4   Schutzmaßnahmen

  Die Umsetzung dieser verschiedenen Maßnahmen senkt die berechnete Risikoprioritätszahl in unterschiedlichem Maße. Der Verzicht auf eine Messerspitze reduziert die Risikoprioritätszahl und somit das Risiko stark, denn sowohl Verletzungsschwere als auch Wahrscheinlichkeit des Auftretens werden deutlich verringert.
  Viele Maßnahmen haben keinen Einfluss auf die theoretisch mögliche Verletzungsschwere. Sie reduzieren jedoch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens zum Teil so deutlich, dass eine klare Minderung des Risikos erreicht wird.

4.1

Technische und organisatorische Maßnahmen

An erster Stelle dieser Maßnahmen steht die Überlegung, wie man die Gefahrenquelle ("scharfe Klinge" bzw. "Spitze") beseitigen kann. Nur in wenigen Fällen wird man jedoch beim Umgang mit Handmessern auf eine scharfe Klinge verzichtet können.

  Der Verzicht auf Spitze oder Schneide ist dann möglich, wenn nur geschnitten werden soll und eine Spitze entbehrlich ist, z.B. Brot, Brötchen oder Wurst aufschneiden, enthäuten eines Tieres, oder wenn nur etwas verteilt werden soll, z.B. Schlagsahne, Kuvertüre, Marmelade, Streichwurst, wobei selbst eine Schneide entbehrlich wird.
 
  Abb. 10: Abgerundete Spitze mit durchgehender oder partieller (siehe Pfeil) Zahnung verhindert Stich
 
  Abb. 11: Rippenzieher mit Spezialklinge verhindert Stich und weitgehend Schnitt
 
  Abb. 12: Gekrösemesser; der Verzicht auf die Spitze schont das Material und verhindert Stichverletzungen
 
  Abb. 13: Konditorenmesser als "Streich- und Hebewerkzeug" ohne Schneide und Spitze
 
  Abb. 14: Verzicht auf Schneide und Spitze beim Knochenstaub- und Splitterentfernungsgerät
  Anschließend sind technische Schutzmaßnahmen umzusetzen. Hier kann durch den Einsatz voll- oder teilautomatisierter Verfahren an Sicherheit gewonnen werden. Technische Schutzmaßnahmen wirken von selbst.
  So ist z.B. der Einsatz von Sicherheitsmessern mit verdeckter oder sich selbst zurückziehender Klinge, z.B. Folienmesser, Kartonmesser, als technische Maßnahme anzusehen. Hierher gehören auch spezielle Messergriffe, die ein Abrutschen auf die Klinge verhindern oder besondere Arbeitshaltungen (Entvliesmesser) ermöglichen. Auch der Einsatz von Spezialmessern erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern ermöglicht es, das Risiko für den Mitarbeiter gezielt abzusenken, z.B. Wiegemesser, Pizza(rund)messer.
 
  Abb. 15: Wiegemesser "2-Hand-Bedienung" reduziert Stich- und Schnittwahrscheinlichkeit
 
  Abb. 16: Verschiedene Grifftypen verhindern Abrutschen auf die Schneide
 
 
Abb. 17: verschiedene Farben ermöglichen Zuordnung zu Arbeitsbereichen, Personen oder zu hygienisch unterschiedlich sensiblen Bereichen
 
 
Abb. 18: Entvliesmesser wird von der materialhaltenden Hand und vom Körper weg geführt und reduziert Schnittwahrscheinlichkeit und bietet ergonomische Vorteile
 
  Abb. 19: Spezielle Abziehsysteme für Messer machen Schnittverletzungen durch Abrutschen weniger wahrscheinlich
 
 
Abb. 20: Messeraufbewahrung, Transport und Reinigung im Messerkorb verringern die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen
  Organisatorische Maßnahmen sind hilfreich, um die gegenseitige Gefährdung und Hektik zu minimieren.
  Dazu zählen z.B. Arbeitszeitregelungen oder Arbeitsablaufoptimierungen, räumliche oder zeitliche Entkoppelung von Arbeitsvorgängen oder räumliche oder zeitliche Trennung von Mitarbeitern. Selbst der Aufbau und die konsequente Überwachung von Ein- und Unterweisungssystemen helfen, die Sicherheit zu steigern. Die Unterweisungen selbst sind personenbezogene Maßnahmen.

