(1) In den vorliegenden verfahrens- und stoffspezifischen Kriterien sind die Bedingungen festgelegt, unter denen bei der Anwendung von formaldehydhaltigen Wirklösungen im Betrieb von einem vollautomatischen Sterilisator im Bereich des Gesundheitswesens, welcher nach dem NTDF-Verfahren arbeitet, und der ein Kammervolumen von maximal 150 l aufweist, sichergestellt wird, dass die Anforderungen der GefStoffV hinsichtlich der dermalen und inhalativen Exposition sowie der Brand- und Explosionsgefahren eingehalten werden.
(2) Der verwendete Sterilisator ist ein Medizinprodukt gemäß Medizinproduktegesetz (MPG) und muss die grundlegenden Anforderungen des Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG erfüllen. Für den Sterilisator muss eine CE-Konformitätserklärung des Herstellers unter Beteiligung einer Europäischen Benannten Stelle vorliegen.
(3) Die Anwendung der VSK gewährleistet, dass die Formaldehydkonzentration in der Luft am Arbeitsplatz beim Betrieb des Sterilisators in einem Raum von mindestens 35 m3 und einer Frischluftzufuhr von mindestens 100 m3/h unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwertes von 0,37 mg/m3 liegt.
(4) Zusätzliche Belastungen aus anderen Quellen (z. B. aus Oberflächendesinfektion mit Formaldehyd oder dem Betrieb von weiteren NTDF-Sterilisatoren) sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung durch den Betreiber zu berücksichtigen (siehe Nummer 2.1 Absatz 5).
(5) Bei Anwendung der VSK unterliegt der Betrieb des Sterilisators nicht mehr dem Anhang I Nummer 4 der GefStoffV.
(1) Bei dem Sterilisationsverfahren handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren nach aktuellen DIN- und Euronormen, sodass Gefährdungen für die Arbeitnehmer auf ein Minimum reduziert sind. Jedoch treten bei diesem Verfahren Emissionen auf, die sich – einem standardisierten Prozessschema folgend – anhand der eingesetzten Mengen und den gegebenen technischen Bedingungen abschätzen lassen.
(2) Bei einem Kammervolumen von 150 l ergibt sich für die inhalative Belastung (Zyklusmittelwert) unter angenommenen konservativ gewählten Bedingungen (die gesamte formaldehydhaltige Abluft verteilt sich in einem zylindrischen Volumen mit Radius 1 m und Höhe 2,50 m in der Bedienposition) im ungünstigsten Fall (78 °C – Programm, „Worst-Case“-Szenario nach TRGS 402, Nummer 5.2.2 Absatz 3) ein Wert von maximal 0,24 mg/m3 (0,19 ppm, Stoffindex I nach TRGS 402, Nummer 5.2.1 ist I <= 0,65), und unter typischen Standardbedingungen (60 °C – Programm) ein Wert von 0,13 mg/m3 (0,1 ppm, I = 0,35). Zum Vergleich durchgeführte Messungen in Anlehnung an TRGS 402 ergaben unter diesen Bedingungen 0,034–0,041 mg/m3 (0,027–0,033 ppm, I = 0,09 – 0,11).
(3) Da Formaldehyd ein reizender Stoff ist, ist es angemessen, ausgeprägte Belastungsspitzen während des Prozesses zu bewerten. Höchste Belastungen treten am Ende eines Prozesses während der Desorptions- und Lüftungsphase, und insbesondere bei der Entnahme des Gutes auf. Die bei repräsentativen Messungen unter Standardbedingungen (60 °C – Programm) ermittelten Kurzzeitwerte (15 min Mittelwerte) liegen zwischen 0,06 und 0,13 mg/m3 (0,05–0,1 ppm), wobei die Spitzenwerte nach ca. 5 Minuten bereits auf weniger als die Hälfte abgesunken sind.
(4) Die Bewertung aller Ergebnisse zeigt, dass bei Sterilisatoren bis zu 150 l Kammervolumen die unter Standardbedingungen (Prozesse bei Sterilsationstemperaturen bis 78 °C) ermittelten Zyklusmittelwerte im Arbeitsbereich sämtlich unterhalb des AGW von 0,37 mg/m3 liegen.
