5. Schutzmaßnahmen
5.1 Allgemeine Grundsätze
(1) Der Arbeitgeber legt in der Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen fest. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen für die Tätigkeiten an den unterschiedlichen Arbeitsplätzen umfassen auch die regelmäßige mündliche Unterweisung der Mitarbeiter bezüglich der vorhandenen Gefährdungen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren.
Im Arbeitsschutz gilt grundsätzlich folgende Rangfolge der Schutzmaßnahmen:
- bauliche Maßnahmen und technische Maßnahmen,
- organisatorische Maßnahmen,
- hygienische Maßnahmen,
- personenbezogene Maßnahmen.
(2) Grundsätzlich sind bauliche und technische Maßnahmen effektive Instrumente zur Minimierung biologischer Arbeitsstoffe am Arbeitsplatz. Sie sind primär durchzuführen. Allgemein kann auch durch hygienische und organisatorische Maßnahmen eine wirksame Verbesserung der Arbeitsplatzsituation erreicht werden.
(3) Auch die Sauberkeit am Arbeitsplatz hat einen Einfluss auf die Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe. Daher ist die Aufstellung eines Reinigungs- und Hygieneplans mit festgelegten Reinigungsintervallen erforderlich. Im Rahmen der Unterweisung sind die Beschäftigten über den Reinigungs- und Hygieneplan zu informieren. Seine konsequente Einhaltung ist fortlaufend schriftlich zu dokumentieren.
(4) Die allgemeinen Grundsätze zur Hygiene bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der TRBA 500 "Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen" sind zu beachten.
(5) Bei der Anwendung der im Folgenden aufgeführten Schutzmaßnahmen ist der Stand der Technik zu berücksichtigen.
5.2 Bauliche und technische Maßnahmen
Zu den baulichen und technischen Maßnahmen zählen z. B.:
- Vermeidung von Aerosolbildung beim Abwassertransport durch hydraulisch günstige Gestaltung von Absturzbauwerken
- Verringerung der Fallhöhe bei stürzenden Wassermassen
- Minimierung der Aerosolbildung bei Oberflächenbelüftern durch Einhausung, Abdeckung oder Spritzschutzeinrichtungen
- Abdeckung des Rechengerinnes
- Automatisierung von Arbeiten z. B. durch den Einbau von technischen Einrichtungen wie Spülkippen sowie Wirbeljets in Regenbecken, Reinigungsanlagen für Tücher der Kammerfilterpressen oder Reinigungsgeräten für Ablaufrinnen an Klärbecken.
- Errichtung von Windabweisern und Schutzwänden z. B. dichte Bepflanzung
- Steuerung der Hochdruckkanalspülung mit Fernbedienung
- Reduzierung der Aerosolfreisetzung bei Kanal- und Bauwerksreinigung durch Erfassungseinrichtungen oder Luftschleierabsperrung (s. Abbildung)
- Maschinelle Reinigungsverfahren bei großen Kanalquerschnitten, die manuelle Reinigungsverfahren entbehrlich machen
Abbildung: Funktionsweise der Luftschleierabsperrung
Zu den baulichen und technischen Maßnahmen zählen auch Waschgelegenheiten, die es jedem Beschäftigten ermöglichen, sich den hygienischen Erfordernissen entsprechend zu reinigen (s. auch 5.4.1).
5.3 Organisatorische Maßnahmen
Lassen sich Gesundheitsgefährdungen aufgrund von biologischen Arbeitsstoffen durch bauliche oder technische Maßnahmen nicht völlig abwehren, ist der Einfluss der Wirkungsquellen auf den Beschäftigten zusätzlich durch organisatorische Maßnahmen weitestgehend auszuschalten.
Von der Kennzeichnung des Arbeitsbereiches mit dem Symbol für Biogefährdung kann abgesehen werden.
- Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beschäftigten anhand von Betriebsanweisungen zu unterweisen.
- Reinigungsarbeiten sind nur von gesicherten Standplätzen auszuführen.
