Von den Forderungen der §§ 6 und 7 darf abgewichen werden, wenn
1. | durch die Art der Anlage eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist oder DA | |
2. | aus zwingenden Gründen der spannungsfreie Zustand nicht hergestellt und sichergestellt werden kann, soweit dabei DA | |
- | durch die Art der bei diesen Arbeiten verwendeten Hilfsmittel oder Werkzeuge eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist und | |
- | der Unternehmer mit diesen Arbeiten nur Personen beauftragt, die für diese Arbeiten an unter Spannung stehenden aktiven Teilen fachlich geeignet sind, und | |
- | der Unternehmer weitere technische, organisatorische und persönliche Sicherheitsmaßnahmen festlegt und durchführt, die einen ausreichenden Schutz gegen eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung sicherstellen. |
Eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder Lichtbogenbildung ist ausgeschlossen, wenn
– | der bei der Berührung durch den menschlichen Körper fließende Strom oder die Energie an der Arbeitsstelle unter den durch die elektrotechnischen Regeln festgelegten Grenzwerten bleibt |
oder | |
– | die Spannung die in den elektrotechnischen Regeln für die jeweilige Verwendungsart und den Betriebsort als zulässig angegebenen Grenzwerte für das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen nicht überschreitet. |
Soweit in elektrotechnischen Regeln keine Grenzwerte festgelegt sind, darf unter Spannung gearbeitet werden, wenn
– | der Kurzschlussstrom an der Arbeitsstelle höchstens 3 mA bei Wechselstrom (Effektivwert) oder 12 mA bei Gleichstrom beträgt, |
– | die Energie an der Arbeitsstelle nicht mehr als 350 mJ beträgt, |
– | durch Isolierung des Standortes oder der aktiven Teile oder durch Potentialausgleich eine Potentialüberbrückung verhindert ist, |
– | die Berührungsspannung weniger als AC 50 V oder DC 120 V beträgt |
oder | |
– | bei den verwendeten Prüfeinrichtungen die in den vergleichbaren elektrotechnischen Regeln festgelegten Werte für den Ableitstrom nicht überschritten werden. |
Zwingende Gründe können vorliegen, wenn durch Wegfall der Spannung
– | eine Gefährdung von Leben und Gesundheit von Personen zu befürchten ist, |
– | in Betrieben ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, |
– | bei Arbeiten in Netzen der Stromversorgung, besonders beim Herstellen von Anschlüssen, Umschalten von Leitungen oder beim Auswechseln von Zählern, Rundsteuerempfängern oder Schaltuhren die Stromversorgung unterbrochen würde, |
– | bei Arbeiten an oder in der Nähe von Fahrleitungen der Bahnbetrieb behindert oder unterbrochen würde, |
– | Fernmeldeanlagen einschließlich Informations-Verarbeitungsanlagen oder wesentliche Teile davon wegen Arbeiten an der Stromversorgung stillgesetzt werden müssten und dadurch Gefahr für Leben und Gesundheit von Personen hervorgerufen werden könnte |
oder | |
– | Störungen in Verkehrssignalanlagen hervorgerufen werden, die zu einer Gefahr für Leben und Gesundheit von Personen sowie Schäden an Sachwerten führen könnten. |
Beim Arbeiten unter Spannung besteht eine erhöhte Gefahr der Körperdurchströmung und der Lichtbogenbildung. Dieses erfordert besondere technische und organisatorische Maßnahmen. Das verbleibende Risiko (Eintrittswahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere, siehe DIN VDE 31 000 Teil 2) muss damit auf ein zulässiges Maß reduziert werden. Dies wird erreicht, wenn die nachfolgenden Anforderungen erfüllt und die elektrotechnischen Regeln eingehalten werden.
Sollen Arbeiten unter Spannung durchgeführt werden, ist vom Unternehmer schriftlich für jede der vorgesehenen Arbeiten festzulegen, welche Gründe als zwingend angesehen werden. Hierbei muss das jeweilige gewählte Arbeitsverfahren, die Häufigkeit der Arbeiten und die Qualifikation der mit der Durchführung der Arbeiten betrauten Personen berücksichtigt werden. Für die Durchführung der Arbeiten ist eine Arbeitsanweisung zu erstellen und geeignete Schutz- und Hilfsmittel für das Arbeiten unter Spannung sind zur Verfügung zu stellen.
