2. Gewalt- und Extremereignisse am Arbeitsplatz

Welche Gewalt- und Extremereignisse am Arbeitsplatz gibt es?

Mitarbeiter und Führungskräfte können

• Opfer körperlicher Gewalt,
• von Raubüberfällen am Arbeitsplatz,
• von Überfällen auf dem Arbeitsweg sowie
• Zeugen von Arbeitsunfällen,
• von körperlicher Gewalt oder
• Suizid werden.

2.1 Raubüberfälle im Betrieb

Versicherungsschutz und Leistungen der BGN umfassen auch die Heilbehandlung der Opfer von Raubüberfällen mit ausschließlich seelischer Verletzung. Je schneller ein Opfer betreut wird, desto besser lässt sich eine seelische Verletzung vorbeugen bzw. behandeln.

Plötzlich stand er mit gezogener Waffe vor mir

Gastwirt Michael M. wollte gerade die Tageseinnahmen zählen, als der vermummte Täter mit einer Waffe vor ihm stand und das Geld verlangte. Als er seiner Forderung nicht sofort nachkam, zog der Täter ihn auf den Boden und hielt ihm die Waffe an den Hals. Trotz geringer körperlicher Schäden litt er danach unter erheblichen Angstgefühlen und Schlafstörungen. Nach einer BGN-Beratung erfolgte eine Therapie mit einem Psychotherapeuten. Seitdem kann Michael M. wieder durchschlafen und angstfreier arbeiten.

Um Raubüberfälle zu vermeiden, können geeignete vorbeugende Maßnahmen getroffen werden.

Diese Maßnahmen ergeben sich aus der durch den Unternehmer zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung. Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung ist ein Maßnahmenplan mit den personellen Verantwortlichkeiten und der Festlegung zur zeitlichen Umsetzung. Die Maßnahmen sind an sich verändernde Situationen anzupassen. Daneben müssen den Beschäftigten sowohl die richtigen Verhaltensweisen während als auch nach einer Gewalttat vermittelt werden.

Wie Sie die Gefährdungsbeurteilung für Ihren Betrieb durchführen und dokumentieren können, entnehmen Sie beispielsweise unserer ASI 10.0 "Handlungsanleitung Betriebliche Gefährdungsbeurteilung", ASI 10.12  "Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe verbessern", ASI 10.2  "Arbeitsbedingungen im Backbetrieb verbessern" und anderen ASIs der 10-Reihe.

Die nachstehenden Hinweise geben eine Hilfestellung zur Auswahl geeigneter vorbeugender Maßnahmen. Hierzu können sowohl Ihre Sicherheitsfachkraft als auch Ihr Betriebsarzt unterstützen. Kleinstbetriebe mit bis zu 10 Beschäftigten, die sich für das Branchenmodell qualifiziert haben, können sich kostenfrei an das zuständige Kompetenzzentrum wenden (www.bgn.de unter Prävention > Arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung > Branchenmodell > Bedarfsberatung oder zentrale Servicenummer: 0621/4456-3650).

2.1.1 Technische und bauliche Maßnahmen

Technische und bauliche Maßnahmen haben in ihrer Wirksamkeit die größte Reichweite. Sie sind deshalb – neben den organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen – eine Grundvoraussetzung. So kann z. B. eine gut gesicherte Tür und eine gute Ausleuchtung das Überfallrisiko bereits deutlich senken.

2.1.1.1 Die Betriebsstätte

Das Risiko eines Überfalls kann durch eine geeignete Gestaltung des Außenbereiches stark minimiert werden. Hierbei geben die nachstehenden Aspekte hilfreiche Anhaltspunkte:

• Das Betriebsgelände einschließlich der Zufahrten sollte gegen unbefugten Zutritt gesichert werden, z. B. durch Zäune, Gitter und vom Fahrzeug aus mittels Fernbedienung bedienbarer Rolltore (Abb.: 1).
  
  
Abb. 1: Vom Fahrzeug aus mittels Fernbedienung bedienbares Rolltor


• Der Innen- und Außenbereich sowie das Umfeld des Betriebes, insbesondere der Ein- und Ausgangsbereich, sollten gut beleuchtet sein.
• Die Außenbeleuchtung sollte zum Schutz vor absichtlicher Zerstörung möglichst schwer zugänglich angebracht werden (Abb. 2). Sie ist idealerweise mit Helligkeitssensor und Bewegungsmelder auszustatten.
  