(5) Unabhängig von Raumluftbelastungen durch den NT-DF-Prozess direkt sind an Arbeitsstätten in Bereichen der Aufbereitung von Medizinprodukten auch Formaldehyd-Grundbelastungen aus anderen Quellen zu berücksichtigen, welche gemäß den vorliegenden Messungen im Größenbereich der ermittelten prozessbedingten Mittelwerte liegen können. Dieses gilt insbesondere für den Betrieb von mehreren NTDF-Sterilisatoren in einem Arbeitsbereich.
(1) Diese VSK geben dem Arbeitgeber praxisgerechte Hinweise, wie er seinen Verpflichtungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung, der Beschreibung geeigneter Schutzmaßnahmen und den Festlegungen zu ihrer Wirksamkeitskontrolle bei der Anwendung von formaldehydhaltigen Wirklösungen im Betrieb von vollautomatischen NTDF-Sterilisatoren im Bereich des Gesundheitswesens nachkommen kann.
(2) Bei sachgerechter Anwendung dieser VSK wird der aktuell gültige Grenzwert (AGW) von 0,37 mg/m3 für Formaldehyd für die inhalative Belastung in der Arbeitsplatzumgebung eingehalten. Dieser AGW von 0,37 mg/m3 schützt auch vor der krebserzeugenden Wirkung von Formaldehyd.
(3) Bei Anwendung dieser VSK bleiben darüber hinausgehende weitere Anforderungen der Gefahrstoffverordnung in Bezug auf Maßnahmen für die Verhütung von Gefährdungen, für die Informationsermittlung und zum Schutz der Beschäftigten (§§ 6–10 GefStoffV), sowie die Verpflichtung zur Festlegung von Notfallmaßnahmen (§ 13 GefStoffV), zur Erstellung von Betriebsanweisungen und zur regelmäßigen Unterweisung der Beschäftigten (§ 14 GefStoffV) bestehen.
(4) Der Anwender dieser VSK muss bei Verfahrensänderungen und ansonsten regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, die Gültigkeit der Voraussetzungen überprüfen und das Ergebnis dokumentieren. Hierzu zählt u. a. die Prüfung, ob die der bisherigen Anwendung zugrunde liegende Fassung dieser VSK nach wie vor aktuell ist, oder ob ggf. Änderungen zu berücksichtigen sind. Die Überprüfung kann im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz erfolgen.
(1) Die Sterilisation nach dem NTDF-Verfahren ist gekennzeichnet durch die folgenden Bedingungen.
(2) Der Sterilisationsprozess findet bei einer Nominaltemperatur im Bereich zwischen 50 °C und 78 °C vollautomatisch bei unveränderlichem fest programmiertem Ablauf statt und umfasst folgende Arbeitsschritte:
(3) Die Arbeitsschritte sind gekennzeichnet durch die programmierte zeitliche Abfolge und zugeordnete spezifische Werte für Druck, Temperatur und die Dampfzusammensetzung.
(4) Sicherheitstechnische Ausstattung und Leistungsdaten des Sterilisators müssen als geeignet nachgewiesen sein. Als ein geeigneter Nachweis gilt die CE-Konformitätserklärung des Herstellers nach Medizinproduktegesetz (MPG) mit Verweis auf die Erfüllung der Anforderungen der anwendbaren nationalen und internationalen Normen (siehe Nummer 9 TRGS 513).
(5) Der Betrieb des Sterilisators erfolgt in einem Raum von mindestens 35 m3, in dem ein Frischluftvolumenstrom (zugeführte Frischluftmenge) von mindestens 100 m3/h gewährleistet ist. Bei Vorhandensein anderer thermischer und chemischer Belastungsquellen (z. B. elektrische Geräte, menschliche Emissionen) oder beim Betrieb weiterer NTDF-Sterilisatoren im Arbeitsbereich ist der erforderliche Frischluftvolumenstrom entsprechend anzupassen, oder es sind ergänzende lüftungstechnische Maßnahmen vorzunehmen.
