Bestehen auf Grund der Gefährdungsermittlung Gefährdungen des Körpers, der Hände und/oder Arme der Versicherten durch Stiche oder Schnitte und ist es nicht möglich, diese vorrangig durch technische oder organisatorische Maßnahmen zu beseitigen, müssen den gefährdeten Personen nach § 3 Arbeitsschutzgesetz durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin geeignete persönliche Schutzausrüstungen in Form von Stechschutzbekleidungen, Stechschutzhandschuhen, Armschützern, Stulpen oder Kombinationen dieser Schutzausrüstungen zur Verfügung gestellt werden.
Im Sinne von § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz ist das Benutzen der persönlichen Schutzausrüstungen vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin anzuordnen und zu überwachen.
Zweckmäßigerweise sollte die Tragepflicht bereits im Arbeitsvertrag verankert und durch eine Betriebsanweisung geregelt werden.
Vor der Auswahl und der Benutzung von Stechschutzbekleidung, Stechschutzhandschuhen, Stulpen oder Armschützern hat die Unternehmerin oder der Unternehmer nach §§ 4 und 5 Arbeitsschutzgesetz eine Beurteilung der Arbeits- und Einsatzbedingungen durchzuführen, die insbesondere beinhaltet:
Eine Gefährdung durch Schnitt- oder Stichverletzungen ist nicht unbedingt an bestimmte Tätigkeiten oder an Berufe gebunden, sondern dann vorhanden, wenn mit Schnitt- oder Stichverletzungen zu rechnen ist. Typische Gefährdungen und Schutzmaßnahmen können der Checkliste im Anhang 1 entnommen werden.
Mit Stich- oder Schnittverletzungen ist beispielsweise bei folgenden Tätigkeiten zu rechnen:
Erhöhte Gefährdungen bestehen z. B. durch:
Die Benutzung des jeweiligen Schnitt- oder Stechschutzes richtet sich nach der Art der Gefährdungen. Diese sind zwar ihrer Art nach bekannt, unbekannt ist jedoch, wann sie tatsächlich auftreten. Schnitt- oder Stechschutz ist deshalb vorbeugend immer dann zu benutzen, wenn eine Gefährdung nach menschlichem Ermessen nicht ausgeschlossen werden kann und es zum Schutz des Arbeitenden keine technischen und organisatorischen Lösungen gibt. Der Unternehmer oder die Unternehmerin ist daher verpflichtet, für diese Tätigkeiten eine Risikobewertung durchzuführen.
Abb. 1 CE-Kennzeichnung, Schnittschutz- und Stechschutzpiktogramm
Kommt die Risikobewertung zu dem Schluss, dass das Tragen von PSA für die Tätigkeit erforderlich ist, gilt es, die geeignete Schnitt- oder Stechschutzausrüstung zu wählen. Diese muss den einschlägigen harmonisierten Normen (siehe Anhang 3) entsprechen, da dann davon ausgegangen werden kann, dass eine ausreichende Schutzwirkung gewährleistet ist. Grundsätzlich darf nach § 2 Abs. 1 der PSA-Benutzungsverordnung nur Schnitt- oder Stechschutz eingesetzt werden, der die erforderliche CE-Kennzeichnung trägt. Das bedeutet, dass diese Ausrüstung einer EG-Baumusterprüfung unterzogen wurde und eine Konformitätserklärung der Herstellfirma vorliegt (siehe Abschnitt 3.1.5.1). Unternehmer und Unternehmerinnen bzw. ihre Beauftragten haben nach § 2 PSA-Benutzungsverordnung eine Bewertung des vorgesehenen Schnitt- oder Stechschutzes vorzunehmen, um festzustellen, ob dieser
Abb. 2 Handschuhe mit CE-Kennzeichnung auf Etikett bzw. Plakette
Der Unternehmer oder die Unternehmerin hat dafür zu sorgen, dass für jeden Versicherten ein eigener Schnitt- oder Stechschutz zur alleinigen Benutzung zur Verfügung steht.
Unterschiedliche Anforderungen, Arbeiten, Umgebungsbedingungen oder individuelle Bedürfnisse der Benutzenden müssen bei der Auswahl der geeigneten Stechschutzbekleidungen berücksichtigt werden, um das nach der Bewertung ermittelte Schutzziel zu erreichen.
