5. Schutzmaßnahmen

5.1 Allgemeines

(1) Die Anwendung technischer Schutzmaßnahmen hat grundsätzlich Vorrang vor dem Einsatz organisatorischer Maßnahmen. Persönliche Schutzausrüstung, wie z. B. Atemschutz, ist nur dann zu tragen, wenn technische und organisatorische Schutzmaßnahmen die Erreichung des Schutzzieles nicht sicherstellen können.

(2) Die Schutzmaßnahmen sind an den Stand der Technik innerhalb einer angemessenen Frist anzupassen.

(3) Die Zahl der Beschäftigten, die gefährdende nicht gezielte Tätigkeiten mit Biostoffen ausüben, ist auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die Dauer dieser Tätigkeiten ist auf ein zeitliches Mindestmaß zu reduzieren.

(4) Gemäß § 14 Biostoffverordnung ist eine Betriebsanweisung zu erstellen, und die Beschäftigten sind zu unterweisen. Die Betriebsanweisung hat insbesondere Regelungen zu folgenden Punkten zu enthalten:

Im Bedarfsfall ist ein Hygieneplan zu erstellen.

(5) Werden Beschäftigte anderer Arbeitgeber im Archiv tätig (z. B. Reinigungs- oder Entsorgungsfirmen, Firmen zur baulichen Sanierung), sind die Arbeitgeber verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten (§ 8 Arbeitsschutzgesetz). Soweit dies für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit erforderlich ist, haben die Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeiten insbesondere sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen.

(6) Alle Beschäftigten, einschließlich der Beschäftigten von Fremdfirmen und zeitweilig im Archiv Beschäftigten (z. B. Praktikanten, Handwerker und Reinigungspersonal), die Tätigkeiten in Bereichen mit kontaminiertem Archivgut ausüben, sind vor Beginn und danach jährlich über die bei ihren Tätigkeiten mit Biostoffe auftretenden Gefahren und die erforderlichen Schutzmaßnahmen mündlich und arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Die Unterweisung ist auf der Grundlage der Betriebsanweisung vorzunehmen. Jede Änderung bei den Tätigkeiten ist hierbei zu berücksichtigen. Inhalt und Zeitpunkt aller Unterweisungen sind schriftlich festzuhalten und von den Unterwiesenen durch Unterschrift zu bestätigen. Für alle Beschäftigten, die Tätigkeiten mit mikrobiell kontaminiertem Archivgut ausführen, ist eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung (siehe Nr. 7.2) im Rahmen der Unterweisung durchzuführen.

(7) Von den Regelungen dieser TRBA kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung dies zulässt. Dies kann der Fall sein, wenn gleichwertige Schutzmaßnahmen getroffen werden. Die Gleichwertigkeit des Schutzniveaus ist auf Verlangen der zuständigen Behörde im Einzelfall nachzuweisen.

5.2 Bauliche und technische Schutzmaßnahmen

Raumklimatische Verhältnisse

Die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen tragen einerseits zum Schutz des Archivguts [5] und andererseits zur Minimierung der Wachstums- und Vermehrungsprozesse von Mikroorganismen bei.

Dies wird in Magazinen bei folgenden raumklimatischen Parametern erreicht:

Raumtemperatur 18 ± 2 °C
Relative Luftfeuchte   50 ± 5 %.

Die regelmäßige Messung der Raumtemperatur und der relativen Luftfeuchte an repräsentativen Stellen in Magazinen ist unabdingbar, um bei Überschreitung über das Heizungs- und Lüftungsregime regulierend eingreifen zu können. Beim sogenannten freien Lüften ist ein vollständiger Austausch mit der Außenluft anzustreben, sofern deren Klimawerte geeignet sind, die o. g. raumklimatischen Parameter zu erreichen [6].

Weitergehende Anforderungen zum Schutz des Archivgutes sind zu beachten.

Eine Beeinflussung des Archivguts durch Wärme auf Grund von Sonneneinstrahlung ist zu vermeiden. Um in Fensterbereichen gelagertes Material vor übermäßiger Erwärmung zu schützen, ist der Einbau von Sonnenschutzeinrichtungen (Außenjalousien u. a.) zu empfehlen.

