Gerüste müssen insbesondere folgenden grundlegenden Anforderungen genügen:
Die Brauchbarkeit eines Gerüstes ist durch den Standsicherheitsnachweis und den Plan für den Auf-, Um- und Abbau nachzuweisen, sofern das Gerüst nicht nach einer allgemein anerkannten Regelausführung erstellt wird.
Für Gerüste und Gerüstbereiche, die nicht nach einer allgemein anerkannten Regelausführung errichtet werden, ist ein Standsicherheitsnachweis (Festigkeits- und Standfestigkeitsberechnung) auf Grundlage der in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) genannten Technischen Baubestimmungen der Länder zu erbringen.
Für eine allgemein anerkannte Regelausführung gilt der Standsicherheitsnachweis z. B. als erbracht, wenn eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für das jeweilige Gerüstsystem durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) erteilt wurde, ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis oder eine Zustimmung im Einzelfall auf Grundlage der Bauordnungen der Länder vorliegt oder eine Gerüstkonfiguration nach DIN 4420-3:2004-03 errichtet wurde.
Der Standsicherheitsnachweis kann auch unter Zuhilfenahme von Bemessungstabellen oder Bemessungshilfen, die auf Grundlage der MVV TB erstellt wurden, erbracht werden.
Sofern in der jeweiligen Landesbauordnung gefordert, sind Gerüstsysteme mit einer gültigen, allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zu verwenden.
Der für die Erstellung des Gerüstes verantwortliche Arbeitgeber (Gerüstersteller) hat je nach Komplexität des Gerüstes einen Plan für den Auf-, Um- und Abbau (Montageanweisung) zu erstellen oder durch eine von ihm beauftragte fachkundige Person erstellen zu lassen.
Die Montageanweisung soll insbesondere folgende Angaben enthalten:
Die Montageanweisung muss der fachkundigen Person, welche die Gerüstarbeiten beaufsichtigt, und den Beschäftigten am Verwendungsort vorliegen.
Der Gerüstersteller hat gemäß § 3 Absatz 4 des Produktsicherheitsgesetzes eine Gebrauchsanleitung (Plan für den Gebrauch) zur Verfügung zu stellen.
Der Plan für den Gebrauch muss insbesondere enthalten:
Der Gerüstnutzer hat diese Informationen bei seiner Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Absatz 4 Satz 1 BetrSichV zu berücksichtigen.
Beim Auf-, Um- und Abbau müssen Beschäftigte gegen Absturz (entsprechend Nummern 4.2.2 bis 4.2.4) geschützt sein.
Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz sind dann nicht erforderlich, wenn der horizontale Abstand zwischen der Kante der Belagfläche des Gerüstes und einer tragfähigen und ausreichend großen Fläche des Bauwerkes nicht mehr als 0,30 m beträgt.
Die Absturzsicherung ist eine technische Schutzmaßnahme und ist als Seitenschutz auszuführen.
Vor dem vertikalen Handtransport von Gerüstbauteilen muss in dem jeweiligen Gerüstabschnitt in den Gerüstfeldern mindestens ein zweiteiliger Seitenschutz (bestehend aus Geländer und Zwischenholm) vorhanden sein.
Auf der obersten Gerüstlage ist für den Horizontaltransport von Gerüstbauteilen bei durchgehender Gerüstflucht mindestens ein einteiliger Seitenschutz oder ein Montagesicherungsgeländer zu verwenden, sofern nicht bauliche Gegebenheiten, wie z. B. Balkone, Erker oder besondere Gerüstbauarten, wie z. B. Hänge- oder Raumgerüst, diese Maßnahme der Absturzsicherung nicht ermöglichen.
Erläuterung:
Sind Absturzsicherungen gemäß Nummer 4.2.2 nicht möglich, müssen Auffangeinrichtungen verwendet werden.
Die Auffangeinrichtung ist als Schutzgerüst oder Schutznetz auszuführen.
Erläuterung:
Ist eine technische Schutzmaßnahme nach Nummern 4.2.2 oder 4.2.3 aufgrund des einzurüstenden Objekts, der Gerüstbauart oder der zusätzlichen Konstruktion nach statischen Erfordernissen nicht möglich, ist als personenbezogene Schutzmaßnahme eine geeignete persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) zu verwenden.
Die Verwendung der PSAgA ist insbesondere bei allen Gerüstausführungen erforderlich, wenn Maßnahmen nach Nummern 4.2.2 oder 4.2.3 nicht möglich sind, z. B. wenn nach Länge und Höhe keine durchgehende Gerüstflucht ohne Vor- und Rücksprünge vorhanden ist, sowie bei Raumgerüsten, Gerüsttreppen und Treppentürmen, Überbrückungskonstruktionen, auskragenden Gerüstbauteilen, Hängegerüsten.