- Ist die Aerosolreduzierung durch technische Maßnahmen nicht möglich, darf die Steuerung des Kanalspülvorgangs nicht unmittelbar am Schacht erfolgen. Als geeignet hat sich ein Abstand von ca. 4 m Entfernung unter Beachtung der Windrichtung erwiesen.
- Verschmutzte Arbeitsgeräte und Ausrüstungsgegenstände müssen unmittelbar nach der Tätigkeit gereinigt werden.
- Werden Arbeitsgeräte und Ausrüstungsgegenstände auch in anderen Arbeitsbereichen eingesetzt, sind diese erforderlichenfalls zusätzlich zu desinfizieren.
- Fahrzeugkabinen müssen arbeitstäglich gereinigt werden (z. B. feucht wischen).
- Wassertanks auf Fahrzeugen zur hygienischen Händereinigung sind arbeitstäglich zu entleeren und mit Frischwasser aufzufüllen.
- Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass den Beschäftigten ausreichend Zeit und Möglichkeiten für die Erfüllung der arbeitshygienischen Pflichten (z. B. Reinhaltung des Arbeitsplatzes, Hautschutz-, -pflege- und -reinigungsmaßnahmen) zur Verfügung gestellt werden.
- Für eine fachkundige Bekämpfung und Beseitigung von Ratten und Mäusen ist zu sorgen (siehe auch TRGS 523 "Schädlingsbekämpfungsmittel mit sehr giftigen, giftigen und gesundheitsschädlichen Stoffen oder Zubereitungen").
5.4 Hygienische Maßnahmen
5.4.1 Bauliche hygienische Maßnahmen
Folgende bauliche Maßnahmen sind im Sinne hygienischer Mindestanforderung erforderlich:
- räumliche Trennung von Pausen-, Umkleide- und Waschbereichen
- Möglichkeiten zur getrennten Aufbewahrung von Arbeits- und Privatkleidung, in denen verschmutzte Schutz- und Arbeitskleidung getrennt von der Straßenkleidung aufbewahrt werden kann. Vorzugsweise sollte die Aufbewahrung in 2 Räumen erfolgen, die durch einen Waschraum verbunden sind.
- Einrichtungen zum Trocknen durchnässter Schutz- und Arbeitskleidung bis zur Wiederbenutzung.
- Einrichtungen zum Reinigen von verschmutztem Schuhwerk (z. B. Fußmatten, Rost) und abwaschbarer Schutzkleidung (z. B. Waschanlagen für Stiefel und Schutzkleidung)
- Waschgelegenheiten, die es jedem Beschäftigten ermöglichen, sich den hygienischen Erfordernissen entsprechend zu reinigen. Dies ist z. B. erfüllt, wenn
- an Handwaschbecken Armaturen vorrangig ohne Handberührung bedienbar sind,
- auf Stützpunkten (z. B. Abwasserbehandlungsanlagen, Bauhöfen) Waschräume mit Duschen eingerichtet sind,
- auf zeitweise besetzten Betriebsstätten Waschgelegenheiten mit fließendem Kalt- und Warmwasser sowie Spendern für Reinigungsmittel und Einmalhandtücher vorhanden sind.
Sind diese Waschgelegenheiten aus baulichen Gründen nicht möglich (z. B. an Fahrzeugen), müssen andere geeignete Waschgelegenheiten vorhanden sein. In solchen Fällen sind Waschgelegenheiten mit fließendem Warmwasser sowie Spender für Reinigungsmittel und Einmalhandtücher mitzuführen und zu benutzten.
5.4.2 Persönliche hygienische Maßnahmen
Folgende grundsätzliche Forderungen (siehe auch TRBA 500 "Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen") sind in abwassertechnischen Anlagen einzuhalten:
- Nach Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, vor dem Essen, Trinken und Rauchen sowie vor der Nutzung der Toilette müssen die Hände gewaschen werden.
