
Seit dem 1. Februar 2014 gibt es einen neuen, niedrigeren Grenzwert für Feinstaub (A-Staub) am Arbeitsplatz. Für viele Betriebe in der Lebensmittelindustrie bedeutet das: Auch sie müssen in Zukunft ein verstärktes Augenmerk auf die ganz feinen Stäube haben.
von Dr. Peter Rietschel | Akzente
An vielen Arbeitsplätzen in der Lebensmittelindustrie treten Stäube auf, die weder als toxisch noch als mutagen, krebserzeugend oder allergisierend eingestuft sind. In hohen Konzentrationen eingeatmet können diese bislang als inert (träge, ohne Wirkung) bezeichneten Stäube dennoch die Lunge schädigen: Sie verursachen chronisch-entzündliche Veränderungen der Bronchialschleimhaut sowie messbare Atembehinderungen, wenn sie unlöslich oder schwer löslich sind. Beispiele sind Stärke, Kaffee, Zusatzstoffe wie Siliziumdioxid, seltener Titandioxid oder auch Stäube von Verpackungsmitteln.
[ Dr. Peter Rietschel ist Mitarbeiter des Zentrallabors in der Messstelle Gefahrstoffe der BGN. ]
Um gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schädigungen zu vermeiden, gibt es für diese Stäube Grenzwerte. Für die alveolengängige Fraktion (A-Staub, früher Feinstaub = Partikelgrößen unterhalb von 4 µm) galt seit 2001 der Allgemeine Staubgrenzwert in Höhe von 3 mg/m³. Für die gröberen Fraktionen (E-Staub = Partikelgrößen bis 100 µm) beträgt der Grenzwert 10 mg/m³.
Neue Erkenntnisse
Neuere Untersuchungen an Tieren und Zellkulturen legen nun nahe, dass es auch dann zu Lungenschädigungen kommen kann, wenn die o. g. Grenzwerte eingehalten sind, der Mitarbeiter aber langfristigen Expositionen ausgesetzt ist. Was passiert?
In den Lungenbläschen (Alveolen) tritt niedergeschlagener feiner Staub in Wechselwirkung mit der
Zelloberfläche und den Makrophagen, die für die
körpereigene Reinigung zuständig sind. Zur Abwehr der eingedrungenen Fremdstoffe werden reaktive oxidative Substanzen (ROS) freigesetzt, die
den eingedrungenen Fremdkörper unschädlich
machen sollen. Stäube, die biologisch schwer oder
gar nicht abbaubar sind, verursachen damit einen
langanhaltenden Angriff der ROS. Das kann langfristig in der Lunge zu Entzündungsreaktionen und
schlussendlich möglicherweise sogar zu Tumoren
führen.
Auf diese komplexe Weise sollen Stäube, die früher als inert bezeichnet wurden, doch zu Erkrankungen führen. Folglich passt der alte Name nicht mehr. Sie werden nun als „granuläre biobeständige Stäube ohne bekannte signifikante spezifische Toxizität“, kurz GBS bezeichnet.
Neuer A-Staub-Grenzwert
Aus mehreren Untersuchungen ergab sich — auf
den Menschen umgerechnet — bei langfristiger Exposition eine Grenze von 0,3 mg/m³ (bei einer
Dichte von 1 g/cm³). Unterhalb dieses Grenzwertes muss nicht mit den oben geschilderten Erkrankungen gerechnet werden. Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, kurz MAK-Kommission, der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat diesen Wert als noch nicht rechtsverbindlichen neuen MAK-Wert* für die alveolengängige Fraktion der GBS festgelegt. Die kontroverse Diskussion dieses Vorschlags im Ausschuss für Gefahrstoffe führte dann zu einer Absenkung des verbindlichen Luftgrenzwertes in der TRGS 900 von 3 mg/m³ auf 1,25 mg/m³ bezogen auf eine Staubdichte von 2,5 g/cm³.
