(1) Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die notwendigen Maßnahmen für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln zu ermitteln und umzusetzen. Es dürfen nur Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden, die unter Berücksichtigung der am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet sind und nach dem Stand der Technik sicher verwendet werden können (§§ 3, 4 und 5 BetrSichV).
(2) Bei der Ableitung von notwendigen und geeigneten Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung (in diesem Fall für die sichere Verwendung des Arbeitsmittels) sind nach § 4 Absatz 2 Satz 2 BetrSichV auch die allgemeinen Grundsätze wie
sowie gemäß § 4 Absatz 1 BetrSichV
zu berücksichtigen.
(3) Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, dass ein auf dem Markt bereit gestelltes Arbeitsmittel unter Berücksichtigung der innerbetrieblichen Einsatzbedingungen und der auszuführenden Arbeiten nicht ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen sicher verwendet werden kann, hat der Arbeitgeber geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen, die dem Stand der Technik für die Verwendung entsprechen müssen.
(4) Schutzmaßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen und Arbeitsumgebung unter Einschluss der sozialen Beziehungen sachgerecht zu verknüpfen. Sie sind so anzulegen, dass bei allen von Beschäftigten durchgeführten Tätigkeiten Gefährdungen vermieden oder minimiert werden.
(1) Stand der Technik
(2) Die rechtlichen Anforderungen an die Sicherheit von Arbeitsmitteln ergeben sich, abgeleitet aus § 5 Absatz 3 BetrSichV, unter anderem aus den für sie geltenden Anforderungen des Binnenmarktrechts (z. B. ProdSG). Dabei dienen Technische Normen zur Produktsicherheit der Konkretisierung von staatlichen Anforderungen zur Bereitstellung auf dem Markt und richten sich an den Hersteller. Sie beschreiben die von ihm durchzuführenden technischen Maßnahmen und die zu gebenden Hinweise auf Restrisiken. Diese Normen sind auf neue Produkte ausgerichtet und berücksichtigen nicht zwangsläufig alle Verhältnisse am Arbeitsplatz.
(3) Die rechtlichen Anforderungen an die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln ergeben sich nach § 4 Absatz 1 BetrSichV sowie auch aus anderen Verordnungen zum Arbeitsschutz und der danach zwingend durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung. Dabei gilt das T-O-P-Prinzip mit der Rangfolge der Maßnahmen gemäß § 4 Absatz 2 Satz 2 BetrSichV. Danach haben technische Schutzmaßnahmen Vorrang vor organisatorischen, diese haben wiederum Vorrang vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen.
(4) Schutzmaßnahmen zur sicheren Verwendung von Arbeitsmitteln nach dem Stand der Technik zur Verwendung von Arbeitsmitteln können wie folgt ermittelt werden (siehe Abbildung 1):
Abb. 1 Sichere Verwendung von Arbeitsmitteln nach dem Stand der Technik
(1) Wurden in der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 BetrSichV Gefährdungen identifiziert, für die der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen festlegen muss, ist zu prüfen, ob in der BetrSichV neben den allgemeinen Anforderungen nach §§ 4, 5, 6, 8 und 9 konkrete Anforderungen an Schutzmaßnahmen einschließlich Festlegungen zu Prüfungen für das eingesetzte Arbeitsmittel enthalten sind.
Dies gilt insbesondere für bestimmte Arbeitsmittel, für die in den Anhängen 1, 2 oder 3 BetrSichV konkrete Vorgaben enthalten sind:
(2) Als nächstes ist zu prüfen, ob für dieses Arbeitsmittel TRBS oder andere Veröffentlichungen des ABS anwendbar sind. Für die verschiedenen Gefährdungen, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln entstehen können, gibt es TRBS, die ebenso wie andere Erkenntnisse und Empfehlungen des ABS auf der Homepage der BAuA kostenlos abgerufen werden können.
(3) TRBS lösen Vermutungswirkung aus, d. h. der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass er bei Berücksichtigung der TRBS den Stand der Technik und damit die Anforderungen der BetrSichV insoweit einhält (§ 4 Absatz 3 Satz 2 BetrSichV). Wenn die vom Arbeitgeber festgelegten Schutzmaßnahmen den Anforderungen der BetrSichV bzw. der zugehörigen TRBS entsprechen, kann er das Arbeitsmittel von seinen Beschäftigten unter Beachtung dieser Maßnahmen verwenden lassen.
(4) Der Arbeitgeber hat die TRBS zu berücksichtigen (§ 4 Absatz 3 Satz 1 BetrSichV). Weicht der Arbeitgeber im Hinblick auf die Verwendung von Arbeitsmitteln hinsichtlich der getroffenen Schutzmaßnahmen von den Regeln und Erkenntnissen ab, muss er in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung angeben, wie die Anforderungen dieser Verordnung zumindest in vergleichbarer Weise eingehalten werden (§ 4 Absatz 3 Satz 3 BetrSichV). In diesem Fall ist entsprechend Nummer 3.2.3 vorzugehen.
(1) Wenn in den unter 3.2.1 genannten Vorgaben keine konkreten Anforderungen an Schutzmaßnahmen für die auftretenden Gefährdungen enthalten sind, muss der Arbeitgeber prüfen, ob es andere gesicherte Erkenntnisse gibt, die konkrete Hinweise auf geeignete Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik enthalten. Hierzu gehören DGUV-Regelwerke und Veröffentlichungen der einzelnen Unfallversicherungsträger, der Länder sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
(2) Übernimmt der Arbeitgeber die dort empfohlenen Maßnahmen, kann er davon ausgehen, dass die Schutzmaßnahmen insoweit dem Stand der Technik entsprechen. Er kann das Arbeitsmittel von seinen Beschäftigten unter Beachtung dieser Maßnahmen verwenden lassen.
(1) Enthalten die vorgenannten Regelwerke keine konkreten Anforderungen, muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen selbst fachkundig festlegen. Dabei kann er auf Erkenntnisse zurückgreifen, die sich bereits in der Praxis bewährt haben (Veröffentlichungen von z. B. Industrieverbänden und Branchenstandards) bzw. interne oder externe Fachleute hinzuziehen.
(2) Bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen für die sichere Verwendung des Arbeitsmittels ist stets die Rangfolge der Schutzmaßnahmen (T-O-P) zu berücksichtigen.
Aus § 3 Absatz 7 BetrSichV lassen sich Anlässe für eine Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung und der danach getroffenen Maßnahmen zur sicheren Verwendung eines Arbeitsmittels ableiten:
(1) § 10 Absatz 1 BetrSichV legt fest, dass der Arbeitgeber Instandhaltungsmaßnahmen treffen muss, damit das Arbeitsmittel während der gesamten Verwendungsdauer in einem sicheren Zustand erhalten bleibt. Sofern sich der Stand der Technik in Bezug auf das zu erreichende Schutzniveau ändert, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind.
(2) Bei der Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Absatz 7 BetrSichV der bestehenden Maßnahmen zur sicheren Verwendung des Arbeitsmittels ist ein Vergleich mit dem Stand der Technik für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln zu führen, wie er zum Zeitpunkt der Überprüfung existiert.
(3) Aus der Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Absatz 7 BetrSichV und der danach getroffenen Maßnahmen zur sicheren Verwendung des Arbeitsmittels können sich folgende Möglichkeiten ergeben:
a) | Nachrüstung technischer Schutzmaßnahmen | |
b) | falls technische Maßnahmen nicht möglich oder allein nicht ausreichend sind | |
– | organisatorische und/oder | |
– | personenbezogene Maßnahmen durchführen | |
c) | falls modifizierte Maßnahmen nach a) und b) nicht möglich oder allein nicht ausreichend sind | |
– | Arbeitsmittel außer Betrieb nehmen |
Abbildung 2 enthält eine Überblicksdarstellung zum Vorgehen.
Abb. 2 Ablauf der Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung und Anpassung der Maßnahmen zur sicheren Verwendung eines Arbeitsmittels
(4) Durch die fachgerechte Verknüpfung von technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen muss gewährleistet sein, dass Arbeitsmittel für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet sind und bei deren Verwendung Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechend dem Stand der Technik gewährleistet sind. Bei der Entscheidung über Maßnahmen kann im Einzelfall die Frage auftreten, wie die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und präventivem Nutzen der Maßnahmen zu bewerten ist (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Eine solche Bewertung kann nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen erfolgen (vgl. 3.5). Dabei sind die mit der betrieblichen Verwendung der Arbeitsmittel verbundenen Gefährdungen und Besonderheiten des Arbeitsmittels zu berücksichtigen.
(5) In jedem Einzelfall ist zu ermitteln, festzulegen und zu dokumentieren, wie die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährleistet werden können. Die Maßnahmen sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen; dazu gehört auch eine erneute Prüfung des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen der Maßnahmen.
(1) In besonderen Ausnahmefällen kann ein Missverhältnis zwischen dem präventiven Nutzen der Maßnahme und dem mit den Maßnahmen verbundenen Aufwand entstehen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
(2) Wenn ein Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und festzulegen hat, ob vorhandene Maßnahmen an den Stand der Technik angepasst werden müssen, kann eine ausnahmsweise erforderliche Ermittlung des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen der Maßnahmen analog zum Verwaltungsverfahrensrecht vorgenommen werden (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
(3) Fragen zur Verhältnismäßigkeit sind in den Rechtsgrundlagen zum Arbeitsschutz nicht explizit enthalten. Eine zum Verwaltungsverfahrensrecht analoge Betrachtung der Frage der Verhältnismäßigkeit ist jedoch zulässig, wenn ein Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und festzulegen hat, ob vorhandene Maßnahmen ausreichend sind oder angepasst werden müssen.
(4) Demnach ist eine Maßnahme dann verhältnismäßig, wenn sie
a) Geeignetheit
Eine Maßnahme ist dann geeignet, wenn mit ihr der Zweck (die sichere Verwendung des Arbeitsmittels) erreicht oder gefördert werden kann.
b) Erforderlichkeit
Es steht zur Erreichung des angestrebten Ziels kein anderes gleich wirksames Mittel zur Verfügung, das den Arbeitgeber weniger belastet (geringstmöglicher Eingriff).
c) Angemessenheit
Die Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der erkennbar zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht. Dies setzt stets eine genaue Betrachtung des Einzelfalls sowie eine Abwägung der Vor- und Nachteile der Maßnahme voraus.
(5) Im Einzelfall kann eine Bewertung einer Maßnahme im Hinblick auf die damit verbundenen Vor- und Nachteile den Aufwand zu der Einschätzung führen, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist. In einem solchen Einzelfall ist eine Entscheidung zu treffen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitsmittel weiter verwendet werden kann.