Jeder 5. Unfall ist ein Sturzunfall
Ein Unfallschwerpunkt sind die Verkaufsstellen
 
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Er fiel rückwärts auf den Kopf. Der nasse Fußboden vor dem Backofen war für Peter M. zur Rutschbahn geworden, als er die Brötchen aus dem Ofen herausnahm. Monika P. brach sich das Handgelenk. Beim Heraustragen des Mülleimers war sie über eine lose Klinkerplatte auf dem Hof gestolpert. Bettina K. verletzte sich den rechten Ellenbogen. Sie war auf dem nassen Ladenboden ausgerutscht.
 
 
 
Sturz- und Stolperunfälle gehören in Backbetrieben zu den Spitzenreitern in der Unfallstatistik. Dabei haben oftmals kleine Ursachen schwerwiegende Folgen, wie die nachfolgenden Zahlen aufzeigen.
In den letzten 3 Jahren war jeder 5. der rund 4.300 meldepflichtigen Unfälle, die sich in den Backstuben ereigneten, auf Stolpern und Stürzen zurückzuführen. Das sind also rund 860 Sturz- und Stolperunfälle pro Jahr. Mit 20 bis 30 Unfällen pro Jahr macht der Anteil der Sturz- und Stolperunfälle an den schweren Unfällen sogar 50 bis 70 % - also die Hälfte bis gute zwei Drittel - aus. Schwere Unfälle sind solche, bei denen die Betroffenen bleibende Schäden davontragen. Sie beziehen heute eine Arbeitsunfallrente von der BGN. In einem Fall kam 1997 ein Arbeitnehmer durch einen Sturz im Backbetrieb zu Tode. In der Zuckerbäckerei ereigneten sich im gleichen Zeitraum jährlich etwa 300 Unfälle. Auch war jeder 5. Unfall ein Stolper- oder Sturzunfall und der Anteil der schweren Unfälle betrug ebenfalls zwischen 50 und 70 Prozent.  
 
Unfallschwerpunkt Verkaufsfilialen
 
Am meisten wird in den Verkaufsfilialen gefallen. Dort ist sogar jeder zweite der jährlich etwa 700 gemeldeten Unfälle ein Stolper- oder Sturzunfall. Und hier beträgt der Anteil der Sturz- und Stolperunfälle an den schweren Unfällen sogar 90 %. Wenn man stürzt oder stolpert, dann ist also die Möglichkeit, sich schwer zu verletzen, in den Verkaufsräumen besonders hoch.
 
Unfälle bedeuten nicht nur persönliches Leid für die Betroffenen, sondern auch finanzielle Einbußen für die Betriebe, durch lange Krankschreibungen, Kosten für Ersatzpersonal.
 
Hilfreiche Informationen
 
- Unfallsichere Gestaltung von Fußböden (Bestell-Nr.: ASI 4.40)
- Vermeidung von Sturzgefahren (Bestell-Nr.: ASI 9.50)
- Kostenlose Arbeits-Sicherheits-Informationen der BGN (ASI), Bestell-Fax: 06 21/44 56-34 48
- Merkblatt für Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit erhöhter Rutschgefahr (BGR 181) Preis: 3,20 €; zu bestellen bei Carl Heymanns Verlag, Köln, Fax 02 21/9 43 73-6 03 e-mail:
verkauf@heymanns.com
 
Alle Schriften sind auch auf der CD-ROM "Alles aus einer Hand. Die BGN 9" enthalten.

 
Immer genügend Bodenhaftung
Interview mit Dr. Christoph Esser, Technischer Aufsichtsbeamter der BGN
 
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report: Sturz- und Stolperunfälle sind ein Unfallschwerpunkt in Backbetrieben. Was sind eigentlich die Ursachen dieser Unfälle?
Dr. Esser: Wenn wir gehen, dann läuft das meist ganz automatisch ab, ohne dass wir uns darauf konzentrieren. Kritisch wird es immer dann, wenn sich plötzlich der Untergrund - also der Fußbodenbelag - ändert und man das zu spät mitbekommt. Dann stellt man sich beim Gehen nicht rechtzeitig darauf ein.
 