Stechschutzhandschuhe aus Metallringgeflecht schützen die materialhaltende Hand bis zum Handgelenk gegen unbeabsichtigte Stiche. Im Normalfall sind sie in sechs Größen von XXS-XL erhältlich. Je nach Herstellfirma und Produkt sind sie in Links- und Rechtsausführung erhältlich oder durch Wenden des Handschuhs für beide Hände geeignet.
Abb. 3 Handschuhe unterschiedlicher Größe (siehe auch Abschnitt 3.1.7) Größen und Farbkennzeichnungen: XXS/Braun, XS/Grün, S/Weiß, M/Rot, L/Blau, XL/Orange
Stechschutzhandschuhe mit kurzen Stulpen sind Handschuhe aus Schutzmaterial mit dauerhaft befestigten, jedoch flexiblen Stulpen, die in Längsrichtung (A) (siehe Abbildung 4: Stechschutzhandschuh mit kurzer Stulpe) mindestens 75 mm (gestauchter Zustand der Stulpe) über das Handgelenk zum Unterarm hin fortgesetzt werden und somit zusätzlich Schutz für diesen Bereich des Unterarms bieten.
Abb. 4 Stechschutzhandschuh mit kurzer Stulpe
Stechschutzhandschuhe mit langen Stulpen (mind. 200 mm Länge) sind Handschuhe aus Schutzmaterial mit dauerhaft befestigten, jedoch flexiblen Stulpen, die den Unterarm bis zu einem Punkt bedecken, der einen Abstand C (maximal 75 mm) zur Ellenbeuge aufweist, wenn Ober- und Unterarm im Winkel von 90° zueinander stehen (siehe Abbildung 5: Stechschutzhandschuh mit langer Stulpe) und somit zusätzlich Schutz für diesen Bereich des Unterarms bieten. Hinsichtlich der Ergonomie ist bei der Auswahl der langen Stulpe darauf zu achten, dass sie die Anwenderinnen und Anwender durch Druck in der Armbeuge oder am Handgelenk nicht in ihrer Bewegung einschränkt.
Abb. 5 Stechschutzhandschuh mit langer Stulpe
Abb. 6 Stechschutzhandschuh mit langer bzw. kurzer Stulpe
Stechschutzhandschuhe mit steifen Stulpen sind persönliche Schutzausrüstungen, bei denen Handschuh und Stulpe aus unterschiedlichen Schutzmaterialien, sogenannte Kombinationen, wie Kunststoff und Metallgeflecht, bestehen. Die Stulpen sind an den kompatiblen Stechschutzhandschuhen dauerhaft oder lösbar befestigt (siehe Abbildung 7).
Abb. 7 Kombination von Handschuh und steifer Stulpe
Armschützer sind Armbedeckungen aus Schutzmaterial, die den Unterarm und den Oberarm (einschließlich oder ausschließlich des Schultergelenkes) bedecken. Auch die Verwendung von Kettenhemden und Kasackstechschutzschürzen mit fest angebrachten langen Schutzärmeln bis zum Handgelenk ist als Armschutz möglich.
Abb. 8 Gegenüberstellung von Stechschutzhandschuh mit steifer Stulpe (Kombination) und Stechschutzhandschuh mit langer Stulpe
Abb. 9 Stechschutzhandschuh mit Armschutz (Größenangabe durch Farbband)
Für spezielle Tätigkeiten oder Anforderungen gibt es auf dem Markt Sonderformen von Stechschutzhandschuhen. Zu nennen sind hierzu:
Abb. 10 Stechschutzhandschuh mit oberarmlangem Armschutz und Tragesystem
Abb. 11 Daumen-Schnittschutz, z. B. für Schälarbeiten
Stechschutzbekleidung, wie z. B. Stechschutzschürzen, -hosen oder -hemden, bedecken mindestens die Vorderseite des Körpers von der Brust oder dem Hals bis zu den Beinen. Sie ist typischerweise aus Metallschuppenplättchengewebe oder Metallringgeflecht hergestellt.
Abb. 12 Metallgeflechthandschuhe mit rutschhemmenden Noppen auf der Handfläche
Das Schuppenplättchengewebe bietet einen vollflächigen Schutz fast ohne Zwischenraum. Voraussetzung dafür ist, dass die Schürze so getragen wird, dass die Plättchen auf der Gefährdungsseite wie Dachziegel übereinander liegen.