  
  Abb. 2: Schwer zugänglich angebrachte Außenbeleuchtung mit Helligkeitssensor und Bewegungsmelder
  
  
• Beseitigen Sie mögliche Verstecke für Täter wie z. B. große Büsche und Hecken etc. in Gebäudenähe.
• Eine gute Verkehrsanbindung, z. B. eine möglichst nahe liegende Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs minimiert das Risiko eines Überfalls auf dem Arbeitsweg.
• Schaffen Sie gute Beobachtungsmöglichkeiten für die Beschäftigten von innen nach außen und schlechte Einblickmöglichkeiten für die Täter von außen nach innen. Durchsichtige Gardinen oder schmale streifenförmige Ätzungen der Scheiben stehen nicht im Widerspruch zu dieser Forderung, da hierbei der Durchblick erhalten bleibt und ein unerwünschter Einblick von außen erschwert wird.
• Bereiche, in denen mit Geld umgegangen wird, z. B. im Kassen- und Tresorbereich, sollten vor Einblick gesichert werden (Abb. 3). Türen zu diesen Räumen sollten verriegelt gehalten werden. Technische Maßnahmen: selbstständig verriegelndes Profil-Zylinder-Schloss mit Türknauf am Außenbeschlag (Abb. 4).
• Ein leichter Eingriff in den Kassenbereich muss verhindert sein.
  
  
  Abb. 3: Negativbeispiel für fehlenden Einblickschutz, Quelle BGHW Bonn, Brunk

2.1.1.2 Türen und Fenster

Anforderungen an Türen

• Ausreichend widerstandsfähige Beschaffenheit von Türblatt (z. B. 40 mm stark in Vollholzausführung Abb. 4) und der Türzarge,
  
  
  Abb. 4: Widerstandsfähiges Türblatt und Türzarge, Quelle www.polizei-beratung.de
  
  
• einbruchhemmende Schließzylinder, Schutzbeschläge, Schlösser und Schließbleche,
• Zusatzsicherungen, wie z. B. Zusatzschloss mit Türspaltsperre (Abb. 5) oder Querriegelschloss (Abb. 6),
  
  
  Abb. 5: Zusatzschloss mit Türspaltsperre
  
  
  Abb. 6: Querriegelschloss
  
  
• Türblätter mit Verbundsicherheitsverglasung oder Weitwinkel-Türspion,
• Sicherung von Türen durch Verstärkung oder vorgesetzte Gitter. Bei einer Notausgangstür darf die Fluchtfunktion nicht eingeschränkt werden. Hier könnten z. B. sogenannte "Panikschlösser" eingesetzt werden,
• Anbringung von Türrahmenmarkierungen in unterschiedlichen Höhen zum schnellen Erkennen der Körpergröße zur Täterbeschreibung,
• Türen von Personaleingängen sollten z. B. mit automatischen Türschließern und selbstverriegelnden Einsteckschlössern mit Panikfunktion versehen sein. Eine weitere Möglichkeit ist, Türen so zu gestalten, dass man sie von außen nur mit dem passenden Schlüssel oder Schlüsselcode öffnen kann. Der Außenbereich sollte – bevor man die Tür öffnet – z. B. über einen Weitwinkelspion oder eine Kamera einsehbar sein.
• Die Türaußenbereiche von Eingängen ohne Publikumsverkehr müssen allgemein einsehbar und mit einer guten Außenbeleuchtung (mind. 20 Lux) versehen sein. Die Beleuchtung muss ausreichend lange vor und nach der Arbeitszeit in Betrieb bleiben.
• Türen sollten immer in Fluchtrichtung öffnen.
• Installation von Videoanlage zur optischen Überwachung mit entsprechendem Hinweis (Abb. 8). Eine Beratung zur Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte erhalten Sie z. B. bei den Datenschutzbeauftragten der Länder (www.bfdi.bund.de). Installationshinweise für optische Raumüberwachungsanlagen gibt die DGUV-Information 215-612 "Kredit- und Finanzdienstleitungsinstitute – Anforderungen an die sicherheitstechnische Ausrüstung der Geschäftsstellen".