(6) Der Betreiber stellt sicher, dass
(7) Die Bevorratung und Zuführung der formaldehydhaltigen Wirklösung zum Gerät erfolgt in verschlossenen, aufplatzsicheren Behältern mit nicht mehr als 5 l Inhalt.
(8) Der Anschluss des Behälters sowie die Entnahme der Wirklösung aus den Behältern und die Zuführung zum Prozess erfolgen durch ein gegen die Umgebung abgedichtetes System, welches einen Austritt von Wirklösung durch Leckagen verhindert, sodass eine dermale und inhalative Exposition nicht auftritt.
(9) Die Ausschleusung der beim Prozess eingesetzten Wirklösung erfolgt als Kondensat stark verdünnt über das Betriebswasser der Vakuumpumpe. Soweit gemäß den Vorgaben des Herstellers eine spezielle Absaugung von formaldehydhaltigen Gasen oder Dämpfen, der Einsatz von Abluftfiltern, oder zusätzliche lüftungstechnische Maßnahmen vorgegeben sind, sind diese sicherzustellen.
(10) Die Sterilisation erfolgt in einer dicht verschlossenen Kammer bei permanentem Unterdruck. Während des Prozesses erfolgt eine laufende Dichtheitsprüfung. Vor Ablauf des gesamten Prozesses ist es nicht möglich, die Kammerverschlüsse zu öffnen.
(11) Außer im Fehlerfall ist es nicht möglich, den Prozessablauf zu unterbrechen. Im Fehlerfall erfolgt automatisch eine Desorption (Dampfwäsche) mit Trocknung und Lüftung, bevor die Kammerverschlüsse durch den Bediener geöffnet werden können.
(12) Wird das Gut nach fehlerfreiem Ablauf des Prozesses entnommen, weist es auf seinen Oberflächen eine Restbelastung von < 5,2 µg/cm2 Formaldehyd auf, die weit unterhalb der für Patienten oder Anwender medizinisch relevanten Grenzwerte liegt (siehe hierzu z. B. DIN EN 14180:2014-09, Abschnitt 6.2 und Anhang E). Das Gut ist damit frei von einer signifikanten dermalen Belastung für Beschäftigte bei ihren Tätigkeiten mit dem Sterilgut.
(13) Wird das Gut aus organisatorischen Gründen nach Ablauf des Prozesses nicht sofort entnommen, folgt zusätzlich eine automatisch fortlaufende Nachentgasung mit der Zielsetzung der weiteren Rückstandsminimierung.
(1) Die Wirklösung zur Sterilisation ist ein Gemisch mit ≤ 3 Gew.% Formaldehyd in Wasser und geringen Zusätzen von Alkohol zur Stabilisierung. Sie ist eingestuft als Muta. 2 „Kann vermutlich genetische Defekte verursachen“ (H341), Carc. 1B „Kann Krebs erzeugen“ (H350), Acute Tox. 4 „Gesundheitsschädlich beim Verschlucken“ (H302) und Skin Sens. 1 „Kann allergische Hautreaktionen verursachen“ (H317). Sie ist gekennzeichnet mit den Gefahrenpiktogrammen GHS07 (Ausrufezeichen) und GHS08 (Gesundheitsgefahr), der Konzentrationsangabe für den Formaldehyd, sowie den Sicherheitshinweisen P261, P281, P302+P352, P309+P311, P501. Brand- oder Explosionsgefahren gehen von diesem Gemisch weder unter atmosphärischen noch unter Prozessbedingungen aus.
(2) Zur Sicherstellung der mikrobiziden Wirksamkeit des Prozesses kommen während eines Sterilisationszyklus (ca. 2–5 h) bis zu 50 ml Formaldehyd pro 100 l Kammervolumen zum Einsatz. Unabhängig von der Ausgangskonzentration der zugeführten Sterilisierlösung (1–3 %) entspricht diesem einen Wirkstoffeinsatz von ca. 10 g Formaldehyd je kg Beladung.
(1) Bei der Anwendung dieser VSK ist es notwendig, dass die festgelegten verfahrenstechnischen Bedingungen eingehalten und die stoffspezifischen Voraussetzungen beachtet werden. Auf die Notwendigkeit der Überprüfung der Gültigkeit dieser Voraussetzungen nach Nummer 2.2 Absatz 4 wird hingewiesen. Bei Erfüllung dieser Kriterien sind die folgenden Überprüfungen durchzuführen.