Wird die Schürze nicht nach Herstellfirmenvorgaben getragen, z. B. mit der Innenseite nach außen, steigt das Verletzungsrisiko deutlich, weil das Messer das Schuppenplättchengewebe in den Zwischenräumen durchdringen kann (vgl. Abbildung 31: Extrem spitze Messer durchdringen das Schutzgewebe (rot), spitze Messer werden durch das Schutzgewebe zurückgehalten (grün)). Auch beidseitig verwendbare Schuppenplättchenschürzen, wie in Abbildung 13 rechts dargestellt, sind erhältlich. Schürzen aus Schuppenplättchengewebe sind nicht so beweglich wie Schürzen aus Metallringgeflecht. Bei nur einseitig verwendbaren Schürzen ist die Außenseite gekennzeichnet (vgl. Abbildung 14).
Abb. 13 Links: Einseitig verwendbares Schuppenplättchengewebe. Rechts: Schuppenplättchengewebe, bei dem die Schuppen ineinander greifen und das deshalb beidseitig getragen werden kann; die Flexibilität ist im Vergleich zu Ringgeflecht geringer.
Abb. 14 Schürze aus Schuppenplättchengewebe
Im Gegensatz zu Stechschutzhandschuhen und Schürzen aus Schuppenplättchengewebe werden bei Schürzen aus Metallringgeflecht zwei Leistungsklassen unterschieden: Leistungsklasse 1 bezeichnet den reinen Schnittschutz, Leistungsklasse 2 hingegen Schnitt- und Stechschutz. Die Produkte sind daher stets mit entsprechenden Plaketten gekennzeichnet (siehe Abschnitt 3.1.5).
An Geflecht der Leistungsklasse 2 werden höhere Anforderungen an die Durchstich- und Zugfestigkeit gestellt.
Abb. 15 Metallringgeflecht mit verschiedenen Ringdurchmessern
Es besteht daher oft, aber nicht zwangsläufig aus Ringen, mit größerem Durchmesser als bei Leistungsklasse 1. Beiden Leistungsklassen gemeinsam ist, dass extrem spitze Messer nach Abschnitt 2 (vgl. Abbildung 31) das Material durchdringen können und dann zu tiefen Stichwunden führen.
Titanringgeflecht findet neben Stahlringgeflecht Anwendung und führt bei gleicher Schutzwirkung zu Stechschutzbekleidungen, die teilweise 40 % leichter sind als die aus Stahlringgeflecht. Titan besitzt eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Stahlringgeflecht und fühlt sich dadurch wärmer an.
Geteilte Schürzen weisen im unteren Drittel einen Gehschlitz auf und bestehen an dieser Stelle aus sich überlappendem Schutzmaterial. Die Beinabdeckungen sind an jedem Bein fixiert.
Abb. 16 Geteilte Schürze von vorne und mit Fixierung an den Beinen
Boleros oder Kasacks (im weiteren Text nur als Boleros bezeichnet) bedecken die Vorderseite des Körpers vom Hals bis zu den Beinen und die Schultern bis über die Schulterblätter. Boleros werden auch mit einem oder zwei eingesetzten Ärmeln sowie auf Wunsch mit Kapuze angeboten. Boleros mit Ärmeln bestehen oft aus einer Kombination aus Leistungsklasse 1 (Ärmel) und Leistungsklasse 2 (Körper).
Neben der größeren Schutzfläche gegenüber Schürzen bieten Boleros durch die Breite der Schulterauflage und die damit verbundene Gewichtsverteilung besonderen Tragekomfort.
Abb. 17 Bolero – links: Vorderansicht, Mitte: Rückansicht, rechts: Bolero mit Schutzärmel
Stechschutzhemden bedecken die Vorder- und Rückseite des Körpers vom Hals bis zu den Beinen oder der Hüfte und können sowohl mit Ärmeln als auch einer Kapuze versehen sein. Stechschutzhemden sind zum Schutz der Beine mit entsprechenden Hosen kombinierbar.
Abb. 18 Stechschutzhemd mit Metallringgeflechthandschuh mit Stulpe (linke Hand) und Schnittschutzhandschuh (rechte Hand)
Stechschutzhosen bedecken den Unterkörper sowie ganz oder teilweise die Beine. In Kombination mit geeigneten Schürzen, Boleros oder Stechschutzhemden gewährleisten Stechschutzhosen eine Erweiterung der Schutzfläche auf die Beine. Auf Grund ihrer Masse wird die Stechschutzhose mit einem speziellen Hosenträgersystem geliefert.
