(1) Zusätzliche Schutzmaßnahmen sind erforderlich, wenn das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung insbesondere nach TRGS 400, TRGS 401 und TRGS 402 ergibt, dass die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach den Abschnitten 6 und 9 nicht ausreichend sind.
(2) Der Arbeitgeber hat zu prüfen, ob ein Gefahrstoff oder Verfahren durch einen nicht oder weniger gefährlichen ersetzt werden kann. Dabei ist neben der technisch-fachlichen Eignung auch das Gesamtgefährdungspotential aus allen Gefährlichkeitsmerkmalen (toxische, physikalisch-chemische und Umwelt-Gefährdung) zu berücksichtigen, da ggf. bei Ersatz des Stoffes auch das Arbeitsverfahren angepasst werden muss. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist der Verzicht auf eine technisch mögliche Substitution zu begründen und zu dokumentieren.
(3) Ist die Substitution nicht möglich, müssen für diese Tätigkeiten technische, organisatorische oder persönliche Schutzmaßnahmen getroffen werden, welche die Gefährdung ausschließen, bzw. falls dies nicht möglich ist, so weit wie möglich verringern.
(4) Technische Schutzmaßnahmen sind nach dem Stand der Technik zu gestalten. Hierbei sind vorrangig geschlossene Systeme anzuwenden. Falls dies nicht möglich ist, sind geeignete Absaugungen mit möglichst vollständiger Erfassung der Gefahrstoffe vorzusehen. Lüftungs- und Absaugeinrichtungen sowie Abzüge sind bestimmungsgemäß zu verwenden. Die BAuA beschreibt diese Maßnahme für verschiedene Tätigkeiten, wie z. B. Wiegen, Ab- und Umfüllen, Entleeren, Mischen, Beschichten, sowie Laminieren in verschiedenen Schutzleitfäden im Einfachen Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe – EMKG. Für das sichere Umfüllen von organischen Lösemitteln sind die Schutzleitfäden mit Videosequenzen hinterlegt. Wirksame und nicht ausreichende Schutzmaßnahmen werden im direkten Vergleich dargestellt, z. B. die Auswirkung, wenn eine Absaugvorrichtung nicht korrekt positioniert wird. Weiterhin sind ggfs. zusätzlich organisatorische Maßnahmen z. B. gesonderte Unterweisungen erforderlich.
(5) Ein Ausfall dieser lüftungstechnischen Einrichtungen muss von den Beschäftigten leicht und unverzüglich bemerkt werden, z. B. durch automatisch wirkende optische und akustische Alarmierung.
(6) Werden Tätigkeiten mit Gefahrstoffen von einem Beschäftigten außerhalb von Ruf- und Sichtweite zu anderen Beschäftigten ausgeführt, hat der Arbeitgeber im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen, ob ggfs. zusätzliche Schutzmaßnahmen notwendig sind um die Erste Hilfe bei Notfällen sicher zu stellen. Mögliche zusätzliche Schutzmaßnahmen können z. B. geeignete technische oder organisatorische Meldesysteme wie Personennotsignalanlage, Kontrollanrufe, ggf. kurzzyklische Kontrollgänge, ggfs. Videoüberwachung usw. sein. Dies kann auch bedeuten, dass bestimmte Tätigkeiten nicht von einer Person alleine ausgeführt werden dürfen (siehe DGUV Regel 112-139, DGUV Information 212-139 und in der DGUV Leitlinie "Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen bei gefährlichen Alleinarbeiten").
(7) Wird die Arbeitskleidung verunreinigt und dadurch eine Gefährdung für den Beschäftigten oder Dritte hervorgerufen, ist die Arbeitskleidung unverzüglich zu wechseln. Der Arbeitgeber hat eine sichere Reinigung bzw. Entsorgung dieser Kleidung ohne Belastung Dritter zu gewährleisten.
(8) Reichen die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 6 nicht aus, ist die Ausbreitung bzw. Verschleppung von Gefahrstoffen in andere Arbeits- oder Betriebsbereiche zu minimieren bzw. zu verhindern. In Abhängigkeit des Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung können dies Maßnahmen von der räumlichen Abtrennung bis hin zu Schwarz-Weiß-Bereichen sein.
(9) Besteht trotz Ausschöpfung von Substitutionsmöglichkeiten, technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen eine Gefährdung für die Beschäftigten ist vor der Aufnahme der Tätigkeiten geeignete persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen.
(10) Es darf nur mit dem EU-Recht konforme persönliche Schutzausrüstung eingesetzt werden (siehe Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstungen).
(11) Beschäftigte müssen bereitgestellte persönliche Schutzausrüstungen auf Grundlage der durchgeführten Unterweisung bestimmungsgemäß benutzen, solange eine Gefährdung besteht. Die Dauer wird in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt.
(12) Das Tragen von belastender persönlicher Schutzausrüstung darf keine ständige Maßnahme sein und dadurch technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen ersetzen. Das STOP-Prinzip der Schutzmaßnahmen muss eingehalten werden.
(13) Können aufgrund der Arbeitsprozesse und Tätigkeiten nicht dauerhaft sicher Augengefährdungen ausgeschlossen werden, ist Augenschutz gemäß den Festlegungen in der Gefährdungsbeurteilung zu tragen. Reicht eine Gestellbrille mit Seitenschutz aufgrund besonderer Gefahren nicht aus, sind entsprechend des Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung Sicherheits-Spoggles, Korbbrillen bzw. Gesichtsschutzschirme zu tragen.
(14) Bei kurzzeitigen Expositionsspitzen und daraus resultierenden Gefährdungen für die Beschäftigten ist Atemschutz zu verwenden.
(15) Es muss durch den Arbeitgeber sichergestellt werden, dass die Tragezeitbegrenzung bei Atemschutz und anderer belastender persönlicher Schutzausrüstung eingehalten wird.
(16) Durchbruchzeiten von Handschuhmaterialien sind zu beachten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Durchbruchzeiten temperaturabhängig sind und unter Praxisbedingungen deutlich unter den nach Norm ermittelten Durchbruchzeiten liegen können (siehe hierzu TRGS 401).
(17) Der Arbeitgeber hat die richtige Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung zu unterweisen und die Benutzung erforderlichenfalls üben zu lassen.
(18) Die persönlichen Schutzausrüstungen müssen