6 Tätigkeiten mit Inhalationsanästhetika

Dieser Abschnitt regelt die Tätigkeiten mit Inhalationsanästhetika und Lachgas zu Narkosezwecken und zur Sedierung in Einrichtungen der medizinischen Versorgung. Sie beschreibt Maßnahmen zum sicheren Umgang mit Anästhesiegasen.

6.1 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

(1) Alle Räume, in denen mit Inhalationsanästhetika umgegangen wird (Lager-, Operations-, Aufwachräume, Ambulanzen, Intensivstationen usw.), sind zu erfassen. Für diese Arbeitsbereiche ist eine Gefährdungsbeurteilung entsprechend TRGS 400 und 402 durchzuführen.

(2) Es ist hilfreich, ein Verzeichnis aller Lachgas (N2O)-Entnahmedosen zu führen. Hinweise zu Zonen gemäß BetriebsSichV beim Einsatz von Narkosegasen gibt die Beispielsammlung in der DGUV Regel 113-001.

(3) Die Explosionsgefahren der eingesetzten Narkosegase und ihrer Mischungen sind zu berücksichtigen. Während in den Geräten explosionsfähige Gemische mit reinem Sauerstoff entstehen können, ist dieses in der Raumluft von OP-Räumen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu erwarten (Literatur [19-21, 66, 67]).

(4) Es ist zu beachten, dass die Narkosegeräte und die Einrichtungen zur Versorgung mit medizinischen Gasen auch der BetriebSichV unterliegen.

6.2 Sicherheitstechnische Maßnahmen und ihre Überwachung

6.2.1 Leitungssysteme für N2O

(1) Durch regelmäßige, mindestens jährliche Überprüfung von N2O-Leitungssystemen muss deren technische Dichtheit gewährleistet werden. Der Begriff technische Dichtheit wird verwendet, da eine absolute Dichtheit für Gase nicht zu erreichen ist. Technisch dicht sind Anlagenteile, wenn bei einer für den Anwendungsfall geeigneten Dichtheitsprüfung oder Dichtheitsüberwachung bzw. -kontrolle, z. B. mit schaumbildenden Mitteln oder mit Lecksuch- oder Anzeigegeräten, eine Undichtheit nicht erkennbar ist.

(2) N2O-Entnahmedosen sind mindestens jährlich im Ruhe- und Betriebszustand (mit Stecker) auf Dichtheit zu überprüfen. Täglich benutzte N2O-Entnahmedosen sollten in kürzeren Abständen (vierteljährlich) durch Gasspürgeräte oder andere geeignete Methoden auf Dichtheit überprüft werden. Um den Aufwand für die jährlichen Prüfungen zu reduzieren, kann es sinnvoll sein, nicht mehr benutzte N2O-Entnahmedosen dauerhaft dicht zu verschließen.

(3) Mobile N2O-Versorgungssysteme (z. B. in der Zahnmedizin) sind ebenfalls regelmäßig gemäß Herstellerangaben auf ihre Dichtheit zu prüfen. Liegen keine Herstellerangaben dazu vor, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung das Prüfintervall festzulegen.

(4) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse der o. a. Funktions- und Dichtheitsprüfungen auch im Sinne des § 7 Absatz 7 GefStoffV dokumentiert werden. Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Behörde zur Einsichtnahme vorzulegen.

(5) Instandsetzungen und Wartungen dürfen nur von fachkundigen Personen (siehe § 2 MPBetreibV) durchgeführt und dokumentiert werden. Ggf. weitergehende Pflichten nach BetriebSichV bleiben unberührt.

6.2.2 Narkosegeräte

(1) Narkosegeräte in Einrichtungen der Humanmedizin sind nach den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes (MPG) regelmäßig zu überprüfen. Narkosegeräte in Einrichtungen der Tiermedizin, die nicht unter die Prüfpflicht des MPG fallen, müssen vor der ersten Inbetriebnahme, nach Instandsetzung und Wartung entsprechend den Angaben des Herstellers geprüft werden. Soweit der Hersteller keine Angaben macht, müssen sie mindestens zweimal im Jahr mittels geeigneter Prüfverfahren auf Dichtheit überprüft werden. Die Geräte müssen im Rahmen der gerätetypischen Toleranzen technisch dicht sein. Die Überprüfung auch nach § 7 Absatz 7 GefStoffV sind zu dokumentieren. Ggf. weitergehende Pflichten nach BetriebSichV bleiben unberührt.

(2) Nach jeder Gerätereinigung und erneuten Bereitstellung bzw. vor jeder Narkose nach dem Wechsel des Patientensystems ist eine Dichtheitsprüfung des Niederdrucksystems vorzunehmen. Bei einem Systeminnendruck von 3 kPa (30 cm H2O) darf die Leckagerate im Niederdrucksystem nach dem Stand der Technik nicht mehr als 150 ml pro Minute betragen. Die Prüfung ist manuell durchzuführen, sofern das Narkosegerät keinen automatischen Selbsttest durchführt.