Abb. 19 Stechschutzhemd mit Haube
Abb. 20 Stechschutzhose
Abb. 21 Die Kombination von Stechschutzhemd und Stechschutzhose bietet einen Rundumschutz von Körper, Armen und Beinen
Bei der Auswahl ist auf die erforderliche CE-Kennzeichnung zu achten. Die CE-Kennzeichnung besteht aus dem Kurzzeichen "CE" (communauté européenne) und ist dauerhaft auf dem Schnitt- und Stechschutz angebracht.
Im April 2016 trat die neue PSA-Verordnung EU 2016/425 in Kraft. Dadurch wurde der Schnitt- und Stechschutz, welcher zuvor der Kategorie 2 angehörte, in zwei unterschiedliche Kategorien aufgeteilt.
Der reine Schnittschutz (Stechschutzbekleidung der Leistungsklasse 1) verbleibt in Kategorie 2. Der Stechschutz (Stechschutzbekleidung der Leistungsklasse 2 und Metallringgeflechthandschuhe) wird voraussichtlich der Kategorie 3 zugeordnet. Die Entscheidung darüber wird in Expertengremien der EU getroffen und steht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der vorliegenden DGUV Regel noch aus.
Für die betreibende Firma könnten sich Änderungen bei der Unterweisung (zusätzliche praktische Übungen) ergeben. Für die Kategorie 2 muss eine EU-Baumusterprüfbescheinigung einer benannten Stelle vorliegen, für Kategorie 3 werden zusätzliche Anforderungen an die Qualitätssicherung der PSA-Herstellfirma gestellt.
Weitere Angaben auf dem Produkt, die nicht zur CE-Kennzeichnung gehören, aber eine eindeutige Identifikation des Produktes ermöglichen sind unter anderem:
Das Stechschutzpiktogramm und der Hinweis auf weitere Informationen der Herstellfirma können auch auf die Verpackung aufgedruckt sein. Dem Produkt müssen beim Kauf weitere Informationen, wie Pflege, Aufbewahrung, Hinweis auf Einsatzbedingungen, besondere Risiken oder Einsatzverbote, beiliegen. Hierauf wird durch ein Buchsymbol mit einem "i" hingewiesen.
Abb. 22 Schnittschutzkennzeichnung (oben links), Stechschutzkennzeichnung (oben mittig), Hinweis auf Herstellfirmeninformationen (oben links), Größenkennzeichnung (unten)
Die Auswahl von Schnitt- und Stechschutzprodukten richtet sich nach der Art der Tätigkeit, der ermittelten Gefährdung und des festgelegten Schutzzieles. Dabei ist aber auch die Akzeptanz durch die Versicherten zu berücksichtigen. Diese hängt ab von Passform, Tragekomfort, Handhabungsaufwand und möglichen Gefährdungen durch unsachgemäßen Einsatz. Hinweise auf entsprechende Gefährdungen ergeben sich bei der Gefährdungsbeurteilung.
Zurzeit werden gegen Stichverletzungen durch Handmesser nur Handschuhe aus Metallringgeflecht angeboten. Abhängig vom zu bearbeitenden Material können diese ohne rutschhemmende Beschichtung, z. B. beim Umgang mit Fleisch und anderen anpassungsfähigen Materialien, oder mit rutschhemmenden Beschichtungen, z. B. Noppen oder Streifen aus Kunststoff, verwendet werden. Letztere eignen sich besonders beim Umgang mit härteren Materialien, z. B. Blechen oder anderen scharfkantigen Teilen.
Bei Schneidetätigkeiten mit Handmessern oder gegebenenfalls auch kraftbetriebenen Messern, z. B. Bandmessern, pneumatisch angetriebene Handmessern, reicht normalerweise ein Handschuh ohne Stulpe aus. Je nach Arbeitsweise kann es auch erforderlich werden, einen Handschuh mit kurzer Stulpe zu verwenden. Dies wird immer dann notwendig sein, wenn Schnitte über den Handbereich hinaus geführt werden.
Bei Arbeiten mit einem Handmesser wird dringend empfohlen, zusätzlich auch die messerführende Hand mit einem schnitthemmenden Handschuh zu schützen, z. B. aus HPPE-Fasern (High Performance Polyethylene) wie Brinix® oder Dyneema®-Strickgewebe mit oder ohne eingewebte Stahlfäden. Es sollten nur Handschuhe mit entsprechender CE-Kennzeichnung und EN 388-Piktogramm (Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken) eingesetzt werden.