Anforderungen an Fenster

• Einbruchhemmende Beschläge oder Zusatzsicherungen,
• Scheiben aus Verbundsicherheitsglas und/oder Sicherheitsfolie beklebt,
• abschließbare Fenstergriffe,
• stabile Gitter mit massiven Befestigungen bieten guten Schutz gegen Einbruch (Abb. 7); Achtung: nicht bei Fluchtwegen möglich.
  
  
  Abb. 7: Durch Gitter geschütztes Fenster

2.1.1.3 Technische Einrichtungen

• Überfall- und Einbruchmeldeanlagen nach DIN VDE 0833-1:
  Die Alarmauslösung darf vom Kundenbereich und angrenzenden Bereichen durch Dritte nicht erkannt werden. Die Installation von mindestens einem zusätzlichen Überfallmelder in geeigneten Nebenräumen ist anzustreben. Achtung: Den Alarm erst auslösen, wenn der Täter den Tatort verlassen hat. Es besteht sonst die Gefahr einer Geiselnahme!
• Videoanlage zur optischen Überwachung mit entsprechendem Hinweis (Abb. 8): Eine Beratung zur Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte erhalten Sie z. B. bei den Datenschutzbeauftragten der Länder (www.bfdi.bund.de). Installationshinweise für optische Raumüberwachungsanlagen finden Sie in der berufsgenossenschaftlichen Information DGUV-Information 215-612.
  
  
  Abb. 8: Hinweis auf Videoüberwachung
  
  
• Telefon mit Amtsanschluss: Dies kann mit Servicerufsystemen (bekannt als Hausnotruf) ergänzt werden, z. B. mit einem Alarmierungsknopf.
• Tresore:
  Zur Geldaufbewahrung werden Wertbehältnisse nach DIN EN 1143-1 empfohlen. Gut geeignet sind beispielsweise "Tresor in Tresor"-Systeme, fest montierte gesicherte und abschließbare Wechselkassen mit Sicherheitsschlüsseln und ggf. Codesysteme oder Geldschränke mit Zeitverschluss.
• Auffällige Hinweise anbringen, falls ihr Tresor zeitschlossgesichert ist, und nicht durch das Personal geöffnet werden kann (Abb. 9).
  
  
  Abb. 9: Hinweis auf zeitschlossgesicherten Tresor
  
  
• Für geeignete Meldemöglichkeiten sorgen, z. B. Schnurlostelefone, Mobiltelefone oder Personennotsignalanlagen (PNA) entsprechend der Gefährdungsbeurteilung.

2.1.2 Organisatorische Maßnahmen

Sind die baulichen und technischen Maßnahmen umgesetzt, wendet man sich den organisatorischen Maßnahmen zu.

• Wie wird im Betrieb mit Geld umgegangen?
• Wo wird das Geld aufbewahrt?
• Sind die Nachbarn bekannt, die im Notfall helfen könnten?
• Wie kann schnellstmöglich Hilfe geholt werden?

Betriebsanweisung und Unterweisung

Zur effektiven Durchführung von Unterweisungen empfiehlt sich die Erstellung einer Betriebsanweisung (Anhang 1), in der die organisatorischen und verhaltensbezogenen Maßnahmen beschrieben werden. Die Beschäftigten sollten dazu ermutigt werden, gefährliche bzw. unfallträchtige Situationen der vorgesetzten Person zu melden, damit hieraus Schlüsse zur Verbesserung gezogen werden können. Diese sollten dann in die Betriebsanweisung mit aufgenommen werden. Anhand dieser Betriebsanweisung sind die Versicherten durch den Unternehmer in verständlicher Art und Weise vor der Arbeitsaufnahme und danach mindestens einmal jährlich zu unterweisen. Die Teilnahme an der Unterweisung ist durch die Unterschrift der Beschäftigten zu dokumentieren.

Aufgabe des Unternehmers ist es, darauf zu achten, dass die Festlegungen aus der Betriebsanweisung eingehalten werden.