Sofern eine raumlufttechnische Anlage vorhanden ist oder eingebaut werden soll, ist diese auf hinreichendes Rückhaltevermögen von Biostoffen durch Fachpersonal jährlich zu prüfen und zu warten [7]. Sie ist entsprechend den Parametern dieses Abschnittes einzustellen. Luftauslässe der Anlage dürfen nicht in der Nähe von Luftzuführungen in andere Räume, von Fensteröffnungen oder Türen liegen. Der Austrag von Biostoffen in andere Arbeitsräume ist durch Einbau und regelmäßigen Wechsel von Filtern zu unterbinden. Gebrauchte Filtereinsätze sind in geschlossenen Behältnissen zu entsorgen.

In natürlich belüfteten Räumen oder in Ergänzung einer vorhandenen raumlufttechnischen Anlage kann der Betrieb eines Entfeuchtungsgerätes mit geeigneten Luftfiltersystemen zur Optimierung der relativen Luftfeuchte beitragen.

Stationäre Umluftgeräte und Luftentfeuchter dürfen nur so aufgestellt und betrieben werden, dass möglichst keine Staubverwirbelung erfolgt.

Raumgestaltung

Ausstattung, Einrichtung und Materialien sind so auszuwählen, dass Staubablagerungen möglichst gering gehalten werden. Wände, Oberflächen und Böden sollen leicht zu reinigen sein. Präventiv sollten beispielsweise schwer zugängliche Winkel und Ecken, bauliche Vertiefungen, Durchlässe, Rohre und Leitungen, Teppichböden, Vorhänge, sonstige textile Bespannungen, offenporiges Holz, unverputztes Mauerwerk mit Fugen, so genannter Sichtbeton, Rauputz, Strukturputz, Verkleidungen mit offenporigen Kunststoff- oder Kunststoffschaumplatten und andere poröse Oberflächen sowie Oberflächen aus statisch aufladbarem Material, gefütterte Wandverkleidungen, die der Ablagerung von Biostoffen (z. B. Pilzsporen) Vorschub leisten, vermieden werden.

Vorhandene Regalsysteme sind auf ihre Reinigungsmöglichkeit und deren Anordnung zu den Fenstern zu überprüfen. Dabei sollte eine ausreichende Durchlüftung gewährleistet sein. Eine zweckentfremdete Nutzung der Magazinräume insbesondere zur Lagerung von archivfremden Gegenständen ist zu unterlassen.

In Magazinräumen sollen keine Dauerarbeitsplätze eingerichtet werden.

Sofern Gebäudenässe vorhanden ist, kann eine bauliche Sanierung der Gebäudesubstanz [8] ggf. zur Erreichung der genannten technischen Parameter erforderlich sein.

Ein Ablaufschema zur Behandlung eines mikrobiell kontaminierten Lagerraums ist im Anhang B1 abgebildet.

Technische Arbeitsschutzeinrichtungen

Werden regelmäßig Tätigkeiten mit starker Aerosolbildung ausgeübt, sind Absaugeinrichtungen zu installieren, die den Personenschutz durch einen ins Innere der technischen Schutzeinrichtung gerichteten Luftstrom durch die Arbeitsöffnung garantieren. Diese Anforderungen werden z. B. durch mikrobiologische Sicherheitswerkbänke (MSW) der Klasse I erfüllt [9]. Die abgesaugte Luft darf nicht ungefiltert in die Raumluft zurückgeleitet werden.

Diese Absaugeinrichtungen sind regelmäßig (einmal jährlich) durch Fachpersonal zu prüfen und zu warten.

5.3 Organisatorische Maßnahmen

Allgemeine organisatorische Maßnahmen

Eingehendes Archivgut soll prinzipiell und bereits magazinierte Archivbestände sollen stichprobenartig auf mikrobielle Kontaminationen geprüft werden. Diese Kontrollen sind visuell vorzunehmen.

Bei der Entdeckung von feuchtem, verfärbtem, geschädigtem und muffig riechendem Archivgut ist dieses räumlich getrennt von nicht befallenem Archivgut zu lagern. In Zweifelsfällen über eine mögliche Kontamination und die in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen sind geeignete Fachleute (z. B. Restauratoren) heranzuziehen. Die Ursachen für diesen Befund sind zu ermitteln. Feuchtigkeitsquellen sind zu finden und abzustellen. Weiterhin sind in diesen Fällen der Wassergehalt des Archivgutes bzw. die oberflächennahe relative Luftfeuchte am Archivgut bei Eingang oder Entdeckung zu bestimmen.