Um einen möglichst hohen Schnittschutz sicherzustellen, werden Handschuhe der maximalen Schnittschutzklasse 5 nach EN 388 empfohlen. Die EN 388 berücksichtigt 4 Prüfkriterien:
Die jeweils erreichten Leistungsstufen werden in einem 4-stelligen Code auf dem Handschuhetikett oder dem Handschuh selbst aufgeführt, z. B. 4.5.4.X.
Bei Schnittschutzprüfungen nach ISO 13997 werden bei Hochleistungstextilien zusätzlich oder alternativ die Schnittschutz-Klassen A bis F und ggf. noch P für den "Stoßtest" nach EN 13594 angegeben.
Abb. 23 Piktogramm für Schutz gegen mechanische Risiken
Abb. 24 Schnitthemmender Handschuh an messerführender Hand, Metallringgeflechthandschuh an der materialhaltenden Hand
X bedeutet hier, dass schnitthemmende Handschuhe aus den genannten Strickgeweben keinen Schutz gegen Stiche bieten. Der Vorteil dieser Handschuhe liegt darin, dass das Abrutschen der Hand auf die Messerklinge nicht zu schwerwiegenden Verletzungen führen kann.
Kurze Stulpen verlängern den Schutzbereich vom Handschuh über das Handgelenk, lange Stulpen über das Handgelenk bis in die Nähe der Armbeuge. Sie müssen immer dann gewählt werden, wenn das Messer in Richtung des Handgelenks bzw. des Armes geführt wird. Klassische Tätigkeiten dafür sind z. B. Arbeiten in der Fleischzerlegung. Eine Gefährdungsermittlung kann ergeben, dass auch beim Umgang mit Blechen und anderen scharfkantigen Teilen das Tragen von Armschützern erforderlich ist.
Mittlerweile werden auch Stechschutzhandschuhe mit Armschützern angeboten, die an der Kleidung des Benutzers oder der Benutzerin in Schulternähe befestigt werden können oder über ein geeignetes Tragesystem verfügen (siehe Abb. 10 Stechschutzhandschuh mit oberarmlangem Armschutz und Tragesystem).
Alternativ zum Armschutz können auch Metallringgeflechthemden mit Ärmeln, welche bis zum Handgelenk reichen, getragen werden. Bei Überkopfarbeiten sind die Ärmel gegen Verrutschen zu sichern. Soweit gleichzeitig Stechschutzhandschuhe getragen werden müssen, muss eine lückenlose Abdeckung des zu schützenden Bereichs, z. B. durch Überlappung oder Anknöpfen, gewährleistet sein.
Stechschutzschürzen bieten keinen umfassenden seitlichen Schutz und sind daher nur dann einzusetzen, wenn Gefährdungen ungeschützter Körperteile, z. B. durch benachbarte oder eigene Arbeiten, nicht zu erwarten sind. Bei Schneidetätigkeiten mit Handmessern oder auch kraftbetriebenen Handmessern, z. B. Bandmessern, pneumatischen, handgeführten Messern, reicht normalerweise eine Schürze der Leistungsklasse 1 aus. Je nach Arbeitsweise kann es auch erforderlich werden, eine Schürze der Leistungsklasse 2 zu verwenden. Dies wird immer dann notwendig sein, wenn Schnitte und Stiche arbeitsbedingt zum Körper hin geführt werden.
Die für die Benutzerin oder den Benutzer geeigneten Maße der Stechschutzschürze werden wie folgt ermittelt, wobei die Herstellfirmenangaben immer Größenbereiche (Minimum – Maximum) angeben.
Tabelle 2
Ermittlung der Idealmaße der Stechschutzschürze
Breite | Brust- oder Bauchumfang [cm] x 0,45 (das größere Maß gilt) |
Länge | Körpergröße [cm] x 0,42 |
Beispiel:
Bauchumfang
117 cm x 0,45 = 52,7 ≅ 53 cm Breite,
Körpergröße
180 cm x 0,42 = 75,6 ≅ 76 cm Länge.
