4 Schutzmaßnahmen
4.1 Rangfolge der Schutzmaßnahmen
Bei der Auswahl zur Bereitstellung der Arbeitsmittel und
der Aufstellung der Arbeitsmittel sind mögliche Gefährdungen
durch Wechselwirkungen zu berücksichtigen und zu
vermeiden. Ist dies nicht möglich, sind zusätzliche technische
Maßnahmen am Arbeitsmittel bzw. Arbeitsplatz (so
weit wie möglich) vorzusehen und diese ggf. durch organisatorische
Maßnahmen (z. B. zum zeitlichen Arbeitsablauf) sowie
persönliche Schutzmaßnahmen zu ergänzen.
4.2 Beispielhafte Schutzmaßnahmen
(1) Maßnahmen gegen Gefährdungen durch Wechselwirkung
von Arbeitsmitteln untereinander, durch Wechselwirkung
zwischen Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand oder
zwischen Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung können auf
der Grundlage der Maßnahmen, die in den TRBS zu spezifischen
Gefährdungen beschrieben sind, wie z. B.
- TRBS 2111 (Mechanische Gefährdungen),
- TRBS 2141 (Gefährdungen durch Dampf und Druck),
- TRBS 2152 (Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre)
gestaltet werden.
(2) Zur Ermittlung von Maßnahmen gegen psychische Belastung
durch Über- oder Unterforderung sind im Zusammenhang
mit Arbeitsaufgabe, Tätigkeit, Arbeitsmittel, Arbeitsumgebung,
Arbeitsorganisation und zeitlicher Organisation
z. B. zu beachten:
- klare, eindeutige Arbeitsanweisungen geben,
- ergonomisch gestaltete Schichtpläne,
- Vermeidung von Taktarbeit, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen
führt,
- Vermeidung gleichzeitiger paralleler Aufgabenbearbeitung,
- Sicherstellen eindeutiger Informationsdarstellung,
- der Aufgabe angemessene Beleuchtung sicherstellen,
- Zeitdruck vermeiden und selbstbestimmtes Arbeitstempo
ermöglichen,
- ausreichende Erholungspausen einplanen,
- Erhöhung der Aufgabenvielfalt im Sinne der Mischarbeit,
- Schaffung von Möglichkeiten zu körperlichen Aktivitäten
bei monotonen Tätigkeiten,
- Kommunikation der Mitarbeiter untereinander ermöglichen
(Mikropausen),
- Vermeidung von einförmigen Bedingungen wie Akustik,
Raumklima und Farben.
(3) Weitere Hinweise zur psychischen Belastung durch
Über- oder Unterforderung sind im Literaturverzeichnis
(DIN EN IS0 10075-2 Ergonomische Grundlagen bezüglich
psychischer Arbeitsbelastung – Teil 2: Gestaltungsgrundsätze
(Ausgabedatum: 2000-06) zu finden.
(4) Physische und psychische Belastung können zu Gefährdungen
durch Handlungsfehler führen. Diese werden durch
aufgabengerechte Auswahl sowie durch ergonomische Gestaltung
und Anordnung der Arbeitsmittel vermieden, wie
z. B.:
- Berücksichtigung der Leistungsgrenzen der menschlichen
Informationsverarbeitung, z. B. Antwortzeit für erwartete
Signale üblicherweise 0,2 s bis 0,3 s und für nicht
erwartete über 0,5 s. Dies kann durch Priorisierung und
Strukturierung von Meldungen erfolgen.
- eindeutig wahrnehmbare Kennzeichnung und Anzeigen:
- akustische und optische Signale sind auf das notwendige
Minimum begrenzt,
- Informationselemente sind nach Funktion und Bedeutung
gruppiert,
- Anzeigen, die hohe Aufmerksamkeit erfordern, sind
im zentralen Blickfeld angeordnet (z. B. Sehachse 15°
bis 30° unter der Horizontalen, vertikales Sehfeld für
Überwachungsaufgaben 15° über und unter dieser
Sehachse, horizontales Sehfeld 15° rechts und links
zur Blickrichtung),
- ausreichende Zeichengröße (Sehwinkel 18 bis 22 Bogenminuten),
Zeichenschärfe muss gedruckten Zeichen
nahekommen, ausreichender Kontrast zwischen
Zeichen und Zeichenhintergrund,
- eindeutige Codierungsverfahren für Arbeitsmittel sowie
Einsatz spezieller Codierung für z. B. Achtung,
Gefährdung, Notfall, Warnung;
Abb. 5 Gesichtsfeld des Menschen bei Neigung des Blickes
um 15° gegen die Waagrechte und einer Kopfdrehung
um 0° gegen die Senkrechte beim stramm
aufrechten Stehen
(Quelle: „Kleine Ergonomischen Datensammlung“
(KED); Lange, W. und Windel, A.; 12. überarbeitete
Auflage; Verlag TÜV Rheinland)
- Bedienelemente (z. B. Stellteile) sind aufgabenbezogen
und erwartungskonform:
- aufgabenbezogene Anforderungen: geforderte Genauigkeit
des Positionierens, Stellgeschwindigkeit,
Kraft der Beschäftigten, visuelle Erkennbarkeit, Tastbarkeit,
Vermeidung von unbeabsichtigtem Stellen,
Vermeiden des Abgleitens der Hand, Stellmöglichkeit
mit Handschuhen, Instandhaltung und Reinigung,
- ungünstige Körperhaltungen sind durch die Art der
Bewegung wie Ziehen oder Schieben, Bewegungsachse,
Bewegungsrichtung oder Drehwinkel der Bewegung,
Kontinuität der Bewegung zu vermeiden,
- die Bewegungsrichtung des Stellteiles ist erwartungskonform
zur Bewegung des Arbeitsmittels auszurichten;
- ergonomisch günstige Körperhaltung wird ermöglicht
(Vermeidung von Zwangshaltung) durch z. B.
- höhenverstellbare Tische und Bedienpulte,
- Einhaltung der Greifräume (die äußeren Bereiche der
Greifräume sollen nicht dauerhaft benutzt werden),
- dynamisches Sitzen,
- arbeitsorganisatorische Maßnahmen wie Mischarbeit;
- Berücksichtigung des erforderlichen Platzbedarfs der
Arbeitsmittel;
- räumliche und zeitliche Verfügbarkeit geeigneter Arbeitsmittel
(z. B. Vorhalten geeigneter Werkzeuge (z. B.
Drehmomentschlüssel, Leitern) direkt vor Ort);
- Berücksichtigung des Reflexverhaltens durch Zweihandschaltung oder Lichtvorhang.
Abb. 6 Darstellung ergonomischer Greifräume Greifflächen
in der Tischebene (ca. 20 cm über der Sitzebene)
1⃝ = Beidhandzone, 2⃝ = Einhandzone,3⃝ = erweiterte Einhandzone
(Quelle: „Kleine Ergonomischen Datensammlung“
(KED); Lange, W. und Windel, A.; 12. überarbeitete
Auflage; Verlag TÜV Rheinland)
|
Frau (18–65 Jahre) |
Mann (18–65 Jahre) |
5. Perz. |
50. Perz. |
95. Perz. |
5. Perz. |
50. Perz. |
95. Perz. |
1⃝ |
143 (147,5) |
151,5 (156) |
160,5 (165) |
153 (156) |
163 (166) |
173,5 (176,5) |
2⃝ |
37,5 (42) |
41,5 (46) |
45 (49,5) |
41 (44) |
45 (48) |
49 (52) |
3⃝ |
35 |
34,5 |
35 |
38 |
38,5 |
39 |
|
(Klammerwert: inkl. 4,5 cm Absatz) |
(Klammerwert: inkl. 3 cm Absatz) |
Abb. 7 ergonomischer Schalterarbeitsplatz, Maßangaben zu 1⃝ bis 3⃝ in cm
(Quelle: „Kleine Ergonomischen Datensammlung“ (KED); Lange, W. und Windel, A.; 12. überarbeitete Auflage;
Verlag TÜV Rheinland)
Abb. 8 ergonomischer Steharbeitsplatz
(Quelle: „Kleine Ergonomischen Datensammlung“
(KED); Lange, W. und Windel, A.; 12. überarbeitete
Auflage; Verlag TÜV Rheinland)
(5) Die Manipulation von Sicherheitseinrichtungen ist nicht
zulässig. Maßnahmen gegen Umgehung von Sicherheitseinrichtungen:
- Es ist Aufgabe des Arbeitgebers (Führungsaufgabe), ein
Umgehen von Sicherheitseinrichtungen zu verhindern.
- Die zugrunde liegenden Ursachen für die Manipulation
von Sicherheitseinrichtungen sind zu identifizieren und
zu beseitigen (siehe Anlage 6).
- Auswahl geeigneter Arbeitsmittel, die auch keinen Anreiz
zur Manipulation der Sicherheitseinrichtungen bieten
(vergleiche Bekanntmachungen für Betriebssicherheit
BekBS 1113 „Beschaffung von Arbeitsmitteln“).
- Erstellen einer Arbeitsanweisung;
- Unterweisung der Beschäftigten über die mit der Arbeit
verbundenen Gefahren und Einweisung am Arbeitsplatz;
- Beauftragen nur von Beschäftigten, die für die entsprechenden
Arbeiten qualifiziert sind.
In den Anlagen 1 bis 6 sind beispielhaft für konkrete Situationen
Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen sowie
geeignete Schutzmaßnahmen dargestellt.
4.3 Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen
(1) Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen
muss der Arbeitgeber feststellen, ob
- die eingeleiteten Maßnahmen ausreichend wirksam sind
und
- sich keine zusätzlichen oder veränderten Gefährdungen
aus den Schutzmaßnahmen ergeben haben.
(2) Zur Untersuchung eines Arbeitsplatzes nach dem Belastungs-
Beanspruchungs-Modell ist ein vergleichbares Vorgehen
wie in Nummer 2.3 beschrieben anzuwenden. Danach
hat der Arbeitgeber eine Belastungsanalyse/Beanspruchungsanalyse
unter der Beteiligung der Beschäftigten
durchzuführen, um dadurch die jeweilige betriebliche Situation
angemessen beurteilen und bedarfsorientierte Maßnahmen
der Gestaltung ableiten zu können. Deren Wirksamkeit
ist nun durch eine erneute Belastungsanalyse/Beanspruchungsanalyse
zu überprüfen. Dieses Vorgehen ermöglicht
zum einen aussagekräftige Vorher-Nachher-Vergleiche anhand
derselben Methodik, und zum anderen werden kontinuierliche
Verbesserungsprozesse angestoßen sowie Lernen
und Entwicklung ermöglicht.