(3) Leckagen größer als 150 ml pro Minute bei 3 kPa (30 cm H2O) im Niederdrucksystem sollten nicht toleriert werden. Die technisch erreichbare minimale Leckagerate ist einzuhalten.

(4) In der Tiermedizin sind geeignete Prüfverfahren auf Dichtigkeit in Analogie zu Absatz 2 und 3 festzulegen. Die Schutzmaßnahmen ergeben sich aus der jeweiligen Gefährdungsbeurteilung.

6.3 Narkosegasabsaugungen

(1) Die Abführung überschüssiger Narkosegase ist über eine Narkosegasabsaugung/-ableitung sicherzustellen. Dies kann geschehen mit:

  1. Absaugeinrichtungen an Narkosegeräten, die direkt mit dem Ausatemventil oder dem Überdruckventil verbunden sind. Durch sie wird überschüssiges Narkosegas, das von dem Patienten während der Ausatemphase abgegeben wird, aus dem Arbeitsraum entfernt.
  2. Lokalabsaugungen wie z. B. abgesaugte Doppelmaskensysteme oder
  3. mobilen Einzelabsaugungen,
  4. abgesaugten OP-Tischen in der Tiermedizin,
  5. Absaugungen in der Aufwachbox in der Tiermedizin,
  6. Ableitungen der Narkosegase nach außen in der Tiermedizin.

Die Verwendung von Narkosegasfiltern als Absaugsystem in der Tiermedizin ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber den erforderlichen Austausch der Filter gemäß Herstellerangaben sicherstellt.

(2) Vor Beginn jeder Narkose mit Inhalationsnarkotika ist die Funktionsfähigkeit der Narkosegasabsaugung zu kontrollieren. Absaugschläuche sind durch regelmäßige Sichtkontrolle auf Beschädigungen und Defekte zu überprüfen.

(3) Der Arbeitgeber hat zu gewährleisten, dass das Narkosesystem und das Absaugungssystem so aufeinander abgestimmt sind, dass in allen Betriebszuständen überschüssige Narkosegase vollständig abgesaugt werden.

(4) Narkosegase aus Nebenstrommessgeräten müssen ebenfalls erfasst werden und dürfen nicht in die Raumluft gelangen.

(5) Nach Beendigung des OP-Betriebes sind die Narkosegasabsaugeinrichtungen aus dem Wandanschluss zu nehmen, da durch ständigen Betrieb der Absauganlagen die Gefahr besteht, dass die Anlagen durch Fremdkörper (z. B. Tierhaare) verstopfen. Dies gilt auch für Sauerstoff- und Druckluftsysteme.

(6) Die ausreichende Wirksamkeit von Absauganlagen ist durch regelmäßige Prüfung nach § 7 Absatz 7 GefStoffV, nach Angaben des Herstellers, mindestens aber jährlich, zu gewährleisten. Dieses ist zu dokumentieren.

(7) Bei Einsatz von Diethylether im Bereich der experimentellen Chirurgie (Tiermedizin) ist darauf zu achten, dass Etherdämpfe nicht in die zentrale Narkosegasabsaugung gelangen. Es besteht Explosionsgefahr.

6.4 Maßnahmen bei Anwendung bestimmter Narkoseverfahren und Operationstechniken

(1) Da bei manchen Narkoseverfahren (z. B. Maskennarkosen) oder bestimmten Operationen (z. B. bei Verletzung oder bei Entfernung eines Lungenlappens bzw. bei Einsatz der Herz-Lungen-Maschine) frei abströmende Narkosegase zu Narkosegasbelastungen der Beschäftigten führen können, ist durch geeignete Maßnahmen (indikationsabhängig) eine Minimierung der Exposition zu gewährleisten.

(2) Als geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der Narkosegasbelastung sind anzusehen:

  1. Medizinische Ersatzverfahren (z. B. Totalintravenöse Anästhesie (TIVA)),
  2. emissionsarme Ersatzverfahren (z. B. Ersatz der Nichtrückatmungssysteme durch Kreissysteme),
  3. lokale Absaugungen wie Doppelmaskensysteme, Absaugung am Tubus, abgesaugte Doppelbeutelsysteme (Säuglingsnarkosen),
  4. Tischabsaugungen oder andere lokale Absaugsysteme (z. B. in der Aufwachbox für Großtiere), die frei abströmende Narkosegase soweit wie möglich erfassen,
  5. ausreichende Außenluft über die raumlufttechnischen Anlagen,
  6. ausreichender Luftwechsel am Arbeitsplatz des Anästhesie- und des Operationspersonals.

(3) In der Tiermedizin ist die Verwendung von nicht kalibrierbaren Universalverdampfern ("Marmeladenglas") oder Verdampfern ohne Sicherheitsfüllstutzen (Adapter) so zu gestalten, dass kein Inhalationsnarkotikum in die Raumluft gelangen kann (Minimierungsgebot).