Boleros ergeben einen besseren Tragekomfort als Stechschutzschürzen sowie eine erweiterte Schutzwirkung. So werden auch die oberen Teile des Torsos, wie der gesamte Lungenbereich, die Schultern bis einschließlich der Schulterblätter, geschützt.
Boleros mit Ärmeln eignen sich für Arbeiten, bei denen Verletzungsgefahren für einen oder beide Arme bestehen. Dabei ist zu beachten, dass die Ärmelenden so am Handgelenk und ggf. am Arm fixiert werden können, dass von ihnen keine zusätzlichen Gefahren ausgehen.
Eine genaue Größenbestimmung des Trägers oder der Trägerin und die Auswahl des zur ermittelten Größe passenden Boleros ist wichtig, da zu eng gewählte Modelle den Brustkorb einengen und die Beweglichkeit und Atmung behindern würden.
Typische Tätigkeiten für den Einsatz von Boleros sind z. B. Arbeiten in der Fleischzerlegung (hängende Zerlegung und andere). Eine Gefährdungsermittlung kann ergeben, dass auch beim Umgang mit Blechen und anderen scharfkantigen Teilen das Tragen von Boleros gegebenenfalls mit Ärmeln oder separat zu tragenden Armschützern erforderlich ist.
Sobald nicht nur die Vorderseite des Körpers, sondern auch der Rücken geschützt werden muss, ist der Einsatz von Stechschutzhemden zu erwägen. Typische Einsatzbereiche von Stechschutzhemden sind:
Bei Überkopfarbeiten kann ein Stechschutzhemd mit Kapuze erforderlich werden. Da das Stechschutzhemd kürzer als Schürze oder Bolero ist, muss auf einen ausreichenden Schutz der Beine der oder des Arbeitenden geachtet werden. Dieser Schutz wird in der Regel mit Stechschutzhosen erreicht. Eine Überlappung von Hemd und Hose muss gegeben sein. Auch hier gilt, dass durch geeignete Maßnahmen gewährleistet werden muss, dass lose Enden, besonders an den Ärmeln, fixiert werden.
Bei Arbeiten in stark vorgebeugter oder sitzender Körperhaltung, z. B. bei Holzschnitzarbeiten oder Arbeiten in ausgeprägter Schrittstellung, bei der die Schürze keinen ausreichenden Schutz bietet, werden Stechschutzhosen zusammen mit Stechschutzhemden oder auf Schnitthöhe geteilte Schürzen eingesetzt. Auch bei Arbeiten auf unterschiedlichen Ebenen, z. B. bei Podesten und Stufen, kann eine gegenseitige Schnitt- und Stichgefährdung nicht ausgeschlossen werden, so dass sich der Einsatz von Stechschutzhosen und -hemden empfiehlt. Stechschutzhosen werden mit Hosenträgersystemen getragen.
Die Akzeptanz von persönlichen Schutzausrüstungen hängt entscheidend von der individuellen Passform ab. Metallringgeflechthandschuhe werden in 6 Größen angeboten, die farblich gekennzeichnet sind (siehe Tabelle 3). Trotzdem wird empfohlen, Metallringgeflechthandschuhe nicht allein nach der Größenkennzeichnung, sondern nur nach persönlicher Anprobe zu beschaffen.
Tabelle 3 Größen und Farbkennzeichnungen von Handschuhen und Stulpen
Handschuhgröße | Farbe | Steife Stulpen am Handschuh (Länge B) | Lange Stulpe am Handschuh |
5 | Braun | ||
6 | Grün | 120 mm | 200 mm |
7 | Weiß | ||
8 | Rot | 160 mm |
220 mm |
9 | Blau | 240 mm |
|
10 | Orange | 180 mm |
Die Größen der Schürzen und Boleros variieren je nach Herstellfirma und Produkt. Ob eine Schürze für den jeweiligen Anwendenden geeignet ist, ergibt sich aus den an der Schutzbekleidung befestigten Etiketten.
Maßgebend sind:
Abb. 25 Größenangaben auf den Etiketten von Stechschutzbekleidung
Es wird empfohlen, Stechschutzprodukte nicht allein nach der Größenkennzeichnung, sondern möglichst nach persönlicher Anprobe zu beschaffen. Viele Herstellfirmen bieten auch individuell angepasste Stechschutzbekleidungen an, z. B. für anatomische Besonderheiten oder Über- bzw. Untergrößen.