- Einmalhandtücher, Hautreinigungs-, Hautschutz- und Hautpflegemittel sowie Desinfektionsmittel sind entsprechend dem Hautschutzplan, der vom Arbeitgeber ggf. nach Beratung durch den Betriebsarzt zu erstellen ist, zur Verfügung zu stellen und anzuwenden.
- An Arbeitsplätzen darf nicht gegessen, getrunken und geraucht werden.
- Lebensmittel dürfen nur in ausschließlich für diesen Zweck vorgesehenen Schränken oder Kühlschränken aufbewahrt werden. Diese Schränke sind regelmäßig zu reinigen.
- Pausen- und Bereitschaftsräume dürfen nicht mit verschmutzter Arbeitskleidung betreten werden.
- Zur Körperreinigung zum Arbeitsende sollen Duschen benutzt werden.
- Schutzkleidung, die der Arbeitskleidung in diesem Bereich entspricht, und persönliche Schutzausrüstungen sind nach Bedarf zu wechseln und durch den Arbeitgeber zu reinigen. Ein wöchentlicher Wechsel der Arbeitskleidung muss aber mindestens eingehalten werden. Es müssen mindestens 3 Sätze von Arbeitskleidung zur Verfügung stehen, so dass ein weiterer Kleidungswechsel im Laufe der Woche möglich ist.
- Die Reinigung der Wäsche ist sowohl durch den Arbeitgeber im Betrieb als auch durch beauftragte Fachfirmen möglich. In beiden Fällen muss das Reinigungspersonal auf die Infektionsgefahr hingewiesen werden. Die betriebseigene Waschmaschine darf nur für diesen Zweck benutzt werden. Die zu reinigende Kleidung ist wie infektionsverdächtige Wäsche zu behandeln. Sie darf nur in ausreichend widerstandsfähigen, dichten und verschlossenen Behältnissen, wie z. B. in für diesen Zweck bestimmten Textil- oder Polyethylensäcken, gekennzeichnet in die Wäscherei gegeben werden. Sie darf nicht mit in den Privatbereich genommen werden.
- Straßenkleidung ist getrennt von Arbeitskleidung und persönlichen Schutzausrüstungen aufzubewahren.
5.5 Persönliche Schutzausrüstungen
Gefährdungen müssen vorrangig durch bauliche, organisatorische und hygienische Maßnahmen beseitigt werden. Wo dies nicht möglich ist, müssen Beschäftigte zusätzlich durch persönliche Schutzausrüstungen geschützt werden.
Nach den Bestimmungen des § 11 der BioStoffV ist der Arbeitgeber verpflichtet, geeignete persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen sowie für deren Instandhaltung und Reinigung zu sorgen. Die bereitgestellte persönliche Schutzausrüstung ist zu benutzen. In Abhängigkeit von der Tätigkeit und der Gefährdungsbeurteilung ist eine geeignete Schutzausrüstung auszuwählen.
5.5.1 Schutzkleidung
Die Schutzkleidung soll insbesondere bewirken,
- dass ein unmittelbarer Hautkontakt mit Abwasser vermieden wird, keine biologischen Arbeitsstoffe auf Beschäftigte einwirken oder unkontrolliert verschleppt werden,
- dass Beschäftigte vor Nässe geschützt werden.
Geeignet ist eine Kombination (Overall), Bundjacke und Latzhose (siehe auch DIN EN 510 "Festlegungen für Schutzkleidung für Bereiche, in denen ein Risiko des Verfangens in beweglichen Teilen besteht"). Oftmals ist der Gebrauch einer Gummischürze sinnvoll (z. B. bei Abspritzarbeiten).
Bei Arbeiten mit Aerosolbildung wie z. B. bei manuellen Hochdruckreinigungsarbeiten in Kanalbauwerken ist eine flüssigkeitsdichte Schutzkleidung (mindestens Schutzanzug Typ 4 nach DIN EN 14605) zu tragen.
Hinsichtlich der Reinigung siehe Abschnitt 5.3 und 5.4.2.
