5 Vorgehensweise zur Beurteilung der Beeinflussbarkeit von implantierten Herzschrittmachergeräten

Die Beeinflussbarkeit eines implantierten Herzschrittmachers kann nur für den Einzelfall ermittelt werden, um entscheiden zu können, ob Betroffene ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen können oder ob Einschränkungen erforderlich sind. Bei der Bewertung sind daher die Exposition des Betroffenen und die Eigenschaften des Implantates zu berücksichtigen.

So können individuelle Lösungen für Arbeitnehmer mit aktiven Körperhilfen erarbeitet werden.

Für Besucher und Fremdpersonal auf dem Unternehmensgelände ist eine individuelle Bewertung der Beeinflussbarkeit eines Implantates nicht möglich. Hier müssen in der Regel allgemeingültige organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um den Schutz dieser Personengruppen sicherzustellen.

Die nachfolgende Darstellung verdeutlicht die notwendigen Schritte zur Beurteilung der Beeinflussbarkeit.

Flussdiagramm der Vorgehensweise zur Beurteilung der Beeinflussbarkeit von implantierten Herzschrittmachergeräten

Abb. 5: Flussdiagramm der Vorgehensweise zur Beurteilung der Beeinflussbarkeit von implantierten Herzschrittmachergeräten

5.1 Ermittlung der Arbeits- und Aufenthaltsbereiche

Es sind die Bereiche zu bestimmen, in denen sich der Implantatträger während seiner Arbeitszeit und der Arbeitspausen aufhält. Hierzu gehören auch die Zugangswege zu Arbeits- und Aufenthaltsbereichen.

5.2 Ermittlung/Identifizierung der Feldquellen

Bei der Ermittlung der Feldquellen sind alle feldrelevanten, elektrisch betriebenen Arbeits- und Betriebsmittel sowie Anlagen innerhalb der Arbeits- und Aufenthaltsbereiche und deren Zugangswege zu berücksichtigen. Als Hilfestellung kann hier die in Anhang 1 befindliche Anlagen- und Geräteliste dienen.

Handelt es sich bei den ermittelten Arbeits- und Betriebsmitteln um Geräte und Anlagen, bei denen nach Anhang 1 eine Beeinflussung von Implantaten auszuschließen ist, sind keine weiteren Maßnahmen zur Ermittlung der Exposition, der Eigenschaften des Implantates und der Störbeeinflussung erforderlich.

5.3 Ermittlung der Exposition

Zur Ermittlung der Exposition in den Arbeits- und Aufenthaltsbereichen sind die Arbeitspositionen und die Körperhaltung des Implantatträgers zu berücksichtigen. Dabei sind abhängig von der Art der Störbeeinflussung z.B. die lokalen Feldstärken am Ort des Implantats oder im Bereich des Thorax relevant (siehe Abschnitt 4.1.2.1). Insbesondere sind neben statischen Feldern auch Felder mit Frequenzen zu betrachten, die mit dem physiologischen Herzsignal (Wiederholfrequenz 0,2 Hz bis 5 Hz) verwechselt werden können, sowie Felder, die im Frequenzbereich bis 1 kHz – einschließlich möglicher Schwebungsfrequenzen – liegen.

Die Ermittlung der Exposition mittels Messung, Berechnung oder Vergleich hat durch einen Sachkundigen gemäß BGR B11 zu erfolgen. Die Ermittlung der Exposition mittels Messung ist in Anhang 2 erläutert.

Zur Ermittlung von Expositionen bzw. von möglichen Implantatbeeinflussungen werden auch diverse Warngeräte angeboten. Diese Geräte werden jedoch meist den komplexen Messanforderungen nicht gerecht und ersetzen auch nicht die erforderliche Sachkunde zur Ermittlung.
Weitere Anforderungen, insbesondere an die Messtechnik, sind in Anhang 2 angegeben.

5.4 Ermittlung der Implantateigenschaften

Zur Beurteilung der Beeinflussbarkeit von Herzschrittmachern sind neben Hersteller und Typ des implantierten Herzschrittmachers auch die Funktionsweise (Schrittmachermodus), die Art der Elektroden, die Betriebsart und die programmierte Empfindlichkeit zu ermitteln (siehe Anhang 3).

Die meisten dieser Informationen können dem Herzschrittmacherpass entnommen werden. In Anhang 3 ist beispielhaft ein Herzschrittmacherpass mit den relevanten Daten dargestellt.

5.5 Ermittlung und Bewertung der Störbeeinflussung

Die Ermittlung und Bewertung der Störbeeinflussbarkeit eines Herzschrittmachers kann nach folgenden Verfahren erfolgen:

Um die Störbeeinflussung eines implantierten Herzschrittmachers ermitteln und bewerten zu können, sind spezielle Kenntnisse sowohl auf dem Gebiet elektromagnetischer Felder als auch auf dem Gebiet der Medizin/Medizintechnik notwendig.

5.5.1 Vergleich der Exposition mit zulässigen Werten

Werden vom Implantathersteller keine implantatspezifischen zulässigen Werte angegeben, lassen sich diese durch unterschiedliche Verfahren feststellen.