report: Also wenn zum Beispiel der Boden an einer Stelle glitschig ist ...
Dr. Esser: Ja. Wichtig ist aber erst einmal, dass der Fußbodenbelag in jedem Arbeitsbereich über eine ausreichende Rutschhemmung (R) verfügt und gegebenenfalls auch noch einen Verdrängungsraum (V) besitzt. Und wenn 2 unterschiedliche Bodenbeläge aneinander grenzen, dürfen sie sich nur um eine Bewertungsgruppe (R) unterscheiden. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dann hat man beim Gehen immer genügend Bodenhaftung. Die Umstellung auf einen anderen Boden ist dann so gering, dass man das unbewusst problemlos schafft. Vorausgesetzt aber: Man trägt die richtigen Schuhe.  
 
report: Wie sieht es denn mit den Fußböden in Bäckereien, Konditoreien und Verkaufsräumen aus. Stimmt denn da die Rutschhemmung?  
Dr. Esser: Es kommt leider immer wieder vor, dass ungeeignete Fliesen oder Bodenbeläge verlegt werden. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Entweder die Leute kennen die Anforderungen nicht, oder sie binden die beratenden Fachleute nicht genügend ein. Oder aber ein Raum wird jetzt anders genutzt, aber der Bodenbelag ist unverändert geblieben. In der Backstube muss der Boden z. B. eine Rutschhemmung von R 11 aufweisen. In der Konditorei, also da, wo vorwiegend Fette und flüssige Massen verarbeitet werden, braucht man eine höhere Rutschhemmung von R 12. Und in den Spülräumen, wo viel Wasser und Reste auf den Boden gelangen können, muss der Belag unter der Gehebene eine gewisse Menge an Resten aufnehmen können. D. h., der Bodenbelag muss einen bestimmten Verdrängungsraum (V) aufweisen. Die Anforderung an den Boden in der Spülküche lautet R 12 V 4.  
 
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report: Und wie sieht es mit dem Boden in den Verkaufsräumen aus. Dort wird doch besonders viel gefallen?
Dr. Esser: Die Verkaufsfilialen sind da nicht weniger problematisch, weil es auch hier meist unterschiedliche Bodenbeläge gibt. Im Kundenbereich ist die niedrigste Rutschhemmung von R 9 ausrei-
chend. Hinter der Theke aber muss sie mindestens R 10 aufweisen bzw. sogar R 11, wenn es dort einen Backofen gibt.  
 
Problematisch wird es im Kundenraum, wenn dort - wie heute vermehrt zu finden -   ein Bistrobereich eingerichtet ist. Dann muss das Personal beim Bedienen immer wieder zwischen Thekenraum und Kundenraum hin- und herwechseln. Im ungünstigsten Fall hat der eine Bodenbelag eine Rutschhemmung von R 9 und der andere von R 11. Das sind 2 Bewertungsgruppen Unterschied. Und einen solchen Unterschied können wir unbewusst nicht mehr so leicht bewältigen. Beim Wechsel vom Thekenraum (R 11) in den Kundenraum (R 9), kann man leicht ausrutschen. In umgekehrter Richtung kann man ins Stolpern geraten. Ist der Kundenbereich, der ja ursprünglich von den Mitarbeitern nicht regelmäßig betreten werden sollte, bei schlechtem Wetter auch noch nass, dann sind das günstige Bedingungen für einen Sturz.  
 
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report: Was kann man tun?
Dr. Esser: In solchen Fällen hat sich ja die Nutzung geändert, und dann sollte man prüfen, ob Maßnahmen ergriffen werden müssen. Probleme gibt es oft auch beim Übergang vom Spülbereich in einen anderen Arbeitsbereich. Von dem nassen Spülküchenboden wird Flüssigkeit auf Bodenbereiche ohne Verdrängungsraum verschleppt. Und hier wird´s dann sehr glitschig. Solche Verschleppungen lassen sich z. B. mit ausreichend breit bemessenen Bodenrinnen verhindern. Die Rinnen dienen als "Barriere" und - an das Abflusssystem angeschlossen - erleichtern sie auch die Reinigung des Spülbereichs.
 
report: Es sind aber doch nicht allein die falschen Fliesen, die für all die Stürze verantwortlich sind?  
Dr. Esser: Nein. Da gibt es natürlich noch andere Ursachen: Nicht gleich beseitigte Nässe oder Verunreinigungen, aber auch Schäden an Fußböden, die nicht sofort ausgetauscht werden. Gegenstände, die im Weg stehen. Oftmals fehlt es an ausreichendem Abstellplatz für die vielen Körbe und Kisten, und sie werden dort abgestellt, wo man geht und steht - oder auch darüber stolpert und stürzt. Und was sich hier so harmlos anhört, hat oftmals schwerwiegende und langwierige Folgen.
 

aus: report. BGN-Nachrichten für Backbetriebe