5.5.2 Handschutz
Je nach Tätigkeit und Gefährdung müssen abgestimmt auf die mechanische, chemische und biologische Belastung Schutzhandschuhe ausgewählt und getragen werden:
- Schutzhandschuhe gegen mechanische Gefährdungen (DIN EN 388 "Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken"),
- flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe bei Arbeiten mit unmittelbarem Abwasser- und Schlammkontakt (vgl. DIN EN 374 Teil 1-5 "Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen").
- Bei Feuchtarbeiten sind flüssigkeitsdichte Handschuhe einzusetzen. Handschuhe aus Leder/Textil-Kombinationen sowie medizinische Einmalhandschuhe sind ungeeignet. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, Handschuhe aus Nitril- bzw. Butylkautschuk zu verwenden. Die Beschäftigten sollen individuell jeweils mehrere Paare geeignete Handschuhe zur Verfügung haben, damit verschmutzte oder feuchte Handschuhe nach Reinigung und Trocknung im Wechsel verwendet werden können. Es können auch Unterziehhandschuhe verwendet werden. Es empfiehlt sich, die Schutzhandschuhe arbeitstäglich zu wechseln.
- Es ist zu verhindern, dass Flüssigkeit in die Schutzhandschuhe eindringen kann. Dieses lässt sich z. B. dadurch erreichen, dass man den Schaft des Schutzhandschuhes unter das Bündchen des Schutzanzuges zieht und dieses dicht abschließt oder indem man bei entsprechenden Tätigkeiten Schutzhandschuhe mit verlängertem Schaft zum Stulpen verwendet.
5.5.3 Fußschutz
Bei Reinigungs-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten z. B. in Gruben, Schächten, Pumpensümpfen und Rechenhäusern besteht die Möglichkeit eines Kontaktes mit biologischen Arbeitsstoffen im Fußbereich durch Wasserkontakt. In solchen Fällen müssen Sicherheitsschuhe getragen werden, die der Zusatzanforderung bezüglich des Wasserdurchtrittes und der Wasseraufnahme der DIN EN 344 "Anforderungen und Prüfverfahren für Sicherheits-, Schutz- und Berufsschuhe für den gewerblichen Bereich" entsprechen. Bei zahlreichen Tätigkeiten können Stiefel erforderlich sein.
5.5.4 Augenschutz
Die Augen sind gegen Spritzer und Aerosole durch geeignete Schutzbrillen bzw. Gesichtsschutzschirme wirksam zu schützen. Geschlossene Schutzbrillen (Korbbrillen) sind zu tragen, wenn mit Spritzern von allen Seiten zu rechnen ist. Bestimmte Korbbrillen eignen sich auch als Überbrillen bei Personen, die Brillenträger sind. Schutzbrillen müssen der DIN EN 166 "Persönlicher Augenschutz; Anforderungen" entsprechen.
5.5.5 Atemschutz
Atemschutz ist zu tragen, wenn die inhalative Aufnahme biologischer Arbeitsstoffe in Form von Spritzern und Aerosolen durch technische und organisatorische Maßnahmen nicht verhindert werden kann. Dieses gilt insbesondere bei Reinigungsarbeiten mit Flüssigkeitsstrahlern. Geeignet sind z. B. partikelfiltrierende Halbmasken (FFP3) mit Ausatemventil als Mindestanforderung (vgl. DIN EN 149). Bei Benutzung der Masken ist darauf zu achten, dass diese dicht abschließen. Partikelfiltrierende Halbmasken FFP3 sind nach der Benutzung zu verwerfen.
Nicht geeignet sind Atemschutzmasken zur Mehrfachverwendung wegen der Gefahr der Schmierinfektion bei Handhabung der Maske oder durch Kontamination des Filters. Bei der Auswahl des Atemschutzes gegenüber biologischen Arbeitsstoffen ist ferner darauf zu achten, dass die Nutzung des Selbstretters im Falle der Gefahr nicht behindert wird.