3 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

3.1 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

(1) Die Beurteilung der Brandgefährdung ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Arbeitsschutzgesetz und § 7 Gefahrstoffverordnung (siehe auch TRGS 400) durchzuführen.

(2) Die Anlage 1 enthält einen Katalog an Kenntnissen, über den die fachkundige Person – zusätzlich zu den Anforderungen nach Nummer 3.1 der TRGS 400 – bei der Beurteilung der Brandgefährdung verfügen soll. Diese Kenntnisse können auch durch mehrere Personen eingebracht werden.

3.2 Informationsermittlung

3.2.1 Allgemeine Hinweise

(1) Es ist zu ermitteln, ob Tätigkeiten mit brennbaren oder oxidierenden Gefahrstoffen durchgeführt werden oder ob diese bei Tätigkeiten entstehen oder freigesetzt werden.

(2) Im Rahmen der Informationsermittlung sind vor Aufnahme der Tätigkeit folgende Aspekte zu prüfen:

  1. die Möglichkeit der Substitution der brennbaren oder oxidierenden Gefahrstoffe (s. TRGS 600 "Substitution") und
  2. die Möglichkeit einer Verfahrensänderung im Verarbeitungsprozess in Richtung geringerer Gefährdung.

(3) Die Gefährdungsbeurteilung muss alle für die Entstehung, Ausbreitung und Auswirkung eines Brandes relevanten Faktoren berücksichtigen. Gefährdungen für Beschäftigte oder andere Personen ergeben sich insbesondere aus Rauch, weiteren (toxischen) Brandfolgeprodukten, Wärme sowie dem Versagen von Bauteilen.

(4) Zur Beurteilung der Brandgefährdung muss ermittelt werden, an welchen Orten, in welchen Mengen und in welchem Zustand brennbare oder oxidierende Gefahrstoffe vorhanden sind oder entstehen können. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

  1. vorhandene Gefahrstoffe und deren gefährliche Eigenschaften, die Brandausbreitung in der Anfangsphase, die auftretenden Brandfolgeprodukte, z. B. Partikel, Rauchgase sowie Brandrückstände,
  2. eingesetzte Arbeitsmittel einschließlich Anlagen,
  3. die Betriebsweise von Anlagen,
  4. Arbeitsverfahren mit offener Flamme oder hohen Temperaturen,
  5. bauliche, örtliche und betriebliche Gegebenheiten,
  6. Arbeitsbedingungen, -organisation und -umgebung und
  7. mögliche Wechselwirkungen.

(5) Die Beurteilung ist unter Berücksichtigung der verschiedenen Betriebszustände durchzuführen. Maßnahmen sind erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei sind insbesondere folgende Betriebszustände zu berücksichtigen:

  1. Normalbetrieb einschließlich aller dazugehörigen Tätigkeiten von Beschäftigten oder anderen Personen,
  2. In- und Außerbetriebnahme von Anlagen oder Arbeitsmitteln,
  3. Betriebsstörungen,
  4. vorhersehbarer nicht bestimmungsgemäßer Betrieb (z. B. zu erwartende Fehlanwendung von Arbeitsmitteln).

(6) Betriebszustände, welche gesonderte Maßnahmen erforderlich machen, sind stets getrennt zu beurteilen, z. B.

  1. Instandhaltung (Wartung, Inspektion, Instandsetzung, Verbesserung) und
  2. In- und Außerbetriebnahme von Sicherheitseinrichtungen.

(7) Zusätzlich zu berücksichtigende Aspekte sind z. B.

  1. Anwesenheit und Anzahl von Beschäftigten oder anderen Personen, insbesondere nicht mit den örtlichen Gegebenheiten vertraute Personen,
  2. Zugänglichkeit für andere Personen sowie unbefugter Zugriff,
  3. in der Mobilität oder in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkte Personen,
  4. besondere Arbeitsbedingungen (lange oder unübersichtliche Fluchtwege, Arbeiten auf Gerüsten),
  5. Hilfsfrist und vorhandene Ausrüstung der Feuerwehr.

3.2.2. Ermittlung relevanter Kenngrößen/Eigenschaften

(1) Es sind Informationen über die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften der vorhandenen brennbaren oder oxidierenden Gefahrstoffe und deren Beurteilung hinsichtlich der Brandgefährdung zu beschaffen. Sicherheitstechnische Kenngrößen können u. a. Sicherheitsdatenblättern entnommen werden. In Einzelfällen kann eine besondere Untersuchung notwendig sein.

(2) Bei der Bewertung sicherheitstechnischer Kenngrößen ist zu berücksichtigen, dass abhängig vom Prüfverfahren abweichende Umgebungsparameter zugrundeliegen können.

3.2.3 Ermittlung von Zündquellen

(1) Es ist zu ermitteln, welche relevanten Zündquellen vorhanden sind oder vorhanden sein können oder durch nicht bestimmungsgemäße Betriebszustände entstehen und ob diese unter den gegebenen Bedingungen wirksam werden können.

(2) Es sind Zündquellen durch die Einwirkung von:

  1. Wärmeenergie,
  2. elektrischer Energie,
  3. mechanischer Energie,
  4. chemischer Energie

zu betrachten. Beispiele für bekannte wirksame Zündquellen sind in Anlage 2 aufgeführt. Siehe hierzu auch TRBS 2152 Teil 3 und TRBS 2153.