[ *MAK-Wert = Maximale Arbeitsplatzkonzentration ]
Folgen für die Betriebe
Wenn die branchenspezifischen BGN-Maßnahmen zur Staubreduzierung umgesetzt sind, entstehen i.d.R. keine neuen Anforderungen. Zunächst einmal ist im Betrieb festzustellen, wo es
zu Grenzwertüberschreitungen mit alveolengängigen GBS kommen kann. Die meisten Lebensmittelstäube sind deutlich gröber als A-Staub. Manche
sind löslich und werden somit nicht unter den neuen Grenzwert fallen. Gegebenenfalls kann die BGN helfen. Der Messstelle Gefahrstoffe der BGN liegen
knapp 600 Messwerte des A-Staubes vor, die in Betrieben ermittelt wurden.
| STAUBFRAKTIONEN | ||||
| Name | Partikelgrößenbereich | Abscheidung | Luftgrenzwert (TRGS 900) bis Januar 2014 | Grenzwert seit Februar 2014 |
| A-Staub alveolengängige Fraktion, früher Feinstaub |
< 4 µm | in den Alveolen (Lungenbläschen) |
3 mg/m³ | 1,25 mg/m³ |
| E-Staub einatembare Fraktion, früher Gesamtstaub |
< 100 µm | in den oberen Atemwegen | 10 mg/m³ | 10 mg/m³ |
Die meisten A-Staub-Messungen fanden bei der Kieselgurdosage in Brauereien statt. Da hier bereits der spezifische Arbeitsplatzgrenzwert für gebrannte Kieselgur von 0,3 mg/m³ gilt, hat die geplante Grenzwertabsenkung keine Auswirkung auf diese Arbeitsplätze.
Zahlreiche, der BGN vorliegende Messwerte der alveolengängigen Fraktion stammen aus den Verladebereichen der Getränkeindustrie. Die Feinstaubkonzentration ist dort deutlich erhöht, wo viele Lkws und dieselbetriebene Stapler auf engem Raum und bei schlechten Lüftungsbedingungen anzutreffen sind. Wird das Minimierungsgebot gemäß TRGS 554 eingehalten, wird auch hier der zukünftige Grenzwert unterschritten sein.
In Backbetrieben tritt A-Staub nur in sehr geringer Menge auf. Im Mittel fallen hier nur 3 % des einatembaren Staubes in diese Größenklasse. Damit ergibt sich rechnerisch: Wird die Mehlstaubkonzentration von bis zu 10 mg/m³ in der einatembaren Fraktion unterschritten, dann ist automatisch auch der neue MAK-Wert unterschritten. In Betrieben, die die Basismaßnahmen zur Vermeidung von Mehlstaub umsetzen, ergibt sich kein weiterer Handlungsbedarf.
Aus anderen Gewerbezweigen liegen der BGN nur wenige Messwerte der alveolengängigen Fraktion vor. Die Konzentration des A-Staubes war bislang nur selten von Interesse. In aller Regel galt hier nämlich auch: Ist der Grenzwert der einatembaren Fraktion eingehalten, dann ist auch der Grenzwert der alveolengängigen Fraktion eingehalten. Das kann sich mit der einseitigen Absenkung des Grenzwertes für den A-Staub nun in einigen Gewerbezweigen ändern.
Ausgenommen: lösliche Stäube
Der Allgemeine Staubgrenzwert gilt nur für unlösliche und schwerlösliche Stoffe. Damit fallen in der
Lebensmittelindustrie manche Stäube wie z. B. Zucker und Salz aus dem Geltungsbereich heraus. Gegebenenfalls kann auch der nichtlösliche Anteil eines Staubgemisches auf dem Messfilter bestimmt
werden.
| Aktualisierung April 2016 Im November 2013 hat der Ausschuss für Gefahrstoffe den Grenzwert für Feinstaub von vormals 3 mg/m³ auf nunmehr 1,25 mg/m³ abgesenkt. Dieser Wert gilt für schwerlösliche oder unlösliche Stäube mit einer Dichte von 2,5 g/cm³. Im Februar 2014 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales diesen Wert verbindlich in die Grenzwertliste TRGS 900 aufgenommen. |