Das Tragen von Schutzkleidung (siehe Abschnitt 5.5) ist bei möglichem Hautkontakt mit kontaminiertem Archivgut oder Aerosolbildung von mikrobiell kontaminierten Stäuben notwendig, z. B. beim Abbürsten von schimmelpilzhaltigem Staub, beim Transport und Verpacken stark kontaminierten Archivguts, beim Verfilmen, Digitalisieren oder bei der Feuchtbehandlung von kontaminiertem Archivgut.

Straßenkleidung ist getrennt von Schutzkleidung aufzubewahren. Für die Bereitstellung, geeignete Aufbewahrung, regelmäßige Reinigung und Instandsetzung der persönlichen Schutzausrüstung ist der Arbeitgeber verantwortlich (§ 9 Abs. 3 Nr. 5 und Nr. 6 BioStoffV).

Sofern keine Absaugeinrichtungen zur Verfügung stehen, müssen zur Bearbeitung des kontaminierten Archivguts neben geeigneten Schutzkitteln (langer Arm, am Kragen geschlossen) und Schutzhandschuhen personengebundene dichtsitzende Halbmasken mindestens mit Partikelfilter der Klasse P2 oder partikelfiltrierende Halbmasken mindestens FFP2 NR (NR: not reusable / zum einmaligen Gebrauch) mit Ausatemventil zur Verfügung gestellt werden. Hinweis: Der Gebrauch von FFP NR Masken ist unabhängig von der Filterklasse auf die Dauer einer Schicht begrenzt.

Zur Nutzung vor Arbeitspausen und am Arbeitsende ist den Beschäftigten ein Handwaschplatz einzurichten und mit einem Hautreinigungsmittel auszustatten. Zusätzlich sollen an diesem Platz Hautschutz- und Hauptpflegemittel zur Verfügung gestellt werden.

Das Anfeuchten der Finger beim Seitenblättern ist zu unterlassen.

Bei der Lagerung von Archivgut ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Feuchte aus dem Archivgut entweichen kann (z. B. durch die Verwendung von atmungsaktiven Materialien).

In allen Räumen, in denen Archivgut gelagert und bearbeitet wird (z. B. Magazinen, Werkstätten), ist Essen und Trinken zu untersagen. Hierfür sind Aufenthaltsräume zu benutzen.

In Magazinräumen und Werkstätten dürfen keine Pflanzen gehalten werden (Kontaminationsgefahr durch Erde und Erhöhung der Luftfeuchte).

Treten in den Archivräumen Nagetiere oder Vögel auf, sind Maßnahmen zu ergreifen, um diese aus den Archivräumen auszuschließen.

Das Schreddern von kontaminiertem Archivgut ist mit der Gefahr einer erhöhten Freisetzung von Biostoffen verbunden und deshalb auf das notwendige Maß unter Bereitstellung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (staubdichte Einwegschutzanzüge mit Kapuzenteil Kategorie III Typ 5, personengebundene dichtsitzende partikelfiltrierende Halbmasken FFP3 NR oder Gebläsefiltergeräte mit Hauben (TH3P) sowie Schutzhandschuhe) zu beschränken.

Reinigung

Für die erste Grobreinigung massiv kontaminierter Archivräume und des Archivguts sind staubdichte Einwegschutzanzüge mit eng anliegendem Kapuzenteil (Haarschutz) Kategorie III, Typ 5 und personengebundene dichtsitzende Halbmasken mindestens mit Partikelfilter der Klasse P2 oder partikelfiltrierende Halbmasken mindestens FFP2 NR mit Ausatemventil sowie geeignete Schutzhandschuhe (z. B. Nitrilhandschuhe) zu verwenden.

Personengebundene dichtsitzende Halbmasken mit Partikelfilter der Klasse P3 oder partikelfiltrierende Halbmasken FFP3 NR mit Ausatemventil sollen getragen werden, wenn zu vermuten ist, dass der Staub oder das Archivgut mit Tauben- oder Nagetierkot beaufschlagt ist oder tote Tiere gefunden werden. Die persönliche Schutzausrüstung ist ggf. durch Füßlinge zu ergänzen. Nach Ablegen der Schutzhandschuhe sind in diesen Fällen die Hände zu desinfizieren. Händedesinfektionsmittel sind hier bereitzustellen.

Räume, in denen kontaminiertes Archivgut gelagert oder bearbeitet wird, sind regelmäßig, am besten wöchentlich, nicht staubend zu reinigen. Alle Oberflächen (Fußboden, Regale, Tische u. a.) müssen erforderlichenfalls durch Wisch- und Scheuerdesinfektion unter Tragen von geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Schutzkittel und Schutzhandschuhe) mit Desinfektionsmitteln desinfiziert werden.