Beim Herausnehmen und Einsetzen von unter Spannung stehenden Sicherungseinsätzen des NH-Systems ohne Berührungsschutz und ohne Lastschalteigenschaften wird eine Gefährdung durch Körperdurchströmung und durch Lichtbögen weitgehend ausgeschlossen, wenn NH-Sicherungsaufsteckgriffe mit fest angebrachter Stulpe verwendet werden sowie Gesichtsschutz (Schutzschirm) getragen wird.
Isolierte Werkzeuge und isolierende Hilfsmittel zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sind geeignet, wenn sie mit dem Symbol des Isolators oder mit einem Doppeldreieck und der zugeordneten Spannungs- oder Spannungsbereichsangabe oder der Klasse gekennzeichnet sind.
Die Forderungen hinsichtlich der fachlichen Eignung für Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sind z.B. erfüllt, wenn die Festlegungen in Tabelle 5 beachtet werden und eine Ausbildung für die unter Spannung durchzuführenden Arbeiten erfolgt ist. Die Kenntnisse und Fertigkeiten müssen in regelmäßigen Abständen (ca. 1 Jahr) überprüft werden und, wenn erforderlich, muss die Ausbildung wiederholt oder ergänzt werden.
Im Rahmen der organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen sollen die Arbeiten von einer in der Ersten Hilfe ausgebildeten und mindestens elektrotechnisch unterwiesenen Person überwacht werden (siehe § 26 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" [BGV A1]).
Die Sicherheitsmaßnahmen sind für den Einzelfall oder für bestimmte, regelmäßig wiederkehrende Fälle schriftlich festzulegen. Dabei sind die Festlegungen in den elektrotechnischen Regeln zu beachten.
Tabelle 5: Randbedingungen für das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen hinsichtlich der Auswahl des Personals in Abhängigkeit von der Nennspannung
Nenn- spannungen |
Arbeiten | EF | EUP | L |
bis AC 50 V bis DC 120 V |
Alle Arbeiten, soweit eine Gefährdung, z.B. durch Lichtbogenbildung, ausgeschlossen ist | X | X | X |
über AC 50 V über DC 120 V |
1. Heranführen von Prüf-, Mess- und Justiereinrichtungen, z.B. Spannungsprüfern, von Werkzeugen zum Bewegen leichtgängiger Teile, von Betätigungsstangen | X | X | |
2. Heranführen von Werkzeugen und Hilfsmitteln zum Reinigen sowie das Anbringen von geeigneten Abdeckungen und Abschrankungen | X | X | ||
3. Herausnehmen und Einsetzen von nicht gegen direktes Berühren geschützten Sicherungseinsätzen mit geeigneten Hilfsmitteln, wenn dies gefahrlos möglich ist | X | X | ||
4. Anspritzen von unter Spannung stehenden Teilen bei der Brandbekämpfung oder zum Reinigen | X | X | ||
5. Arbeiten an Akkumulatoren und Photovoltaikanlagen unter Beachtung geeigneter Vorsichtsmaßnahmen | X | X | ||
6. Arbeiten in Prüfanlagen und Laboratorien unter Beachtung geeigneter Vorsichtsmaßnahmen, wenn es die Arbeitsbedingungen erfordern | X | X | ||
7. Abklopfen von Rauhreif mit isolierenden Stangen | X | X | ||
8. Fehlereingrenzung in Hilfsstromkreisen (z.B. Signalverfolgung in Stromkreisen, Überbrückung von Teilstromkreisen) sowie Funktionsprüfung von Geräten und Schaltungen | X | |||
9. Sonstige Arbeiten, wenn a) zwingende Gründe durch den Betreiber festgestellt wurden und b) Weisungsbefugnis, Verantwortlichkeiten, Arbeitsmethoden und Arbeitsablauf (Arbeitsanweisung) schriftlich für speziell ausgebildetes Personal festgelegt worden sind |
X | |||
Bei allen Nenn- spannungen |
Alle Arbeiten, wenn die Stromkreise mit ausreichender Strom- oder Energiebegrenzung versehen sind und keine besonderen Gefährdungen (z.B. wegen Explosionsgefahr) bestehen | X | X | X |
Arbeiten zum Abwenden erheblicher Gefahren, z.B. für Leben und Gesundheit von Personen oder Brand- und Explosionsgefahren | X | |||
Arbeiten an Fernmeldeanlagen mit Fernspeisung, wenn Strom kleiner als AC 10 mA oder DC 30 mA | X | X | X |
Elektrofachkraft: Elektrotechnisch unterwiesene Person: Elektrotechnischer Laie: |
EF EUP L |