Der Tragekomfort von Metallringgeflechthandschuhen, die aus einem sehr beweglichen aber unelastischen Geflecht bestehen, ist nur dann gewährleistet, wenn bei der Anprobe der Handschuhe eine Faust gemacht werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass der Handschuh an keiner Stelle drückt, spannt oder den Fingerspitzenbereich unnötig einengt.
Es ist sinnvoll beim Arbeiten mit kaltem und feuchtem Material direkt auf der Haut einen Baumwollhandschuh, darüber einen Polyethylenhandschuh oder einen aus einem anderen feuchtigkeitsundurchlässigen Material bestehenden Handschuh und darauf den Metallringgeflechthandschuh zu tragen. In dieser Kombination muss der Handschuh bei geöffneter Hand an den Fingerspitzen und der Handfläche leicht durchhängen, damit der Faustschluss nicht behindert wird.
Handschuhe aus Titanringgeflecht bieten einen besseren Tragekomfort (Temperaturempfinden, Gewicht, geringeres allergisches Potential).
Fixiergummis, die über mehrere Finger bis zum Handgelenk gespannt sind, werden eingesetzt, um das Spiel des Handschuhs an der Hand und den Fingerspitzen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Sie halten das Gewebe elastisch zurück und geben leicht nach, so dass die Beweglichkeit nicht beeinträchtigt wird (siehe Abbildung 26: Einsatz von Fixiergummis).
Abb. 26 Einsatz von Fixiergummis
Der Verschluss an Metallringgeflechthandschuhen ist so aufgebaut, dass eine praktisch stufenlose Anpassung an die anatomischen Gegebenheiten der Benutzenden möglich ist.
Drei Verschlusssysteme sind derzeit üblich:
Abb. 27 Metallringgeflechthandschuh mit Druckknopfverschluss
Abb. 28 Federverschluss
Abb. 29 Metallringgeflechthandschuh mit Hakenverschluss
Der Tragekomfort von Stechschutzschürzen, die aus einem sehr beweglichen aber unelastischen Geflecht bestehen, ist nur dann gewährleistet, wenn die Schürzenhalterungen (Schultergurte und Hüftgurte) richtig sitzen und auf den Benutzer oder die Benutzerin eingestellt sind.
Schürzenhalterungen müssen mindestens 35 mm breit und für Anwendungen in der Nahrungsmittelwirtschaft leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein. Das Tragen der Gurte (Breite mind. 25 mm) ist notwendig, um die Schürze am Körper zu fixieren (siehe auch Abbildung 30).
Abb. 30 Schürzenhalterungen druckfrei und am Körper anliegend eingestellt
Die Versicherten haben nach § 15 Arbeitsschutzgesetz Schnitt- oder Stechschutz bestimmungsgemäß zu benutzen.
Die bestimmungsgemäße Benutzung und besonders die Einsatzbeschränkungen ergeben sich aus der Gebrauchsanleitung der Herstellfirma.
Die Versicherten sind nach § 16 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, festgestellte Beschädigungen an persönlichen Schutzausrüstungen dem Unternehmer oder Unternehmerin, oder seinem Beauftragten unverzüglich zu melden.
Nach § 2 Abs. 4 der PSA-Benutzungsverordnung hat die Unternehmerin oder der Unternehmer für Ersatz Sorge zu tragen.
Beim Einsatz extrem spitzer Messer ist der Schutz vor Stichverletzungen auch bei Benutzung von Stechschutzprodukten nicht mehr gewährleistet. Sie dürfen deshalb nicht bei Arbeiten verwendet werden, bei denen der Stich oder Schnitt zum Körper oder zur Hand hin geführt wird.
Abb. 31 Extrem spitze Messer durchdringen das Schutzgewebe (rot), spitze Messer werden durch das Schutzgewebe zurückgehalten (Grün)
Die Gebrauchsdauer ist – wenn in der Gebrauchsanleitung nichts Anderes festgelegt wurde – vom Zustand des Schnitt- und Stechschutzes abhängig. Beschädigte Stechschutzprodukte sind der Benutzung zu entziehen.
Eine fachkundige Instandsetzung ist in der Regel bei der Herstellfirma möglich.
Persönliche Schutzausrüstungen sind in regelmäßigen Abständen, in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben nach Absprache mit dem für Hygiene Verantwortlichen, zu reinigen. Bei der Reinigung ist nach den Angaben der Herstellfirma zu verfahren. Die Reinigungsintervalle sind in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben nach Vorgaben des für die Hygiene Verantwortlichen durchzuführen.