3.2.4 Berücksichtigung genehmigungsrechtlicher und sonstiger Anforderungen

Im Rahmen der Informationsermittlung sind zu berücksichtigen:

  1. bauordnungsrechtliche Anforderungen hinsichtlich des vorbeugenden und des abwehrenden Brandschutzes,
  2. bereits vorhandene Brandschutzmaßnahmen oder ggf. vorhandene Maßnahmen aus Brandschutzgutachten und Brandschutzkonzepten gemäß der Baugenehmigung oder anderen Genehmigungen,
  3. ggf. vorhandene Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, § 6 GefStoffV und § 3 BetrSichV, z. B. Explosionsschutzdokumente gemäß § 6 BetrSichV,
  4. ggf. vorhandene Sicherheitsberichte gemäß § 9 Störfallverordnung,
  5. ggf. vorhandene Schutzmaßnahmen aufgrund weitergehender Schutzziele, z. B. zum Umweltschutz bzw. zum Schutz von Sachwerten bzw. vor Betriebsunterbrechungen.

3.3 Beurteilung der Brandgefährdung

(1) Die Brandgefährdung muss beurteilt werden, wenn brennbare oder oxidierende Gefahrstoffe in den zu beurteilenden Bereichen bei den zu beurteilenden Betriebszuständen vorhanden sein können. Soweit eine Explosionsgefährdung möglich ist, ist diese nach den einschlägigen Regelwerken zu beurteilen.

(2) Die Höhe der Brandgefährdung ist vorwiegend abhängig von

  1. den physikalisch-chemischen Eigenschaften und sicherheitstechnischen Kenngrößen der brennbaren Gefahrstoffe
    1. z. B. für Feststoffe/Stäube: Mindestzündtemperatur einer Staubschicht (Glimmtemperatur), Schwelpunkt, Selbstentzündungstemperatur, Brennzahl, Zündtemperatur;
    2. z. B. für Flüssigkeiten: Flammpunkt, Brennpunkt, Zündtemperatur;
    3. z. B. für Gase: Entzündlichkeit (Brennbarkeit), Explosionsgrenzen, Mindestzündenergie, Verbrennungsgeschwindigkeit),
  2. deren Menge, Dispersionsgrad (z. B. Holzscheit/Holzspäne) und Verteilung,
  3. der Wirksamkeit der Zündquelle,
  4. den physikalischen Randbedingungen (z. B. Temperatur, Luftströmungen, Luftfeuchtigkeit, Raumvolumen, Raumfläche, Raumhöhe) und sonstigen Randbedingungen (z. B. Oberflächenstrukturen, Dochteffekte).

(3) Normale Brandgefährdung liegt vor, wenn eingestufte brennbare oder oxidierende Gefahrstoffe in nur geringer Menge vorhanden sind, die Wahrscheinlichkeit einer Brandentstehung, die Geschwindigkeit der Brandausbreitung und die damit verbundene Gefährdung von Beschäftigten und anderen Personen durch Rauch oder Wärme vergleichbar gering sind wie z.B. bei einer Büronutzung1.

(4) Hohe Brandgefährdung liegt vor, wenn brennbare oder oxidierende Gefahrstoffe in nicht nur geringer Menge vorhanden sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Brandentstehung zu rechnen ist, und eine schnelle und unkontrollierbare Brandausbreitung oder eine große Rauch- oder Wärmefreisetzung zu erwarten ist. Hohe Brandgefährdung kann z. B. vorliegen in Arbeitsbereichen bei:

  1. Petrochemischen Anlagen,
  2. Anlagen zur chemischen Synthese,
  3. Prozessen mit und Lagerung von Gefahrstoffen mit erhöhten Gefahren der Selbstentzündung,
  4. Galvaniken,
  5. Leichtmetallverarbeitung,
  6. Druckereien,
  7. Reifenherstellung, Gummiverarbeitung,
  8. Spanplattenwerken,
  9. Sägewerken,
  10. Furnierwerken,
  11. Textilbetrieben,
  12. Mühlen,
  13. Asphaltherstellung,
  14. Lackieranlagen und Lacktrockner, die mit brennbaren Lösemitteln betrieben werden,
  15. Reinigungsanlagen, die mit brennbaren Lösemitteln arbeiten,
  16. größeren Friteusen und Fettbackgeräten zur gewerblichen Verwendung,
  17. Wärmeträgerölanlagen,
  18. Lager für brennbare oder oxidierende Gefahrstoffe in nicht nur geringer Menge,
  19. Tätigkeiten mit brandfördernden, leicht entzündlichen, hochentzündlichen oder selbstentzündliche Gefahrstoffen in nicht nur geringer Menge in geschlossenen Räumen, insbesondere dann, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe von Menschen befinden oder
  20. Baustellen mit Feuerarbeiten unter besonderen örtlichen und betrieblichen Bedingungen.

(5) Erhöhte Brandgefährdung liegt dann vor, wenn ein Kriterium der normalen Brandgefährdung nicht erfüllt ist oder nicht alle Kriterien für die hohe Brandgefährdung erfüllt sind.

(6) Entsprechend der ermittelten Brandgefährdung müssen Maßnahmen gemäß Nummer 4 abgeleitet werden.

 


1 Die Wahrscheinlichkeit einer Brandentstehung, die Geschwindigkeit der Brandausbreitung und die damit verbundene Gefährdung von Beschäftigten und anderen Personen durch Rauch oder Wärme wird auch durch den Begriff Brandpotenzial beschrieben.