Dazu wird auf die DGUV Regel 101-018 „Umgang mit Reinigungs- und Pflegemitteln“ [10] und die jeweils gültige Desinfektionsmittel-Liste [11] verwiesen.

Archivgut sollte vor der Bearbeitung grundsätzlich nicht staubend gereinigt werden.

Unabhängig von einer Kontamination sollten Fußböden und freie Flächen (Regale/Tische) von Magazinen mindestens vierteljährlich nicht staubend gereinigt werden.

Innerbetrieblicher Transport

Der innerbetriebliche Transport des kontaminierten Archivgutes ist weitestgehend zu vermeiden. Er muss wenn notwendig in geeigneten geschlossenen, desinfizierbaren Transportbehältern erfolgen.

Maßnahmen zur Dekontamination

Kontaminierte Objekte, feuchte wie trockene, müssen behandelt werden, bevor Beschäftigte mit ihnen innerhalb der üblichen archivischen Arbeitsabläufe umgehen bzw. die endgültige Einlagerung ins Magazin erfolgt.

Ein Ablaufschema zur Behandlung von mikrobiell kontaminiertem Archivgut ist im Anhang B2 vorhanden.

Wenn bei diesen Tätigkeiten mit den Objekten Bioaerosole freigesetzt werden, ist geeigneter technischer Arbeitsschutz oder das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung notwendig. Sobald eine sichtbare Kontamination vorhanden ist, erfolgt im Anschluss an die Trocknung die Reinigung.

Ist das Archivgut so stark geschädigt, dass sich die einzelnen Papierseiten nicht mehr ohne weiteres umblättern und einzeln reinigen lassen (Verblockung, Auflösung der Papierstruktur), müssen die Biostoffe von restauratorisch geschultem Fachpersonal mechanisch entfernt werden. Wenn lebensfähige Mikroorganismen nachgewiesen werden, kann eine Sterilisation der kontaminierten Objekte durch geeignete und zugelassene Verfahren zwischengeschaltet werden.

5.4 Sterilisation

Durch Sterilisation werden vorhandene Biostoffe abgetötet, aber die allergenen und toxischen Wirkungen der Biostoffe bleiben davon unberührt. Feuchtes Archivgut darf nicht sterilisiert werden.

Grundsätzlich ist der Dekontamination durch Reinigung (siehe 5.3) gegenüber einer Sterilisation der Vorzug zu geben.

Nur für diese genannten Sonderfälle (Verblockung, Auflösung der Papierstruktur) und nur bei positivem Ergebnis eines Tests auf mikrobielle Aktivität am Archivgut ist eine Sterilisation durch Bestrahlung mit Kobalt 60 oder Begasung mit Ethylenoxid gemäß der TRGS 513 [12; 13; 15] im Massenverfahren zu vertreten. Sie ist nur von Fachfirmen mit entsprechender Sachkunde auszuführen. Nach der Sterilisation ist eine Entfernung (siehe 5.3). Dekontamination von trockenem Archivgut) der Biostoffe notwendig. Die Sterilisation ersetzt nicht die zur Dekontamination erforderliche Trockenreinigung

Bei der Begasung mit Ethylenoxid kann eine Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten durch am Material adsorbierte Reste nicht ausgeschlossen werden. Für Einzelstücke kann ein modifiziertes Verfahren der Dampfsterilisation unter Verwendung geeigneter Geräte mit Abluftfiltration zur Anwendung kommen [16].

Zur Nachkontrolle der Sterilisation ist eine mikrobiologische Untersuchung nicht notwendig, wenn Sterilisationsindikatoren mitgeführt wurden und sich die Maßnahmen hierbei als wirksam erwiesen haben.

5.5 Persönliche Schutzausrüstungen

Den Beschäftigten sind entsprechend der Gefährdungsbeurteilung persönliche Schutzausrüstungen (PSA) zur Verfügung zu stellen. Die bereitgestellten persönlichen Schutzausrüstungen müssen benutzt werden (§ 15 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz).

Den Beschäftigten ist im Umgang mit kontaminiertem Archivgut mindestens folgende PSA zur Verfügung zu stellen:

In Abhängigkeit von der Gefährdung nach den im Abschnitt 5.3 durchzuführenden Tätigkeiten ist die PSA wie folgt zu ergänzen um: