Sattelfest

Damit die Ladung nicht zum Geschoss wird
von Karin Carl-Mattarocci


Mehr als 2.300 Lkw-Unfälle sind jährlich auf schlechte oder fehlende Ladungssicherung zurückzuführen. Fast 70 % der Lkw, die über deutsche Autobahnen fahren, sind mit schlecht oder überhaupt nicht gesichertem Transportgut unterwegs. In knapp 40 % der Fälle sind die Mängel so gravierend, dass eine Gefahr für den Straßenverkehr besteht. Nicht immer sind Zeitdruck oder Trägheit schuld. Oft ist Unwissenheit im Spiel.

Spielende Kinder laufen plötzlich auf die Fahrbahn. Die Fahrertür eines am Straßenrand abgestellten Pkw wird unerwartet geöffnet: Im Straßenverkehr gibt es immer wieder Situationen, die ein Ausweichmanöver oder eine Vollbremsung erfordern. Nicht richtig gesicherte Güter, wie Getränkekisten oder auf Flachpaletten gestapelte Säcke, können dann schwere Unfälle auslösen.

Newton lässt grüßen

Das erste Newton'sche Axiom der Mechanik lautet: »Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern.« Nach diesem Massenträgheitsgesetz hat jeder Körper das Bestreben, sich mit der Geschwindigkeit weiter fortzubewegen, die er innehat. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Ein Lkw fährt mit 80 km/h auf der Autobahn. Plötzlich ist der Fahrer zu einer Vollbremsung gezwungen. Auch jetzt wirkt noch immer die Bewegungsenergie aus der Fahrt des Lkw auf die Ladung; sie wird beim Bremsvorgang mit erheblicher Kraft nach vorne gepresst. Wäre die Ladung jetzt nicht ausreichend gesichert, dann bestünde eine erhebliche Unfallgefahr für Fahrer und Beifahrer.

Übrigens: Bei Vollbremsungen treten die größten Bremsverzögerungen erst bei niedrigen Geschwindigkeiten, also kurz vor dem Stillstand auf. Deshalb darf auch bei geringer Fahrgeschwindigkeit nicht auf geeignete Maßnahmen der Ladungssicherung verzichtet werden. Das gleiche physikalische Phänomen ist bei der Kurvenfahrt zu beobachten. In der Kurve wirkt auf die Ladung eine Kraft, die in die ursprüngliche Fahrtrichtung gerichtet ist. Die nicht ausreichend gesicherte Ladung behält die Fahrtrichtung bei, der Lkw fährt sozusagen »ohne die Ladung« in die Kurve.

Den oben beschriebenen Kräften wirkt nur die Reibungskraft entgegen. Reibung zeigt sich dadurch, dass ein Körper, auf den keine Kraft mehr wirkt, zum Stehen kommt. Man unterscheidet zwischen Haft- und Gleitreibung. Haftreibung ist die Widerstandskraft, die ein ruhender Körper dem Verschieben auf seiner Unterlage entgegensetzt. Gleitreibung ist die Widerstandskraft, die ein bewegter Körper dem weiteren Verschieben auf seiner Unterlage entgegensetzt. Auch dazu ein Praxisbeispiel.

GRUNDREGELN DER LADUNGSSICHERUNG
Nur Fahrzeuge benutzen, deren Größe, Art des Aufbaus und Ausrüstung geeignet sind, die durch die Ladung zu erwartenden Kräfte sicher aufzunehmen.

So laden, dass der Ladungsschwerpunkt so tief wie möglich liegt. Schweres gehört nach unten, Leichtes nach oben.

Für eine gleichmäßige Gewichtsverteilung sorgen. Der Ladungsschwerpunkt sollte möglichst auf der Längsmittellinie des Fahrzeugs liegen.

Fahrzeuge niemals überladen. Zulässige Gesamtgewichte und höchstzulässige Achslasten beachten.

Ladung so verstauen, dass sie sich auf der Ladefläche nicht in Bewegung setzen kann. Hierfür vorgesehene Sicherungsmittel benutzen. Sicherungen in den Fahrpausen kontrollieren.

Mit angepasster Geschwindigkeit auf die veränderten Fahreigenschaften des beladenen Fahrzeugs reagieren.

Falsch ist:
Schwere Ladung kann während der Fahrt aufgrund der hohen Gewichtskraft nicht verrutschen. Sie braucht also nicht zusätzlich gesichert zu werden.

Richtig ist:
Schwere Ladung verrutscht genauso wie leichte Ladung, allerdings mit verheerenderen Auswirkungen.