(4) Die Abluft von lokalen Absauganlagen darf grundsätzlich nicht in raumlufttechnische Anlagen mit Umluftanteil gelangen. Abweichungen davon sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu begründen.

6.5 Raumlufttechnische Anlagen

(1) Aus Erfahrungen in der Humanmedizin mit bei Inhalationsanästhesien auftretenden Leckagen (z. B. bei Lachgas) ist bekannt, dass mit einer natürlichen Lüftung kein ausreichender Schutz vor Narkosegasen gewährleistet wird. In Operations-, Ein-, Ausleit- und Aufwachräumen, in denen regelmäßig Tätigkeiten mit Narkosegasen erfolgen, sind die Arbeitsplatzgrenzwerte oder andere Beurteilungsmaßstäbe nach TRGS 402 für Narkosegase durch geeignete (lüftungs-) technische Maßnahmen einzuhalten. Eine RLT-Anlage nach DIN 1946 Teil 4 kann eine geeignete Maßnahme darstellen, um die Arbeitsplatzgrenzwerte einzuhalten.

(2) Die Wirksamkeit raumlufttechnischer Anlagen im Arbeitsbereich des Anästhesiepersonals muss unter den üblichen Arbeitsbedingungen (auch nach Abdeckung des Operationsfeldes) und bei Änderung des Arbeitsverfahrens überprüft werden, um lokale Anreicherungen von Narkosegasen durch mangelnden Luftaustausch zu vermeiden. Ggf. ist durch geeignete Maßnahmen für einen ausreichenden Luftwechsel am Arbeitsplatz des Anästhesisten zu sorgen.

(3) Beim Einsatz von Inhalationsanästhetika in der Tiermedizin können nach dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung auch andere Maßnahmen geeignet sein, um die Arbeitsplatzgrenzwerte einzuhalten (z. B. passive Narkosegasableitung).

6.6 Spezielle Einsätze von Inhalationsanästhetika

(1) Bei der Beruhigung von Patienten und deren Analgesierung mit Inhalationsanästhetika über eine Nasenmaske (Zahnmedizin) oder eine spezielle Gesichtsmaske (Ambulanz) sind die Patienten ansprechbar. Durch Patientenaktivitäten (z. B. Sprechen, Mundatmung) können Narkosegase in die Umgebung gelangen. Daher sind neben den oben schon aufgeführten Maßnahmen zur Kontrolle der Narkosegasemissionen zusätzliche Maßnahmen erforderlich.

(2) Räume, in denen die Sedierungen mit Inhalationsanästhetika vorgenommen werden, sind während dieser Sedierungsvorgänge wie Eingriffsräume gemäß DIN 1946 Teil 4 (ausreichender Frischluftvolumenstrom) anzusehen.

(3) Treten im Atembereich der Beschäftigten zu hohe Anästhesiegas-Konzentrationen auf, können diese durch lokale Absaugsysteme oder durch einen erhöhten lokalen Luftwechsel im Atembereich effektiv reduziert werden.

6.7 Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen

(1) Die Konzentration von Narkosegasen in der Luft im Arbeitsbereich ist nach TRGS 402 zu überwachen.

(2) Die Wirksamkeit technischer Maßnahmen gemäß Nummer 6.1 bis 6.6 muss durch regelmäßige Wartung, Instandhaltung und regelmäßige Kontrolle des technischen Raumstatus gewährleistet werden. Der technische Raumstatus ist wie folgt zu erheben: Mittels geeigneter Messsysteme wird im Rahmen systematischer Messprogramme die Grundverunreinigung aller lachgasführenden Räume ermittelt. Alle potentiellen N2O-Leckagepunkte werden direkt überprüft. Die Messprogramme sind einmal jährlich und vor jeder Kontrollmessung außerhalb des laufenden OP-Betriebes durchzuführen.

6.8 Information der Beschäftigten

Die Unterweisungen nach § 14 GefStoffV bei Tätigkeiten mit Inhalationsanästhetika sollten neben den Anforderungen der TRGS 555 "Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten" zusätzlich beinhalten:

  1. Gerätekunde: Unterweisung in Dichtheitsprüfungen, Leckagesuche, Anwendung von lokalen Absaugmaßnahmen, Anschließen der zentralen Absaugung, Überprüfung der Ableitung, Überprüfung des Narkosegasfilters usw.,
  2. Unterweisung in arbeitsschutzgerechter Narkoseführung, z. B. praktische Übungen unter Einsatz direkt anzeigender Narkosegasmessgeräte,
  3. Hinweise an weibliche Beschäftigte auf die Gefährdungen durch einige Inhalationsanästhetika während der Schwangerschaft. Die entsprechenden Regelungen nach §§ 4 und 5 MuSchArbV und andere Regelungen zum Mutterschutz bleiben unberührt.