Im Folgenden wird eine Auswahl organisatorischer Maßnahmen dargestellt, die je nach betrieblichen Verhältnissen ausgewählt und angepasst werden können.

2.1.2.1 Ansprechpartner für den Notfall

Warten Sie nicht bis der Notfall eintritt. Informieren Sie sich zuvor, mit wem Sie im Notfall Kontakt aufnehmen können.

• Absprachen zwecks gegenseitiger Hilfestellung mit benachbarten Betrieben und Anwohnern möglichst frühzeitig treffen, z. B. direkt nach der Betriebseröffnung.
• Erstbetreuung von Opfern durch geeignete Personen unmittelbar nach einem Ereignis im Betrieb organisieren, z. B. Seelsorger des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Malteser Hilfsdienste.
• Persönlich Kontakt mit der zuständigen Polizeidienststelle aufnehmen und um ein Beratungsgespräch "vor Ort" bitten.
• Alarmplan mit Ansprechpartnern und Telefonnummern für die innerbetriebliche und außerbetriebliche Meldung erstellen. Alarmplan allen Mitarbeitern bekannt machen und an geeigneten Stellen aushängen.

2.1.2.2 Der richtige Umgang mit Zahlungsmitteln

Umgang mit Zahlungsmitteln im Betrieb

• Für Schutz gegen Einblicke für die Bereiche, in denen mit Geld umgegangen wird, sorgen, z. B. im Kassen- und Tresorbereich. Türen zu diesen Räumen geschlossen halten.
• Eingriffsmöglichkeiten in den Kassenbereich verhindern.
• Sicherstellen, dass unberechtigte Personen Personal- und Lagerräume nicht unbemerkt betreten können, z. B. durch ein akustisches Öffnungssignal.
• Türen konsequent verschlossen halten und überprüfen, z. B. nach Warenlieferungen.
• Angenommene Zahlungsmittel unverzüglich vor dem Zugriff Unbefugter, z. B. durch Schließen der Kassenschublade, sichern.
• Höchstbetrag für den Kasseninhalt festlegen, z. B. 500 Euro und davon max. 300 Euro in Banknoten. Überzählige Beträge unauffällig an den hierfür bestimmten sicheren Aufbewahrungsort bringen.
• Geldeinnahmen niemals mit nach Hause nehmen.
• Position des Alarmknopfes einprägen. Er muss jederzeit gut zugänglich sein.
• Kassenabrechnungen sollten erst vorgenommen werden, wenn alle Kunden das Geschäft verlassen haben, der Betrieb abgeschlossen ist und keine Einsicht möglich ist.

Geldtransport

• Der Geldtransport, insbesondere bei hohen Beträgen, sollte von Geld- und Werttransportunternehmen durchgeführt werden.
• Die vom Geld- und Werttransportunternehmen hierfür beauftragten Personen sollten mit Lichtbild und aktuellem Ausweis (Kopie) im Betrieb bekannt sein und sich vor jeder Entgegennahme des Geldes ausweisen.

2.1.3 Personenbezogene Maßnahmen

2.1.3.1 Richtiges Verhalten während eines Überfalls

Erkennt der Täter das Auslösen der Überfallmeldeanlage, könnte seine Gewaltbereitschaft steigen. Daher ist die Überfallmeldeanlage erst auszulösen, wenn der Täter den Betrieb verlassen hat und die Türen abgeschlossen sind. Damit verhindern Sie die Gefahr einer Geiselnahme und ein erneutes Eindringen des Täters in den Betrieb.

Der Überfall stellt sowohl für das Opfer als auch für den Täter eine extreme Stresssituation dar. Diese Situation kann eskalieren, wenn der Täter mit dem Fehlverhalten des Opfers zusätzlich konfrontiert wird oder ihm die Fluchtmöglichkeit genommen wird. Deshalb ist es besonders wichtig, sich während des Überfalls richtig zu verhalten.