Chemische Reinigungsmittel und Desinfektionsmittel dürfen keinesfalls die Schutzwirkung der Ausrüstungen schwächen oder die Gesundheit der Benutzerin oder des Benutzers beeinträchtigen. Reiniger mit Chlor und/oder Säure in hoher Konzentration können Spannungskorrosion verursachen und das Ringgeflecht schädigen. Lange Einwirkungszeiten verstärken den Effekt.
Unzweckmäßig ist z. B. das Aufschlagen der Stechschutzprodukte auf harte Gegenstände oder die Reinigung mit Chemikalien, die entweder das Material angreifen oder nicht rückstandsfrei ausgewaschen werden können. In vielen Fällen dürfen keine chlorhaltigen Mittel verwendet werden!
Entsprechende Beschränkungen sind der Betriebsanleitung der Herstellfirm zu entnehmen.
Der Unternehmer oder die Unternehmerin hat nach § 3 der PSA-Benutzungsverordnung und § 31 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" die Benutzer und Benutzerinnen von Schnitt- oder Stechschutz vor der ersten Benutzung und danach in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch einmal jährlich, mit praktischen Übungen zu unterweisen. Die Unterweisung sollte mindestens beinhalten:
Detaillierte Hinweise ergeben sich auch aus der Gebrauchsanleitung der Herstellfirma. In der Praxis hat es sich als zweckmäßig erwiesen, sich die Unterweisung der Versicherten zu diesem Thema schriftlich bestätigen zu lassen. Die Unterweisung hat bei Jugendlichen nach § 29 Jugendarbeitsschutzgesetz mindestens halbjährlich zu erfolgen.
Die Versicherten haben den ordnungsgemäßen Zustand des Schnitt- oder Stechschutzes vor Aufnahme ihrer Tätigkeit auf erkennbare Mängel zu prüfen. Bei erkannten Mängeln sind die persönlichen Schutzausrüstungen den verantwortlichen Vorgesetzten auszuhändigen, die die sachgerechte Instandsetzung veranlassen (siehe Abschnitt 3.3.4). Beschädigter oder mangelhafter Schnitt- oder Stechschutz darf nicht weiter benutzt werden. Über die Mängel ist der Unternehmer oder die Unternehmerin zu informieren.
Typische Beschädigungen sind z. B.:
Defekter Schnitt- oder Stechschutz ist den verantwortlichen Vorgesetzten zur weiteren Veranlassung auszuhändigen (siehe Abschnitt 3.3.4).
Abb. 32 oben: Durchstichtiefe von vorschriftsmäßigem Messer (siehe Tabelle 1) bei intaktem Gewebe.
Mitte: Durchstichtiefe bei einem einzelnen fehlenden Ring.
Unten: extrem spitzes Messer (unzulässig) bei einem fehlenden Ring.
Schnitt- und Stechschutzprodukte sind gemäß Gebrauchsanleitung der Herstellfirma zu reinigen und zu pflegen. Sie werden nach der Reinigung an einem gut belüfteten Ort zum Trocknen aufgehängt.
Schnitt- oder Stechschutzprodukte sind nach der Gebrauchsanleitung der Herstellfirma aufzubewahren. Im Allgemeinen erfolgt die Aufbewahrung unbenutzter Ausrüstungen bis zum Einsatz in der Originalverpackung.
Der Unternehmer oder die Unternehmerin hat nach § 2 der PSA-Benutzungsverordnung für einen ordnungsgemäßen Zustand des Schnitt- oder Stechschutzes zu sorgen. Er hat die erforderliche Instandhaltung und den Austausch von Schnitt- oder Stechschutz zu gewährleisten. Dabei ist er auf die Mithilfe der Verwender oder Verwenderin angewiesen.
Beschädigte Schnitt- und Stechschutzausrüstungen können, abhängig vom Umfang der Beschädigungen, bei der Herstellfirma repariert werden, die bei dieser Gelegenheit auch gleich den Gesamtzustand der Ausrüstung beurteilt. Häufig übernimmt auch der Handel die Einsendung der Ausrüstungen zur Instandsetzung. Adressen der Herstellfirmen sind in Anhang 2 aufgeführt bzw. der dem Produkt beiliegenden Gebrauchsanleitung zu entnehmen.