Die Vorteile der Langsamkeit

Weniger Vibrationsbelastungen und geringeres Risiko von Wirbelsäulenerkrankungen durch Geschwindigkeitsdrosselung bei Gabelstaplern und Elektroameisen

Gabelstapler

Erfahrungsgemäß nutzen Unternehmen die Drosselung von Gabelstaplern, um der Unfallgefahr im innerbetrieblichen Transport entgegenzuwirken. Es gibt einen weiteren guten Grund, bei Gabelstaplern und Elektroameisen auf eine gemäßigte Geschwindigkeit zu setzen: Die Vibrationsbelastungen für die Fahrer sind dann deutlich niedriger. Die BGN hat dazu Messungen durchgeführt.

von Claudia Mattke
aus Akzente 2/2013 | Magazin für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Rehabilitation

Beim Fahren mit Gabelstaplern entstehen Ganzkörperschwingungen, die auf Dauer zu Erkrankungen der Lendenwirbelsäule führen können. Eine wirksame Maßnahme, die Vibrationsbelastungen für die Fahrer und damit das Risiko von Wirbelsäulenerkrankungen zu reduzieren, ist langsameres Fahren. Denn bei geringeren Geschwindigkeiten werden weniger Ganzkörperschwingungen auf die Fahrer übertragen. Doch von wie viel weniger Vibrationen ist hier die Rede?

Ergebnise der BGN-Messungen

[ Darstellung des Tagesvibrationsexpositionswertes A(8) – mit gedrosselter und ungedrosselter Fahrgeschwindig - keit ]

Die BGN-Messungen
Die BGN wollte es genau wissen und hat in 3 Betrieben der Fleischwirtschaft Messungen durchgeführt. Dazu wurden die Ganzkörperschwingungen bei 4 Gabelstaplern und 4 Elektroameisen zweier Hersteller jeweils mit und ohne Geschwindigkeitsdrosselung erfasst.

Nach Herstellerangaben bieten die Gabelstapler ohne Last eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 20 bis 25 km/h, bei den Elektroameisen liegt sie bei ca. 13 km/h. Für die Messungen wurden alle 4 Gabelstapler und 3 der 4 Elektroameisen auf eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 10 km/h gedrosselt. Diese Geschwindigkeit entspricht dem auf vielen Betriebsgeländen bestehenden Tempolimit von 10 km/h. Um die Grenzen der Vibrationsreduzierung auszuloten, wurde die Fahrgeschwindigkeit der bereits gedrosselten vierten Elektroameise nochmals auf ca. 3 km/h reduziert. Alle Fahrzeuge wurden innerhalb von Gebäuden eingesetzt, die Gabelstapler in der Warenannahme, die Elektroameisen in der Produktion.

Ergebnisse
Die BGN-Messungen zeigen: Bei den gedrosselten Fahrzeugen ist die Schwingungsbelastung zwischen 0 und 30 % reduziert, im Durchschnitt um ca. 20 %. Die unterschiedlichen Werte der Reduzierung lassen sich dadurch erklären, dass die Höhe der Schwingungen von mehreren Faktoren abhängt. Dazu gehören z. B. das Fahrverhalten des Fahrers, der Bodenbelag und die Streckenlänge der Fahrwege und die unterschiedlichen Lastgewichte der zu transportierenden Waren.

Die Höhe der gemessenen Schwingungsreduzierungen ist umso bemerkenswerter, da alle Fahrzeuge in Innenräumen bewegt wurden und somit beim ungedrosselten Fahren sehr wahrscheinlich nur in geringem Maß in ihrer Höchstgeschwindigkeit ausgefahren werden konnten. Die Messung der auf ca. 3 km/h gedrosselten Elektroameise ergab keine Reduzierung der Schwingungsbelastung. Außerdem zeigte sich, dass bei einer solch extremen Drosselung auch der Warentransport nicht mehr in einer akzeptablen Zeit erledigt wird.

Bei 4 von 8 ungedrosselten Fahrzeugen wurde der Tagesvibrationsexpositionswert A(8) = 0,5 m/s2 überschritten. Nach Drosselung der Fahrzeuge überschritt nur noch ein Fahrzeug diesen Wert (siehe dazu Kasten).

Entschließt sich ein Unternehmen, die Gabelstapler und Elektroameisen zu drosseln, dann gibt es hierbei Folgendes zu beachten: Die Fahrgeschwindigkeit sollte den örtlichen Gegebenheiten (Einsatz im Innen- oder Hofbereich, Länge der Fahrstrecken) angepasst werden. Außerdem ist nicht jedes Fahrzeug gleichermaßen geeignet. Sind Fahr- und Hubantrieb nicht getrennt, kann eine Drosselung der Fahrgeschwindigkeit auch zu einer Verminderung der Hubleistung, d. h. zu Problemen beim Aufnehmen und Transport der Ware, führen. Das ist mit dem Fahrzeughersteller abzuklären.

GRENZWERTE UNTERSCHREITEN – MASSNAHMEN SPAREN
In der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung sind zwei Grenzwerte festgelegt. Werden sie erreicht oder überschritten, muss der Betrieb Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung der Exposition durch Vibrationen ergreifen. Der obere Grenzwert wurde bei den Messungen nicht erreicht. Der untere Grenzwert ist der sogenannte Auslösewert. Er beträgt A(8) = 0,5 m/s2. Wird er erreicht bzw. überschritten, sind folgende Maßnahmen durchzuführen:
  • Programm technischer und organisatorischer Maßnahmen
  • Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten
  • allgemeine arbeitsmedizinische Beratung
  • Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen
Wird der Auslösewert A(8) = 0,5 m/s2 unterschritten, sind der Stand der Technik und das allgemeine Gebot der Minimierung der Belastungen zu berücksichtigen.

Die Vorteile
Die Geschwindigkeitsreduzierung von Gabelstaplern und Elektroameisen im innerbetrieblichen Transport bietet nachweislich mehrere Vorteile:

Zudem berichten Hersteller und Unternehmen, dass der Warenumschlag trotz Drosselung der höchstmöglichen Fahrgeschwindigkeit der Gabelstapler in der gleichen Zeit bewältigt wird. Es spricht Vieles für die Einführung der Langsam keit.

[Die BGN dankt den 3 Fleischwirtschaftsunternehmen, ohne deren Unterstützung die Messungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht möglich gewesen wären.]

[ Dipl.-Ing. Claudia Mattke ist Mitarbeiterin der BGN-Prävention im Sachgebiet Lärm und Vibrationen.]

Autor: Mattke