4.2

Personenbezogene Maßnahmen

Erst nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten von Technik und Organisation, ist bei weiter bestehenden Gefährdungen, der Einsatz geeigneter "Persönlicher Schutzausrüstungen", begleitet von verhaltenbezogenen Maßnahmen, angezeigt.

  Dazu zählen alle Arten der verhaltensbeeinflussenden Maßnahmen, z.B. (Erst)Einweisungen, regelmäßig wiederholte Unterweisungen, training on the job, systematische Trainings, Anordnungen, Betriebsanweisungen, Sicherheits- bzw. Hinweiszeichen. Da diese Maßnahmen von Akzeptanz und Umsetzung durch die Betroffenen abhängig sind, wirken sie im Gegensatz zu. technischen Maßnahmen nicht zwangsläufig.

4.2.1

Varianten persönlicher Schutzausrüstungen
  Folgende persönliche Schutzausrüstungen als Stich- und Schnittschutz helfen - bei richtiger Einweisung und bestimmungsgemäßer Verwendung - Verletzungen durch Handmesser zu vermeiden (siehe BG-Regeln "Benutzung von Stechschutzbekleidung" (BGR 196) sowie "Benutzung von Stechschutzhandschuhen und Armschützern" (BGR 200):
 
Fingerschutz Daumen-Schnittschutz aus Metallringgeflecht
Handschutz Handschuh aus Metallringgeflecht
schnitthemmender Handschuh
Handgelenkschutz Handschuh aus Metallringgeflecht mit kurzer Stulpe schnitthemmender Handschuh mit kurzer Stulpe
Unterarmschutz Handschuh aus Metallringgeflecht mit langer Stulpe
schnitthemmender Handschuh mit langer Stulpelange Stulpe
aus Metallringgeflecht zum Anknöpfen
lange, steife Stulpe aus Kunststoff zum Anknöpfen
Kasak mit langen Armen aus Metallringgeflecht
Oberarmschutz Handschuh aus Metallringgeflecht mit Armschutz
Armschutz aus Metallringgeflecht zum Anknöpfen
Armschutz aus schnitthemmendem Material
Kasak mit Arm(en) aus Metallringgeflecht
Bauchschutz Stechschutzschürze aus Metallplättchen
Stechschutzschürze aus Metallringgeflecht
Kasak ohne Arme aus Metallringgeflecht
Schulterschutz Handschuh aus Metallringgeflecht mit oberarmlangem Armschutz mit Tragesystem
Kasak aus Metallringgeflecht
Kopfschutz Kasak aus Metallringgeflecht mit Kopfhaube
Gesichtsschutz Visier aus Metallgitter
Visier aus Kunststoff
Rückenschutz Kasak aus Metallringgeflecht
Oberschenkelschutz lange Stechschutzschürze aus Metallplättchen
lange Stechschutzschürze aus Metallringgeflecht
langer Kasak aus Metallringgeflecht
Fußschutz Berufs-, Schutz- oder Sicherheitsschuh gemäß
DIN EN 347,346,345
  Tabelle 3: Persönliche Schutzausrüstungen gegen Stich und Schnitt

4.2.2

Auswahl von persönlichen Schutzausrüstungen
  Folgende Fragen müssen vor der Auswahl von Stich- und Schnittschutz bei Arbeiten mit Handmessern geklärt werden:
  Welche Arbeit mit dem Handmesser muss erledigt werden?
  Welche Körperteile sind gefährdet?
  Wie hoch ist das Schnittrisiko?
  Wie hoch ist das Stichrisiko?
  Wie weit kann die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gesenkt werden durch:
  • technische Maßnahmen (welche)?
  • organisatorische Maßnahmen (welche)?
  • personenbezogene Maßnahmen (welche)?
  Ist es möglich/nötig, mehrere Maßnahmen zu kombinieren?
  Unter welchen Bedingungen ist es verantwortbar, die Arbeit durchführen zu lassen?
(siehe Tabelle 4)
 