(2) Falls für den erforderlichen Raumluftwechsel am Be-triebsort ganz oder teilweise lüftungstechnische Maßnahmen eingesetzt werden, stellt der Betreiber sicher, dass:
(3) Zur Durchführung von erforderlichen Prüfungen wäh-rend des Betriebs wird auf DIN 58948-17:2016-10 verwie-sen.
(4) Der Betreiber stellt sicher, dass die in der zugehörigen Gebrauchsanweisung vorgeschriebenen Wartungen und sicherheitstechnischen Überprüfungen in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch einmal jährlich durchgeführt werden. Die Durchführung dieser Maßnahmen ist ordnungsgemäß zu dokumentieren.
(5) Für alle Wartungsmaßnahmen und Prüfungen dürfen nur Personen eingesetzt werden, welche die Sachkenntnis, Voraussetzungen und die erforderlichen Mittel zur ordnungsgemäßen Ausführung dieser Aufgaben besitzen.
[1] | DIN EN 14180:2014-09 „Sterilisatoren für medizinische Zwecke – Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-Sterilisatoren – Anforderungen und Prüfung“ |
[2] | DIN EN 61010-1:2011-07; VDE 0411-1:2011-07 Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte – Teil 1: Allgemeine Anforderungen (IEC 61010-1:2010 + Cor. :2011); Deutsche Fassung EN 61010-1:2010 |
[3] | DIN EN 61010-2-040; VDE 0411-2-040: 2012 Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte – Teil 2-040: Besondere Anforderungen an Sterilisatoren und Reinigungs-Desinfektionsgeräte für die Behandlung medizinischen Materials; (IEC 66/467/CD:2012) |
[4] | DIN 58948-17:2016-10 Sterilisation – Niedertemperatur-Sterilisation, Teil 17: Bauliche Anforderungen und Anforderungen an die Betriebsmittel sowie den Betrieb von Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-Sterilisatoren |
[5] | DIN EN ISO 25424:2011 „Sterilisation von Medizinprodukten – Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd – Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Routineüberwachung von Sterilisationsverfahren für Medizinprodukte“ (ISO 25424:2009, Deutsche Fassung EN ISO 25424; 2011) |
[6] | A.Kramer, F.A.Pitten, K.J.Freundt, R. Andermatten: „Risk-Benefit Evaluation of Formaldehyde as Disinfectant and Antiseptic“ (Risiko-Nutzen Bewertung von Formaldehyd als Desinfektionsmittel und Antiseptikum); Hyg.Med. 21,1996, 536–557 |
[7] | B. Peláez, I. Redondo, N. Kayali, M.C. Gaspar, L.M. Polo, J. Fereres: „Detection of Formaldehyde Residues in Plastic Material Sterilised in Low Temperature Steam and Formaldehyde“ (Nachweis von Formaldehydrückständen in Kunststoff nach Sterilisation mit Niedertemperaturdampf und Formaldehyd), Zentr Steril. 11 (6), 2003, 393-400 |
[8] | A.W. van Drongelen, A.C.P. de Bruijn, P.J.C.M.Janssen, T.J.H. Orzechowski, W.H. de Jong, R.E. Geertsma: „Aldehyde residues on endoscopes – practical values and allowable limits“ (Aldehydrückstände an Endoskopen – Ergebnisse aus der Praxis und erlaubte Grenzwerte), Hyg. Med. 31 (10), 2006, 449–457 |
[9] | B. Peláez, R. Andrade, L. Barreales, T. Bombol, R. Fernández, J. Fereres: „Study of Environmental Levels of Formaldehyde Emitted by a Low Temperature Steam and Formaldehyde (LTSF) Sterilizer in the Hospital Clínico San Carlos“ (Formaldehydkonzentrationen in der Umgebungsluft eines NTDF-Sterilisators, Studie am spanischen Hospital Clínico San Carlos), Zentr Steril. 15 (5), 2007, 329-340“, Zentr. Steril. 15 (5), 2007, 329–340 |