrgruppe die in Tabelle 3 genannten Konzentrationsgrenzen angewendet werden (Gefahrstoffverordnung, Anhang III, Nummer 2 Abschnitt 2.3).

Tabelle 3: Vorläufige Einteilung organischer Peroxide in Gefahrgruppen nach Konzentration

Gefahrgruppe OP Ib OP II OP III OP IV
Peroxid-Konzentration c c ≥ 57 % 32 % ≤ c < 57% 10 % ≤ c < 32% c ≥ 10 %
wenn nicht brennbar

 

2.5 Grenzwerte

Zur Beurteilung der Exposition an Arbeitsplätzen sind die Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) nach TRGS 900 heranzuziehen. Liegt kein AGW vor, so können gemäß TRGS 402 weitere Beurteilungsmaßstäbe wie der MAKWert der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) herangezogen.

Ein rechtlich verbindlicher Grenzwert existiert nur für Essigsäure und Wasserstoffperoxid (TRGS 900).

Tabelle 4: Grenzwerte für Peressigsäure, Essigsäure und Wasserstoffperoxid in der Luft am Arbeitsplatz

  AGW MAK
Peressigsäure   0,316 mg/m3
0,1 ppm
Essigsäure 25 mg/m3
10 ppm
 
Wasserstoffperoxid   0,71 mg/m3
0,5 ppm

 

Der AGW (Arbeitsplatzgrenzwert) ist die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei der eine akute oder chronische Schädigung der Gesundheit der Beschäftigten nicht zu erwarten ist. Bei der Festlegung wird von einer in der Regel achtstündigen Exposition an fünf Tagen in der Woche während der Lebensarbeitszeit ausgegangen. Ein AGW ist rechtlich verbindlich.

 

Der MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatzkonzentration) ist die zulässige Konzentration eines Stoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz, die auch bei wiederholter und langfristiger Exposition (in der Regel täglich 8 Stunden, 40 Stunden pro Woche) im Allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und nicht unangemessen belästigt.

 

Zur Beurteilung kurzzeitiger Expositionsspitzen gilt für die Essigsäure ein Überschreitungsfaktor von 2, dies entspricht einer maximalen Konzentration von 50 mg/m3 für eine Zeitspanne von 15 Minuten viermal pro Schicht. Für Peressigsäure und Wasserstoffperoxid dürfen auch kurzzeitig (gemittelt über 15 Minuten) die MAK-Werte nicht überschritten werden.

Die Geruchsschwellen für Peressigsäure und Essigsäure liegen weit unterhalb des jeweiligen Grenz- bzw. Beurteilungswertes und können daher auch bei Unterschreitung deutlich wahrgenommen werden.

Messtechnik:

Zur Expositionsermittlung steht nachfolgend aufgeführtes Messverfahren zur Bestimmung der Peressigsäure- und der Wasserstoffperoxidkonzentration zur Verfügung. Auf Grund des höheren Dampfdrucks der Peressigsäure ist in der Regel dieses Peroxid in höherer Konzentration in der Luft als das Wasserstoffperoxid. Daher ist bei der Gefährdungsbeurteilung eine alleinige Messung der Wasserstoffperoxidkonzentration nicht ausreichend. Erfahrungsgemäß ist der AGW der Essigsäure an den Arbeitsplätzen eingehalten, wenn die Peressigsäurekonzentration den MAK-Wert nicht überschreitet.

Literatur:

Messverfahren zur simultanen Bestimmung von Peressigsäure und Wasserstoffperoxid:

Schuh C. (2013) Peroxide: Deutsche For- schungsgemeinschaft (Greim H, Hrsg.) Ana- lytische Methoden zur Prüfung gesund- heitsschädlicher Arbeitsstoffe, Band 1 „Luftanalysen“, 17. Lieferung. Wiley-VCH Ver- lag, Weinheim.

Messverfahren zur Bestimmung von Essigsäure:

IFA-Arbeitsmappe Methodennummer 7320, Ausgabe Oktober 1993

 

 

Autor: Hartmann
2019-6-20