  geschütztes Körperteil Daumen Finger Hand  Handgelenk Unterarm Oberarm Schulter mit Schulterblatt Brust Bauch Rücken Kopf Gesicht Ober-schenkel Unter-schenkel Gesäß Fuß
PSA Schutzmaterial     Material halte- hand Messer- hand Material halte-
hand
Messer- hand Material halte-hand Messer- hand Material halte-hand Messer- hand Materialhalte-hand Messer- hand                
Daumen-Schnittschutz Metallringgeflecht LK 1
xxx
                                     
3-Finger-Handschuh Metallringgeflecht LK 1 xxx xxx                                    
Handschuh ohne Stulpe Metallringgeflecht LK 1
xxx
xxx
xxx
                                 
Handschuh mit kurzer Stulpe schnitthemmendem Gewebe
x
x
x
x
x
x
                           
  Metallringgeflecht LK 1 xxx xxx xxx  
xxx
                             
Handschuh mit langer Stulpe Metallringgeflecht LK 1
xxx
xxx
xxx
 
xxx
 
xxx
                         
Lange Stulpe zum Anknöpfen Metallringgeflecht LK 1        
xx
 
xx
                         
  Kunststoff        
xx
 
xx
                         
Armschutz schnitthemmendem Gewebe        
x
x
x
x
x
x
                   
Handschuh mit Armschutz Metallringgeflecht LK 1
xxx
xxx
xxx
 
xxx
 
xxx
  xxx   xxx                  
Schürze Metallringgeflecht LK 1                        
x
     
x
     
  Metallringgeflecht LK 2                        
xxx
     
xx
     
  verknüpften Metallplättchen                        
xxx
     
xx
     
Lange, geteilte Schürze Metallringgeflecht LK 1                        
xxx
     
xx
     
Bolero (Kasak) Metallringgeflecht LK 1                
x
[x]
x
[x]
x
     
x
     
mit kurzem[n] Ärmel[n] Metallringgeflecht LK 2                
xxx
[xxx]
xxx
[xxx]
xxx
     
xx
     
Bolero (Kasak) Metallringgeflecht LK 1            
x
[x]
x
[x]
x
[x]
x
     
x
     
mit langem[n] Ärmel[n] Metallringgeflecht LK 2            
xxx
[xxx]
xxx
[xxx]
xxx
[xxx]
xxx
     
xx
     
Bolero (Kasak) mit (loser) Kaputze Metallringgeflecht LK 2            
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
  xxx  
xx
     
Hemd Metallringgeflecht LK 1            
x
x
x
x
x
x
x
x
   
x
     
  Metallringgeflecht LK 2            
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
   
xx
     
Hemd mit (loser) Kaputze Metallringgeflecht LK 1            
x
x
x
x
x
x
x
x
x
 
x
     
  Metallringgeflecht LK 2            
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
xxx
 
xx
     
Hose Metallringgeflecht LK 1                                
x
x
x
 
  Metallringgeflecht LK 2                                
xxx
xxx
xxx
 
Brille Drahtgeflecht (Fechten)                              
xx
       
  Kunststoff                              
xx
       
Visier Drahtgeflecht (Waldarbeit)                              
xxx
       
  Kunststoff                              
xxx
       
Schuhe Berufsschuhe
DIN EN 347
                                     
x
  Schutzschuhe
DIN EN 346
                                     
xx
  Sicherheitsschuhe DIN EN 345                                      
xx
  Bemerkungen:
x = Schutz gegen Schnitt
xx = Schutz gegen Stich und Schnitt nur bei korrektem Sitz bzw. nur teilweise
xxx = Schutz gegen Stich und Schnitt
LK = Leistungsklasse
[ ] = nur bei Boleros mit zwei Ärmeln
  Tabelle 4: Auswahl von persönlichen Schutzausrüstungen als Stich- und Schnittschutz in Abhängigkeit vom gefährdeten Körperteil