Hierzu dienen die nachstehenden Verhaltensregeln:

• Ruhe bewahren und keine "Heldentaten" vollbringen.
• Person nicht anfassen.
• Täter höflich behandeln.
• Aufmerksam zuhören.
• Anweisungen des Täters befolgen.
• Keinen Widerstand leisten, nicht widersprechen und den Täter nicht provozieren.
• Keine Waffen oder Ähnliches benutzen.
• Hände immer so halten, dass der Täter sie sehen kann.
• Keine unangekündigten und hastigen Bewegungen machen.
• Täter auf unerwartete Ereignisse hinweisen (z. B. Kollegen im Nebenraum).
• Wenn kein Geld mehr in der Kasse ist, Ersatzware anbieten.
• Dem Täter nie den Fluchtweg versperren. Grund: Der Täter hat nur die Wahl zwischen Flucht oder Angriff.
• Besondere Merkmale des Täters und seine Erscheinung einprägen.
• Farbe, Typ und besondere Kennzeichen seines eventuellen Fluchtfahrzeuges merken.
• Fluchtrichtung und eventuelle Mittäter versuchen zu erkennen.

2.1.3.2 Richtiges Verhalten nach einem Überfall

Helfen Sie zuerst Verletzten oder Gefesselten. Rufen Sie erforderlichenfalls einen Arzt oder Krankenwagen.

Melden Sie das Ereignis der Polizei oder beauftragen Sie jemanden mit der Meldung!

Wie kann man dem Opfer helfen?

Möglichst schnell ein Gespräch mit den Betroffenen unter Berücksichtigung folgender Aspekte führen:

• Zeit für Ihre Kollegen nehmen. Um sie kümmern und ihnen zuhören.
• Weg vom "Tatort" zu einem ruhigen Platz führen. Es soll dort ein vertrauensvolles Gespräch möglich sein.
• Betroffenen Sicherheit geben: Zeigen, dass die schlimme Situation vorüber ist.
• Ein unterstützendes Gespräch anbieten, um von Angst und Schuldvorwürfen zu entlasten. Dabei jedoch nicht drängen.
• Ggf. Kontakt zu einem Gesprächspartner – zu dem der Betroffene Vertrauen hat – vermitteln.
• Angehörige verständigen.
• Ggf. über Vorgesetzten eine Ablösung für die Betroffenen organisieren.
• Für eine Begleitung zum Durchgangsarzt/Betriebsarzt/Heimweg/Zeugenvernehmung sorgen.
• Auch in den darauffolgenden Tagen Kontakt zum Betroffenen halten.
• Unverzüglich jedes Extremereignis an die Berufsgenossenschaft melden. Hierfür den Meldebogen Unfall/Überfall (Anhang 5) benutzen. Das gilt auch für "nur" mittelbar Betroffene wie bspw. Arbeitskollegen.
• Bereit und offen sein, möglicherweise selbst Hilfe anzunehmen.

Auf was muss noch geachtet werden:

• Fahndungsblatt (Anhang 2) ausfüllen.
• Keine Spuren verwischen! Nichts berühren und dafür sorgen, dass alle Anwesenden den Tatort verlassen.
• Zeugen veranlassen, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Deren Namen und Anschrift anhand eines Ausweises sowie deren Telefonnummer notieren.
• Gedächtnisprotokoll der Ereignisse anfertigen. Damit wird nichts vergessen oder verwechselt.
• Der Presse keine Auskünfte oder Fotoerlaubnis geben. Vorschnell gegebene Informationen erhöhen das Sicherheitsrisiko der Beteiligten und erschweren die Fahndung der Polizei.
• Vorgesetzten informieren.

2.2 Gewalt am Arbeitsplatz durch Übergriffe von Kunden

Unter Gewalt versteht man "Vorkommnisse, bei denen Beschäftigte ... beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen werden, so dass ... ihre Gesundheit, ihre Sicherheit oder ihr Wohlbefinden gefährdet wird" (nach ILO 2003).

Erleidet ein Beschäftigter körperliche Gewalt am Arbeitsplatz durch Kollegen oder Kunden, kann dies ein Arbeitsunfall sein. Versicherungsschutz und Leistungen der BGN umfassen neben der Behandlung körperlicher Schäden auch die Heilbehandlung seelischer Verletzungen. Je schneller ein Opfer betreut wird, desto besser lässt sich eine seelische Verletzung durch die Gewalteinwirkung vermeiden bzw. behandeln.