Jemand versucht vergeblich, alleine eine schwere Kiste zu schieben. Erst als eine zweite Person mithilft, gelingt es, die Kiste in Bewegung zu setzen. Zusammen haben sie die Haftreibung überwunden. Jetzt wirkt nur noch die Gleitreibung. Die Kiste lässt sich mühelos von einer Person bewegen. Haft­reibung ist also größer als Gleitreibung.


DGUV Information 214-003 (BGI 649) »Ladungssicherung auf Fahrzeugen«

Unfallverhütungsvorschrift »Fahrzeuge« (BGV D 29)

Infos auch unter: http://www.ladungssicherungskreis.de/ Internetlink

Reibungswiderstand - eine Materialfrage

Beim Thema Ladungssicherung unterstellen wir ein Schweben der Ladung auf der Ladefläche. Das heißt, wir werfen nun einen genaueren Blick auf die Gleitreibungskräfte. Die Gleitreibungskräfte werden durch den materialabhängigen Gleitreibungskoeffizienten µ und das Gewicht der Ladung bestimmt. Der Gleitreibungskoeffizient hängt allein von der Materialpaarung, also vom Material der Ladung und dem Material der Ladefläche ab. Er kann zwischen µ = 0,5 (z.B. Holz auf Holz, trocken) und µ = 0,01 (Nässe, Eisglätte) schwanken. Glatte Oberflächen, Schmutz, Feuchtigkeit und Fett verringern den Reibungswiderstand. Die Gleitreibung nimmt ab. Die Ladung rutscht leichter. Sehr günstige Werte von µ = 0,6 lassen sich erreichen, wenn man spezielle Antirutschmatten verwendet.


Zusammenspiel der Verantwortlichen

Laut StVO ist der Lkw-Fahrer dafür verantwortlich,

die Ladungssicherung und Lastverteilung vor der Fahrt zu kontrollieren,
das Fahrverhalten an die Ladung anzupassen und
die Ladungssicherung beim Transport zu kontrollieren und gegebenenfalls nachzubessern.


Aber auch der Verlader ist für die beförderungssichere Beladung verantwortlich. Der Fahrzeughalter schließlich, also der Unternehmer oder Spediteur, ist rechtlich für die Ladungssicherung zuständig. Er muss ein für die jeweilige Ladung geeignetes Fahrzeug mit geeigneten Hilfsmitteln zur Ladungssicherung bereitstellen. Auch Schulung, Information und Kontrolle der Fahrer gehören zu seinen Pflichten. Das macht deutlich, dass eine optimale Ladungssicherung nur dann zustande kommt, wenn Fahrzeugführer, Verlader und Fahrzeughalter vor Transportbeginn die notwendigen Maßnahmen abstimmen.

LADUNG SICHERN LERNEN
BG/DVR-Seminar:
»Gewusst wie - Richtige Ladungssicherung spart Kosten und erhöht die Sicherheit«.
Die Kurse finden als eintägige und zweitägige betriebsspezifische Seminare oder zweitägige, regionale, betriebsübergreifende Seminare statt.
Infos unter:http://www.dvr.de Internetlink(> Angebote für Betriebe und Berufsgenosenschaften > Seminare)

Form- oder kraftschlüssig

Die Grundregel jeder Art von Ladungssicherung lautet: Ein Rutschen der Ladung muss unter allen Umständen verhindert werden. Man unterscheidet zwischen der formschlüssigen und der kraftschlüssigen Ladungssicherung. Zusätzliche Maßnahmen sind solche, die die Reibkräfte erhöhen.

Ladelücken müssen durch formschlüssiges Laden oder durch nachträgliches Ausfüllen der Zwischenräume mit Hölzern oder Paletten vermieden werden. Zur formschlüssigen Ladung verhältnismäßig leichter Ladegüter eignen sich Klemmbacken und Zwischenwandverschlüsse. Auch Holme, Keile oder Kanthölzer können entsprechend der Form der Ladung angesetzt werden.

Bei der kraftschlüssigen Ladungssicherung werden Hilfsmittel eingesetzt. Diese sorgen dafür, dass die Ladung ihre Lage nicht verändern kann, also z.B. in Kurven nicht seitlich verrutschen oder beim Bremsen nicht nach vorne schießen kann. Geeignete Hilfsmittel sind Spannketten oder Spanngurte mit Ratschen.

Um die Reibkräfte zu erhöhen, ist vor der Beladung der Lkws auf saubere, trockene Auflageflächen zu achten. Auch Antirutschmatten, die unter die Ladung gelegt werden, erhöhen die Gleitreibungskoeffizienten.

 

Autor: Carl-Mattarocci