Anlage 1: Sicherheitsmaßnahmen unter tierseuchenrechtlichen Aspekten

Bei der Durchführung von Infektionsversuchen an Tieren ist außer dem Schutz des Menschen stets auch der Schutz der Haus- und Wildtierpopulationen vor Tierseuchen zu beachten.

Die wichtigste Rechtsgrundlage für Sicherheitsmaßnahmen unter tierseuchenrechtlichen Aspekten ist das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG).

Auf dieses Gesetz stützt sich die Tierseuchenerreger-Verordnung. Wer mit Tierseuchenerregern (vermehrungsfähigen Erregern oder Teilen von Erregern) arbeiten oder diese erwerben oder abgeben will, benötigt eine Erlaubnis der zuständigen Behörde. Dies ist die jeweils für das Veterinärwesen zuständige oberste Landesbehörde oder ggf. eine Behörde, welche dieser nachgeordnet ist. Auskünfte erteilt das zuständige Veterinäramt. Für Tierärzte und Ärzte gibt es in § 3 Tierseuchenerreger-Verordnung Erleichterungen für Arbeiten mit Erregern solcher Tierkrankheiten, die nicht der Anzeigepflicht unterliegen. Welche Krankheiten anzeigepflichtig sind, ergibt sich aus der Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen.

Für manche Tierseuchenerreger gibt es darüber hinaus spezielle Vorschriften, z. B für die Maul- und Klauenseuche (MKS) die MKS-Verordnung. Mit dem Virus der MKS darf nur in bestimmten, von der EU gelisteten Hochsicherheitslaboratorien gearbeitet werden.

Nach § 4 TierGesG sind Ausbrüche anzeigepflichtiger Tierseuchen oder ein Verdacht hierauf unverzüglich dem zuständigen Veterinäramt anzuzeigen. Diese Pflicht gilt für jeden, der für die betroffenen Tiere in irgendeiner Weise Verantwortung trägt. Sie gilt nur dann nicht, wenn die Erkrankung Gegenstand eines genehmigten wissenschaftlichen Versuches ist.

Darüber hinaus ist die Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten zu beachten.

Auch bei übertragbaren Tierkrankheiten, die nicht der staatlichen Tierseuchenbekämpfung unterliegen (etwa nicht-zoonotische Krankheiten bei Heimtieren), sollte stets das Übertragungsrisiko, etwa auf eigene Tiere der Beschäftigten, beachtet werden.

Tote Versuchstiere sind tierische Nebenprodukte der Kategorie 1 im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, national sind das Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz sowie die Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung zu beachten.

Über die beim Transport von Tierseuchenerregern und Stoffen, die diese enthalten können, stets anzuwendenden transportrechtlichen Vorschriften hinaus (siehe Nummer 4.3 Absatz 7) ist ggf. die Tierseuchenerreger-Einfuhrverordnung zu beachten.

Zur Beurteilung des Gefährdungspotenzials biologischer Arbeitsstoffe (Biostoffe) aus tierseuchenhygienischer Sicht können die TRBA 460-466 herangezogen werden. In diesen finden sich neben den für den Menschen relevanten Einstufungen zusätzlich Hinweise auf die Pathogenität für Tiere. Mit der Kennzeichnung "t2, t3 oder t4" wird darauf verwiesen, dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden können, die vergleichbar mit Schutzmaßnahmen der der Ziffer entsprechenden Schutzstufe sind und die ein Entweichen des Biostoffes bzw. infizierten Tieres in die äußere Umgebung bzw. andere Arbeitsbereiche verhindern/minimieren. Die Zuordnung kann für Tiere um mehrere Stufen über der für Menschen liegen, z. B. bei den Viren der Maul- und Klauenseuche oder der Afrikanischen Schweinepest. Die sich daraus ergebenden zusätzlichen Sicherheitsmaß-nahmen sollten in Absprache mit der zuständigen Behörde festgelegt werden. Hierzu können die Empfehlungen der World Organisation for Animal Health (OIE) [26] bzw. auch die vorliegende TRBA 120 herangezogen werden (vgl. Tabelle 1).

