Anhang 3 Handlungsanleitung zum Einsatz von Praktikantinnen und Praktikanten

Vorwort

Praktikanten16 sind heute aus dem Arbeitsalltag einer Einrichtung im Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Sie können tätigkeitsabhängig ebenso Infektionsgefahren ausgesetzt sein wie regulär Beschäftigte.

Praktikanten sind gemäß § 2 SGB VII gesetzlich unfallversichert. Die Biostoffverordnung (BioStoffV)17 regelt den Schutz von Beschäftigten, wenn diese aufgrund ihrer Arbeit durch biologische Einwirkungen gefährdet sind oder sein können. Nach § 2 Absatz 9 BioStoffV zählen zu den Beschäftigten, neben den im Arbeitsschutzgesetz genannten Personengruppen, auch ausdrücklich "...Schülerinnen und Schüler, Studierende und sonstige Personen, insbesondere an wissenschaftlichen Einrichtungen und in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes Tätige." So sind beispielsweise auch Praktikanten, Schülerpraktikanten, Praktikanten aus berufsbildenden und berufsfindenden Schulen, Famulanten, Doktoranden, Hospitanten, Stipendiaten etc. einbezogen. Damit umfasst der Geltungsbereich der BioStoffV außer Arbeitsverhältnissen und Praktikantentätigkeiten zum Zweck der Berufsausbildung auch andere Formen von Praktikantenverhältnissen in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Mit § 12 der BioStoffV wird sichergestellt, dass die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) auch für diesen Personenkreis gilt.18

Diese Handlungsanleitung soll den Entscheidungsträgern helfen, für diese Mitarbeiter einen adäquaten Arbeits- und Gesundheitsschutz sicher zu stellen. Auch beim Einsatz von Praktikanten ist daran zu denken, dass alle Maßnahmen auf der Grundlage der tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung zu treffen sind.

Bei fast allen Praktika im Rahmen der Berufsausbildung von Gesundheitsberufen, die in Einrichtungen des Gesundheitswesens stattfinden, ist davon auszugehen, dass auch Tätigkeiten mit Infektionsgefährdungen stattfinden, die in den Anwendungsbereich der BioStoffV fallen. Diese Praktika werden im Folgenden als "Berufspraktika" bezeichnet.

Finden Praktika außerhalb der Berufsausbildung mit vergleichbaren Tätigkeiten statt, sind diese analog den Berufspraktika zu behandeln. Als sogenannte "Schnupperpraktika" bzw. Kurzpraktika werden kurzzeitige Praktika bezeichnet, die nicht der beruflichen Ausbildung dienen und beispielsweise nur einen Eindruck über den entsprechenden beruflichen Alltag vermitteln sollen.

Dies sind z. B. Betriebspraktika während der Vollschulzeitpflicht von Kindern19 oder während der Ferien von Jugendlichen20.

Für Praktikanten, die unter 18 Jahre alt sind und kein Berufspraktikum durchführen, sind nur Tätigkeiten zulässig, bei denen kein direkter Umgang mit potenziell infektiösem Material erfolgt und die Gefährdungen durch Krankheitserreger mit denen der Allgemeinbevölkerung vergleichbar sind.

Grundsätzlich sollte von allen Praktikanten im Gesundheitsdienst erwartet werden, dass sie den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfschutz für Kinder und Jugendliche aufweisen.

1 Berufspraktika

1.1 Praktikanten unter 18 Jahren

  1. Jugendliche Praktikanten dürfen nur Kontakt zu Biostoffen haben, wenn dies im Rahmen ihrer Ausbildung geschieht, die Tätigkeit zum Erreichen des Ausbildungszieles notwendig und ihr Schutz durch die Aufsicht eines Fachkundigen gewährleistet ist (§ 22 Absatz 2 JArbSchG).
  2. Bei Praktikanten unter 18 Jahren wird empfohlen, eine schriftliche Zustimmung der Erziehungsberechtigten für das Praktikum einzuholen.
    Hinweis: Jugendliche, deren Berufspraktikum mehr als zwei Monate andauern soll, müssen vor dessen Beginn von einem Arzt untersucht werden. Diese Erstuntersuchung nach Jugendarbeitsschutzgesetz darf nicht mehr als 14 Monate zurückliegen (§ 32 JArbSchG).
    Sie ist nicht identisch mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge durch einen Betriebsarzt.

1.2 Generelle Forderungen

Die folgenden Punkte gelten für Praktikanten über 18 Jahren und für Praktikanten unter 18 Jahren, die ein Berufspraktikum durchführen

  1. Praktikanten dürfen nur Tätigkeiten ausüben, für die keine Fachkundevoraussetzungen nach § 11 Absatz 6 BioStoffV bestehen.
  2. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber festzulegen, ob eine arbeitsmedizinische Vorsorge veranlasst oder angeboten werden muss. Hinsichtlich der Pflichtvorsorge ist in Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen maßgeblich, ob Tätigkeiten mit regelmäßigem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen ausgeübt werden beziehungsweise Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen kann, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung (Anhang Teil 2 Ziffer 3c der ArbMedVV).

Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge sind den Praktikanten auch die relevanten Impfungen anzubieten. In der folgenden Tabelle werden beispielhaft relevante Impfanlässe aufgeführt:

Tabelle:   Beispielhafte Nennung relevanter Impfungen mit Bezug auf Arbeitsbereiche und Tätigkeiten

Arbeitsbereich Tätigkeit Impfung
Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen Tätigkeiten mit regelmäßigem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen B. pertussis

Hepatitis-A-Virus

Masernvirus

Mumpsvirus

Rubivirus
Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen kann, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung Hepatitis-B-Virus
Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Kindern Tätigkeiten mit regelmäßigem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Kindern Varizella-Zoster-Virus (VZV)1
Einrichtungen ausschließlich zur Betreuung von Menschen Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen kann, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen u. Aerosolbildung Hepatitis-A-Virus

Hepatitis-B-Virus

   1: evtl. zusätzlich zu den Zeilen 1 und 2

In Abhängigkeit von der konkreten Praktikumsstelle können weitere einrichtungsbezogene Impfangebote im Einzelfall notwendig sein.

  1. Alle Praktikanten sind rechtzeitig vor Aufnahme der Tätigkeit dem Arzt nach § 7 ArbMedVV vorzustellen. Dieser informiert die Praktikanten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge über die praktikumsbezogenen Infektionsgefährdungen, nimmt eventuell eine Untersuchung vor und stellt gegebenenfalls fest, ob eine ausreichende Immunität gegen die in Frage kommenden Biostoffe besteht.

    Nach arbeitsmedizinischer Beratung und gegebenenfalls erfolgter Untersuchung bzw. Impfung können je nach Ausbildungs- und Kenntnisstand definierte Tätigkeiten durchgeführt werden.
  2. Der Arzt sollte sich den Impfausweis des Praktikanten vorlegen lassen.
  3. Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung nach BioStoffV (in der Regel Aufgabe des Praktikumsbetriebs) ist festzulegen, welche Schutzmaßnahmen bei welchen Tätigkeiten einzuhalten sind. Die notwendige persönliche Schutzausrüstung einschließlich der Schutzkleidung wird durch den Praktikumsbetrieb für die Praktikanten bereitgestellt. Dieser sichert auch die Desinfektion, Reinigung und bei Erfordernis auch die Instandsetzung der Schutzkleidung beziehungsweise kontaminierter Arbeitskleidung.
  4. Die Praktikanten und Erziehungsberechtigten erhalten vor Beginn eine Information über Gefährdungen, Verhalten während des Praktikums, die nötigen Schutzmaßnahmen und Impfungen.
  5. Eine Unterweisung auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung zu Beginn des Praktikums sowie eine geeignete Beaufsichtigung und Betreuung muss während des Praktikums sichergestellt sein.
  6. Die Praktikanten sollten von der entsprechenden Leitung, z. B. der Pflegedienstleitung und/oder der Personalabteilung vor Beginn des Praktikums mit dem Hinweis auf Einsatzort und Zeitraum des Praktikums dem Betriebsarzt gemeldet werden.
  7. Im Falle schwangerer Praktikantinnen kommen die Regelungen des Mutterschutzgesetzes und der Verordnung zum Schutz der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) zum Tragen.

2 Schnupperpraktika und Kurzpraktika

  1. Für Praktikanten unter 18 Jahren, die keine Berufspraktika sondern z. B. Schnupperpraktika oder Kurzpraktika durchführen, hat der Praktikumsbetrieb Festlegungen zu treffen, bei welchen Tätigkeiten keine Gefährdung durch Krankheitserreger bestehen kann (eingeschränkter Tätigkeitskatalog).

    Folgende Arbeitsbereiche sind nicht geeignet: Intensiv- und OP-Bereiche; TBC-/HIVStationen; Bereiche mit MRE-positiven Patienten; Pathologie (beispielhafte Auflistung).
  2. Da innerhalb dieser Praktika keine infektionsgefährdenden Tätigkeiten ausgeführt werden, entfällt die Notwendigkeit der arbeitsmedizinischen Vorsorge und eines Impfangebotes nach ArbMedVV. Es sollte aber auf die von der STIKO empfohlenen Impfungen hingewiesen werden.

3 Maßnahmen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung – Kostenträger

Nach dem Arbeitsschutzgesetz darf der Arbeitgeber Maßnahmen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung nicht den Beschäftigten auferlegen. In der Regel hat er diese zu übernehmen. Dies gilt auch für Impfungen, die im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge angeboten und durchgeführt werden. Der Praktikumsgeber, in dessen Betrieb oder Einrichtung der Praktikant die Tätigkeiten ausübt, ist als Arbeitgeber anzusehen, sofern das Praktikum inhaltlich und organisatorisch nicht in einem anderen Verantwortungsbereich liegt. Bei Berufspraktika kann somit beispielsweise die Ausbildungsstätte, mit der der Ausbildungsvertrag geschlossen wurde, als Arbeitgeber fungieren.

 


16 Im Text wird aufgrund der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet.
17 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (BioStoffV) vom 15.7.2013.
18 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) vom 23.10.2013.
19 "Kind" ist nach § 2 Absatz 1 Jugendarbeitsschutzgesetz, wer unter 15 Jahren ist.
20 "Jugendlicher" ist nach § 2 Absatz 2 Jugendarbeitsschutzgesetz, wer 15 aber noch nicht 18 Jahre alt ist.