(1) Werden im Rahmen der Informationsermittlung mehrere Möglichkeiten einer Substitution ermittelt, sind Leitkriterien für die Vorauswahl aussichtsreicher Möglichkeiten einer Substitution sinnvoll, wenn nicht auf Musterlösungen nach Abschnitt 3 Absatz 2 Nummer 1 bis 2 zurückgegriffen werden kann. Eine Vorauswahl ist insbesondere hilfreich, wenn bei mehreren gefundenen Möglichkeiten nicht alle mit gleicher Priorität hinsichtlich der in Abschnitt 5.2 und 5.3 genannten Eignungskriterien geprüft werden können. Werden bei der Informationsermittlung nur wenige Substitutionsmöglichkeiten gefunden, kann die Vorauswahl auch übersprungen werden.
(2) Als Kriterien für eine Vorauswahl von Möglichkeiten einer Substitution sind sowohl die Gesundheitsgefahren als auch die physikalisch-chemischen Gefährdungen sowie auch das Freisetzungspotenzial auf Grundlage der physikalisch-chemischen Eigenschaften und der Verfahrens- und Verwendungsbedingungen zu berücksichtigen (Absätze 3 bis 7). Bei der Entscheidung, welche Möglichkeiten weiter untersucht werden sollen, sind alle Kriterien in ihrer Gesamtheit zu betrachten und auch Überlegungen zur Gefährdung der Haut (Absatz 7) einzubeziehen. Da die Kriterien der Vorauswahl für Fälle gedacht sind, in denen viele Möglichkeiten gesichtet werden müssen, sind die Kriterien nicht fein differenziert. Es ist durchaus denkbar, dass Möglichkeiten, die in der Vorauswahl zunächst nicht als aussichtsreich erschienen, im späteren Verlauf der Ersatzstoffprüfung wieder aufgegriffen werden.
(3) Die Gefährdung aufgrund von Gesundheitsgefahren eines Gefahrstoffes kann anhand des in Anhang 2 genauer beschriebenen Spaltenmodells bewertet werden. Dieses unterscheidet zwischen akuten Gesundheitsgefahren, die durch einmalige Einwirkung entstehen können, und chronischen Gesundheitsgefahren, die bei wiederholten Einwirkungen z. B. bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen entstehen können. Die Substitution erfolgt entlang der aufgeführten Reihenfolge innerhalb einer Spalte (Sehr hoch → Hoch → Mittel → Gering → Vernachlässigbar).
(4) Die Gefährdung aufgrund von physikalisch-chemischen Einwirkungen eines Gefahrstoffes kann ebenfalls anhand des in Anhang 2 beschriebenen Spaltenmodells bewertet werden.
(5) Das Freisetzungspotenzial eines Gefahrstoffs in die Luft am Arbeitsplatz kann im Allgemeinen durch Substitution entlang der aufgeführten Reihenfolge in der jeweiligen Zeile reduziert werden:
(6) Emissionsarme Verwendungsformen können bei der Bewertung eines Stoffes hinsichtlich des Freisetzungsverhaltens berücksichtigt werden. Auflösbare/Verlorene Verpackungen und anwendungssichere Geräte (z. B. Zwangsmischung in geschlossenen Gebinden) können bei der Bewertung der Verfahren relevant sein.
(7) Hinsichtlich der Hautbelastung können die Kriterien zur Vorauswahl von Stoffen, Gemischen, Erzeugnissen oder Arbeitsverfahren im Einzelfall von den vorher genannten Kriterien abweichen und müssen dementsprechend individuell überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dies betrifft insbesondere die Kriterien für das Freisetzungspotenzial. Hier können Eigenschaften, die zu einer erhöhten Freisetzung in die Luft führen, für die dermale Belastung durchaus den gegenteiligen Effekt haben. So verbleiben beispielsweise Pasten länger auf der Haut als Flüssigkeiten oder Gase, verringern aber die inhalative Exposition. Für einen Vergleich der Gefährdungen durch Hautkontakt ist die TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen" heranzuziehen.
(8) Bei der Gesamtbetrachtung im Rahmen der Vorauswahl hat der Arbeitgeber alle Leitkriterien gegeneinander abzuwägen, um zu erkennen, mit welchen Ersatzstoffen und unter welchen Verfahrens- bzw. Verwendungsbedingungen insgesamt eine Beseitigung oder Minimierung der Gefährdung zu erwarten ist. So kann es z. B. im Einzelfall zu einer insgesamt geringeren gesundheitlichen Gefährdung führen, einen Gefahrstoff mit gefährlicheren Eigenschaften einzusetzen, der in einer nicht staubenden Form erhältlich ist oder der einen sehr geringen Dampfdruck besitzt, als einen Gefahrstoff mit weniger gefährlichen Eigenschaften, der aber nur in staubender Form am Markt verfügbar ist oder der einen beträchtlich höheren Dampfdruck besitzt.