Zum Risikomanagement bei Tierversuchen mit für landwirtschaftliche Nutztiere gefährlichen Erregern soll das zuständige Veterinäramt hinzugezogen werden.

Es ist stets die jeweils geltende Fassung der o. g. Vorschriften anzuwenden (siehe z. B. www.gesetze-im-internet.de). Da tierseuchenrechtliche Vorschriften häufig überarbeitet werden, sollte im Zweifelsfall beim zuständigen Veterinäramt nachgefragt werden.

Tab.1: Übersicht zu möglichen Sicherheitsmaßnahmen bei Tätigkeiten mit tierpathogenen Biostoffen aus tierseuchenhygienischer Sicht auf Basis der Empfehlungen der World Organisation for Animal Health (OIE Terrestrial Manual 2012 [26])

Sicherheitsmaßnahmen1) Biologische Arbeitsstoffe mit der Bemerkung2)3)
t2/n2 t3 t4
1. Räumliche Abtrennung/Abschottung von anderen Bereichen/Tätigkeiten im selben Gebäude   ja
getrennt vom Zugangsbereich (Flur)
ja
separates Gebäude o. isolierter Bereich
2. Schleuse   ja ja
3. Raumtüren verriegelbar ja ja ja
4. Lüftung
 
  • nach innen gerichteter Luftstrom
optional4) ja ja
 
  • geregelte RLT-Anlage/Unterdruck
  ja ja
 
  • Abluft über Hochleistungsschwebstoff-Filter
  ja ja
doppelt
5. Zur Raumdesinfektion abdichtbar/abgedichtet   ja ja
6. Autoklav
 
  • im Gebäude
ja ja ja
 
  • im Tierraum
  ja ja
 
  • Durchreicheautoklav
  optional ja
7. Behandlung (Inaktivierung) von Abfall/Abwasser vor Entsorgung einschließlich Tierkörper ja
nur Abfall
ja ja
vor Ort
8. Begrenzter Zugang für Beschäftigte ja ja
kontrolliert
ja
überwacht
9. Mikrobiologische Sicherheitswerkbank (MSW)/ vergleichbare Einrichtung bei Aerosolbildung (Isolator mit Filter)5) optional
Klasse I o. II
ja
Klasse II
ja
Klasse II o. III
10. Arbeits-/Schutzkleidung tätigkeits-/bereichsbezogen, die vor Ort verbleibt ja ja ja
vollständiger Kleidungswechsel mit Duschen


1) Bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen, die ein Entweichen des biologischen Arbeitsstoffes bzw. Tieres in die äußere Umgebung bzw. andere Arbeitsbereiche minimieren. Einzelfallprüfung, Festlegung in Absprache mit der für das Tierseuchenrecht zuständigen Behörde. Die Empfehlungen des Handbuches der World Organisation for Animal Health (OIE) können herangezogen werden [26].
2) Bemerkung entsprechend der Technischen Regeln Biologische Arbeitsstoffe – TRBA 462 "Einstufung von Viren in Risikogruppen", TRBA 464 "Einstufung von Parasiten in Risikogruppen" und TRBA 466 "Einstufung von Prokaryonten (Bakteria und Archaea) in Risikogruppen" [1].
3) t2/n2 (t3, t4): Wegen der Pathogenität für Wirbeltiere [t] oder wirbellose Tiere [n] können aus tierseuchenhygienischer Sicht Sicherheitsmaßnahmen erforderlich werden, die vergleichbar mit den Schutzmaßnahmen der Schutzstufe 2 (3, 4) ein Entweichen des Prokaryonten/Virus/Parasiten in die äußere Umgebung bzw. in andere Arbeitsbereiche minimieren (verhindern, ausschließen).
4) optional – entsprechend der Risikobewertung im Einzelfall prüfen
5) sofern es die Größe der Tiere zulässt