5.5.1.1 Anwendung der Norm E DIN VDE 0848-3-1

In der Norm E DIN VDE 0848-3-1 "Sicherheit in elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern; Teil 3-1: Schutz von Personen mit aktiven Körperhilfsmitteln im Frequenzbereich von 0 Hz bis 300 GHz" sind Störschwellen angegeben, bei deren Einhaltung eine Beeinflussung von Herzschrittmachern ausgeschlossen werden kann. Aus den Störschwellen und der programmierten Wahrnehmungsschwelle (dokumentiert im Herzschrittmacherpass) lassen sich mit Hilfe der angegebenen Umrechnungsformeln zulässige Spitzenwerte elektrischer und magnetischer Felder bestimmen.

Bei Einhaltung der Spitzenwerte nach E DIN VDE 0848-3-1 sind Beeinflussungen von Herzschrittmachern ausgeschlossen.
Bei Überschreitung der Spitzenwerte nach E DIN VDE 0848-3-1 kann eines der nachfolgend genannten Verfahren 5.5.1.2, 5.5.2 oder 5.5.3 angewendet werden, um die individuelle Schrittmacherbeeinflussung zu ermitteln.

In Anhang 4 ist die Ermittlung zulässiger Werte nach E DIN VDE 0848-3-1 beschrieben.

Hinweis:
Die in der E DIN VDE 0848-3-1 genannten Sicherheitswerte beziehen sich auf Implantate mit unipolaren Elektrodensystemen (ungünstigster Fall).

5.5.1.2 Ermittlung zulässiger Werte anhand individueller Implantateigenschaften

Die in der Norm E DIN VDE 0848-3-1 festgelegten Werte sind meist zu restriktiv, da sie auf vereinfachten Modellen mit ungünstigen Körpergeometrien basieren.

Sind die Implantateigenschaften bekannt, lassen sich individuelle zulässige Werte ermitteln (siehe Anhang 3).
Für die Ermittlung eines individuellen zulässigen Wertes ist es relevant, ob es sich um ein einkanaliges oder ein mehrkanaliges Herzschrittmachersystem handelt. Dabei sind insbesondere die Betriebsart, die programmierte Empfindlichkeit, die Anzahl und Art der verwendeten Elektroden (uni-/bipolar) sowie die tatsächlichen wirksamen Schleifenflächen relevant.
Die tatsächlichen wirksamen Schleifenflächen sollten nach Möglichkeit anhand von Röntgenbildern bestimmt werden und in die Berechnung der Störschwelle einfließen.

In Anhang 4 ist die Ermittlung zulässiger Werte anhand des individuellen Herzschrittmachersystems beschrieben.

5.5.2 Überprüfung und Bewertung anhand der Herzschrittmacheraktion eines implantierten Herzschrittmachers am Arbeitsplatz

5.5.2.1 Überprüfung mit Telemetriegerät/Programmiergerät

Der Herzschrittmacherträger befindet sich mit Telemetriegerät an seinem Arbeitsplatz bzw. in den Bereichen, in denen er sich während seiner Arbeitszeit und der Arbeitspausen aufhält. Über das intrakardiale EKG (IEKG) werden die herzeigenen Signale, die Markerkanäle und die induzierten Störspannungen beobachtet und aufgezeichnet. Hierzu muss das Telemetrie-/Programmiergerät störfest sein. Die ermittelten Daten sind von einem Mediziner dahingehend auszuwerten, ob ein ungestörter Betrieb des Herzschrittmachers am Arbeitsplatz gewährleistet ist.

5.5.2.2 Überprüfung mit EKG-Messgerät

Der Herzschrittmacherträger befindet sich mit EKG-Gerät an seinem Arbeitsplatz. Über das EKG werden die herzeigenen Signale sowie die Herzschrittmacheraktionen beobachtet und aufgezeichnet. Dazu muss das EKG-Messgerät entsprechend störfest sein (Messleitungen). Geeignet sind beispielsweise Geräte ohne Zuleitungen, wie sie in der Notfallmedizin verwendet werden. Die ermittelten Daten sind von einem Mediziner dahingehend auszuwerten, ob ein ungestörter Betrieb des Herzschrittmachers am Arbeitsplatz gewährleistet ist.

5.5.3 Überprüfung der Störbeeinflussung mittels Messungen an einem Laborplatz

Der Herzschrittmacherträger wird unter Laborbedingungen definierten – entsprechend den am Arbeitsplatz gemessenen – elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, die über Leistungsverstärker und geeignete Spulen oder Elektroden erzeugt werden.

Mit den in Abschnitt 5.5.2 beschriebenen messtechnischen Untersuchungen lassen sich der ungestörte Betrieb und gegebenenfalls dessen Grenzen erkennen. Diese Untersuchungen müssen unter Aufsicht eines Kardiologen, der gegebenenfalls auch Veränderungen an den Einstellungen des Herzschrittmachers (Empfindlichkeit, Betriebsart) vornimmt, erfolgen.