Der Arbeitgeber hat für die bestimmungsgemäße Verwendung der PSAgA zu sorgen. Dies setzt das Vorhandensein von geeigneten Anschlagpunkten und eine besondere Gefährdungsbeurteilung voraus. Darüber hinaus bedingt sie eine gesonderte Unterweisung der Beschäftigten in der ordnungsgemäßen Verwendung der PSAgA, welche auch die Durchführung der erforderlichen Rettungsmaßnahmen nach dem Auffangvorgang beinhaltet. Am Einsatzort ist die erforderliche Ausrüstung zur Rettung in Abhängigkeit des Rettungskonzepts bereit zu halten.
Geeignete Anschlagpunkte für PSAgA sollten grundsätzlich oberhalb des Beschäftigten, bei längenorientierten Arbeits- und Schutzgerüsten mindestens jedoch in 1 m Höhe über der Standfläche des Beschäftigten, angeordnet sein.
Hinweise für geeignete Anschlagpunkte können z. B. der Aufbau- und Verwendungsanleitung des jeweiligen Gerüstherstellers sowie der Gebrauchsanleitung des Herstellers der PSAgA entnommen werden. Sind keine geeigneten Anschlagpunkte ausgewiesen, sind diese im Einzelfall zu bestimmen und nachzuweisen.
Im Rettungskonzept und in der Gefährdungsbeurteilung ist u. a. die Verletzungsgefahr z. B. durch Anprallen oder Hängetrauma zu berücksichtigen.
Die Verwendung von PSAgA erfordert in jedem Fall die Benutzung eines Schutzhelms mit Kinnriemen, der mit einer Festigkeit von bis zu 25 daN (DIN EN 397:2013-04) ausgestattet ist.
Beim Auf-, Um- oder Abbau von Gerüsten ist der Zugang über innenliegende Leitern (mindestens alle 50 m) zulässig.
Beim Transport der Gerüstbauteile sind Gefährdungen der Beschäftigten zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss Maßnahmen treffen, um geeignete Arbeitsmittel zu verwenden.
Geeignete Arbeitsmittel zum Heben von Lasten sind z. B. Krane, Bauaufzüge und Seilrollenaufzüge mit einem hierfür abgestimmten Lastaufnahmemittel.
Um beim Handtransport der Gerüstbauteile eine Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten, insbesondere des Muskel-Skelett-Apparates zu vermeiden, hat der Arbeitgeber Maßnahmen zu treffen, um geeignete Arbeitsmittel einzusetzen.
Wird das Gerüst mit einer Gerüsthöhe (Belaghöhe über Aufstellfläche) errichtet von
muss für den Vertikaltransport ein geeignetes Arbeitsmittel zum Heben von Lasten zur Anwendung kommen.
Beim vertikalen Handtransport muss in jeder Gerüstlage ein Beschäftigter im gesicherten Gerüstfeld (zweiteiliger Seitenschutz) stehen.
Für die Erstellung des Gerüstes ist eine fachkundige Person vom Arbeitgeber zu beauftragen (Anhang 1 Nummer 3.2.6 BetrSichV).
Der Aufgabenbereich erstreckt sich u. a. auf:
Zu dem Personenkreis der fachkundigen Person des Gerüsterstellers (Aufsichtführenden) gehören z. B. Gerüstbaumontageleiter, geprüfte Gerüstbau-Obermonteure, geprüfte Gerüstbau-Kolonnenführer, geprüfte Poliere, Gerüstbaumeister und Personen im Bau-Handwerk, die die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Gerüstbau aufweisen.
Die Aufgaben der fachkundigen Person des Gerüsterstellers und die der zur Prüfung befähigten Person können von einer Person (je nach Eignung) oder jeweils auch von unterschiedlichen Personen wahrgenommen werden.
Gerüste dürfen nur von Beschäftigten auf-, um- oder abgebaut werden, die dafür fachlich geeignet sind.
Fachlich geeignete Beschäftigte müssen speziell für die auszuführenden Arbeiten eine angemessene Unterweisung erhalten haben, die sich mindestens auf Folgendes erstreckt (siehe Anhang 1 Nummer 3.2.6 a) bis f) BetrSichV):
Fachlich geeignet sind z. B. Beschäftigte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gerüstbauer-Handwerk, einer abgeschlossenen Ausbildung in einem Bau-Handwerk, welche die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Gerüstbau beinhaltet, oder Beschäftigte mit vergleichbarer Qualifikation.
Eine vergleichbare Qualifikation ist z. B. dann gegeben, wenn der Beschäftigte in Abhängigkeit des zu errichtenden Gerüstes über eine mehrjährige praktische Berufserfahrung verfügt und er dabei Kenntnisse und Fertigkeiten insbesondere in folgenden Punkten erworben hat:
Jedes Gerüst ist zu kennzeichnen.
Die Kennzeichnung am Gerüst (sinnvollerweise am Zugang) ist Bestandteil der Prüfung und Voraussetzung für die Inaugenscheinnahme.
Die Kennzeichnung muss mindestens Folgendes beinhalten:
Jede Gerüstlage, die als Arbeits- und Zugangsbereich genutzt werden kann, muss während des Gebrauchs durch den Gerüstnutzer durch Seitenschutz gesichert sein.
Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz sind dann nicht erforderlich, wenn der horizontale Abstand zwischen der Kante der Belagfläche des Gerüstes und einer tragfähigen und ausreichend großen Fläche des Bauwerkes nicht mehr als 0,30 m beträgt.
Wenn es für die Ausführung einer besonderen Arbeit erforderlich ist, den Seitenschutz vorübergehend zu entfernen, müssen Maßnahmen gegen Absturz der Beschäftigten entsprechend der Rangfolge – Absturzsicherung, Auffangeinrichtung, persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz – nach Nummer 3 getroffen werden.
Sobald diese besonderen Arbeiten vorübergehend oder endgültig abgeschlossen sind, muss der Seitenschutz unverzüglich wieder angebracht werden.
Anforderungen an den Seitenschutz können z. B. DIN EN 12811-1:2004-03, DIN 4420-1:2004-03 oder den Aufbau- und Verwendungsanleitungen der Gerüsthersteller entnommen werden.
Zugänge zu hochgelegenen Arbeitsplätzen auf Gerüsten (mindestens alle 50 m) müssen angemessen ergonomisch und sicher begangen werden können. Grundsätzlich sind Aufzüge, Transportbühnen und Treppen gegenüber Leitern zu bevorzugen.
Können Aufzüge, Transportbühnen oder Treppen aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht eingesetzt werden, können an deren Stelle Leitern verwendet werden. Bauliche Gegebenheiten, die den Einsatz von Leitern erforderlich machen, können z. B. Platzmangel oder statische Gegebenheiten sein.
Von Ebenen, die mit Aufzügen, Transportbühnen oder Treppen erschlossen sind, dürfen zusätzlich maximal zwei weitere, nicht umlaufende Gerüstlagen (z. B. Giebelbereich, Staffelgeschoss) mit innenliegenden Leitergängen begangen werden.
Geeignete Maßnahmen zu der Anwendung von Leitern können der TRBS 2121 Teil 2 entnommen werden.
Der Zugang über innenliegende Leitern ist zulässig
wenn die dabei bestehenden Gefährdungen (z. B. umfangreicher Materialtransport, Schließen von Durchstiegsöffnungen) in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.
Erläuterung:
Einfamilienhäuser sind hier Eigenheime, die den maximalen Abmessungen der Gebäudeklassen 1a und 2 der Musterbauordnung entsprechen (Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2. Die Höhe ist das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel).
Gerüste dürfen nur von unterwiesenen Beschäftigten des Gerüstnutzers gebraucht werden.
Mit der Inaugenscheinnahme und der Funktionskontrolle gemäß § 4 Absatz 5 Satz 3 ist vom Gerüstnutzer eine qualifizierte Person zu beauftragen.
Der Gerüstnutzer, der seinen Beschäftigten ein Gerüst zum Gebrauch zur Verfügung stellt, hat im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung den Plan für den Gebrauch (siehe Nummer 4.1.3) zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber, der Gerüste durch seine Beschäftigten benutzt oder benutzen lässt, hat sicherzustellen, dass die Gerüste in einem ordnungsgemäßen Zustand gehalten werden. Hierzu hat er die Beschäftigten anzuweisen, u. a. während des Gebrauchs festgestellte augenfällige Veränderungen an den jeweiligen Aufsichtführenden zu melden.
Zu diesen Veränderungen zählen z. B. der nicht bestimmungsgemäße Ausbau von Belägen, Seitenschutzbauteilen, Leitern, Verankerungen oder der Anbau von Aufzügen, Schuttrutschen, Netzen oder Planen.
Ein Auf-, Um- und Abbau von Gerüsten hat grundsätzlich durch einen Gerüstersteller zu erfolgen.
Gemäß BetrSichV sind wiederkehrende Prüfungen durchzuführen. Hierzu gibt die TRBS 1201 weitere Hinweise.
Sind bestimmte Bereiche eines Gerüsts nicht verwendbar, z. B. während Auf-, Um- oder Abbauarbeiten, sind diese Bereiche mit dem Verbotszeichen D-P006 "Zutritt für Unbefugte verboten" zu kennzeichnen und durch Absperrungen, die den Zugang zu diesen Teilen verhindern, angemessen abzugrenzen (siehe auch ASR A1.3 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz").
Fahrbare Gerüste müssen durch geeignete Vorrichtungen gegen unbeabsichtigtes Fortbewegen gesichert sein. Während des Gebrauchs durch den Nutzer des fahrbaren Gerüstes darf dieses nicht fortbewegt werden.
Müssen sich Beschäftigte auf fahrbaren Gerüsten für Kontroll- oder Steuerungszwecke während des Verfahrens aufhalten, ist sicherzustellen, dass für die Beschäftigten durch die Fahrbewegungen keine Gefährdungen entstehen (z. B. geführte Bewegungen). Die erforderlichen Maßnahmen sind mittels einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln.
Müssen an fahrbaren Gerüsten Ballastierungen eingesetzt werden, sind diese sicher anzubringen. Hierfür sind feste Baustoffe, z. B. Stahl oder Beton, jedoch keine flüssigen oder körnigen Baustoffe zu verwenden.