Plötzlich schlug der Gast zu
Rolf E. wollte dem stark angetrunkenen Gast Werner K. keinen Alkohol mehr ausschenken, da eskalierte die Situation.
Rolf E. meinte es nur gut mit Werner K. und wies ihn darauf hin, dass er sich in diesem Zustand nicht mehr hinters Steuer setzen dürfe. Was Rolf E. nicht wusste: Werner K. war extrem frustriert. Er hatte an diesem Tag schon eine Auseinandersetzung mit seinem Chef und zusätzlich Streit mit der Partnerin gehabt. Werner K. platzte der Kragen und wollte sich keine weiteren Bevormundungen anhören. Nach einem kurzen Wortgefecht schlug Werner K. zu.

2.2.1 Wie entsteht Gewalt?

Gewalt kann verschiedene Ursachen haben: Diskutiert werden Erziehungs- und Sozialisationsdefizite ebenso wie gesellschaftliche, insbesondere wirtschaftliche und soziale Veränderungen. Eindeutige Ursachen lassen sich im Allgemeinen nicht ausmachen. Meistens müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit ein Mensch gewaltbereit wird.

Nachstehende Tabelle zeigt mögliche Risikofaktoren für die Entstehung von Gewalt auf.

Je stärker die Mitarbeiter durch ihre Tätigkeit belastet sind, z. B. durch hohen Arbeitsdruck, desto leichter können Konflikte entstehen. Eine gute Arbeitsorganisation, z. B. eine vorausschauende Personal- und Zeitplanung, schafft Abhilfe.

2.2.2 Was kann der Unternehmer tun?

Der Unternehmer sollte die für ihn relevanten Risikofaktoren aus obiger Tabelle auswählen und geeignete Maßnahmen ableiten. Eine regelmäßige Information der Beschäftigten über die abgeleiteten Maßnahmen trägt dazu bei, besser auf Konfliktsituationen vorbereitet zu sein und reagieren zu können. Hierzu gehört auch eine Regelung zur Anwendung des Hausrechts.

Organisieren und kommunizieren Sie, wie bei Grenzüberschreitungen von Gästen zu verfahren ist.

2.3 Überfälle auf dem Arbeitsweg

Ein Überfall auf dem Arbeitsweg kann ein Arbeitsunfall sein. Versicherungsschutz und Leistungen der BGN umfassen auch die Heilbehandlung von Überfallopfern mit ausschließlich seelischer Verletzung. Je schneller ein Überfallopfer betreut wird, desto besser lässt sich eine seelische Verletzung vermeiden bzw. behandeln.

2.4 Zeugen von Unfällen und Extremereignissen

Versicherungsschutz und Leistungen der BGN umfassen auch die Heilbehandlung der Zeugen oder Verursacher von Unfällen und Zeugen von Extremereignissen mit ausschließlich seelischer Verletzung.

Jeden Morgen kam die Angst zurück
Bäckereiverkäuferin Simone K. war frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit überfallen und ausgeraubt worden. Verletzt wurde sie dabei nicht. Aber jeden Morgen, wenn sie das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, kam die Angst zurück. Mit professioneller Hilfe konnte Simone K. diese Angstattacken schließlich überwinden. In die Wege geleitet hatte das die BGN.	Quelle: www.polizei-beratung.de

Das Bild des Unfalls ständig vor Augen

Stefan R. hatte mit dem Gabelstapler beim Zurücksetzen einen Kollegen angefahren, der dabei schwer verletzt wurde. Danach konnte Stefan R. kaum noch arbeiten. Er hatte Schlafstörungen und fühlte sich nur noch deprimiert. Immer wieder tauchte in seinem Kopf das Bild des schrecklichen Unfalls auf. Dann sah er seinen Kollegen, wie er regungslos am Boden lag. Es war alles seine Schuld. Dieser Gedanke verfolgte ihn Tag und Nacht. Die BGN hat Stefan R. eine psychotherapeutische Betreuung besorgt, mit deren Hilfe er seine psychischen Probleme überwinden konnte.

Je schneller ein Unfallopfer betreut wird, desto besser lässt sich eine mögliche seelische Verletzung vermeiden bzw. behandeln.