Anhang 3: Nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden der Exposition

A3.1 Einleitung

(1) Unter nichtmesstechnischen Ermittlungsmethoden werden insbesondere

  1. Handlungsempfehlungen oder Hilfestellungen Dritter oder gleichwertige Dokumente und Berichte einschließlich Ermittlungsergebnisse vergleichbarer Arbeitsplätze oder Tätigkeiten,
  2. Control Banding-Ansätze und Expositionsmodelle sowie
  3. Rechenmodelle

verstanden.

(2) Die Anforderungen der TRGS 400 Anhang 2 sind von allen nichtmesstechnischen Ermittlungsmethoden sinngemäß zu erfüllen.

(3) Bevorzugt sind qualitätsgesicherte nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden einzusetzen.

(4) Nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden sind qualitätsgesichert, wenn sie

  1. von anerkannten Gremien geprüft und verabschiedet wurden, z. B.
    a) Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS),
    b) Projektgruppe Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger,
    c) Arbeitskreis der Ländermessstellen für chemischen Arbeitsschutz (ALMA)/Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) oder
  2. von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) oder anderen anerkannten Stellen (z. B. ECETOC8, TNO9) veröffentlicht wurden,
  3. nach Validierungsstudien in peer-reviewed Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, wie z. B. ETEAM [29] oder Spinazzé et al. [30],
  4. auf der Grundlage von Arbeitsplatzmessungen gemäß dieser TGRS oder Gefährdungsbeurteilungen nach TRGS 400 für vergleichbare Arbeitsbereiche und Tätigkeiten oder auf vergleichbaren Vorgehensweisen beruhen.

(5) Zu qualitätsgesicherten nichtmesstechnischen Ermittlungsmethoden gehören z. B.

  1. Handlungsempfehlungen oder Hilfestellungen Dritter oder gleichwertige Dokumente und Berichte, die nach den Vorgaben dieser TRGS erstellt wurden und den Anforderungen gemäß TRGS 400, Anhang 2 entsprechen,
  2. übertragbare Gefährdungsbeurteilungen vergleichbarer Arbeitsplätze oder Tätigkeiten und
  3. Control Banding-Ansätze, Expositionsmodelle und Rechenmodelle, wenn sie durch unabhängige Messungen überprüft und bestätigt wurden.

(6) Bei der Anwendung nichtmesstechnischer Ermittlungsmethoden muss der Einfluss der relevanten Randbedingungen und deren Variation auf das Ermittlungsergebnis beurteilt und dokumentiert werden.

(7) Nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden müssen als Ergebnis einen Konzentrationswert oder einen Konzentrationsbereich für den betrachteten Arbeitsbereich oder die Tätigkeit liefern, der die Höhe der Exposition angibt. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses muss ein Befund gemäß Abschnitt 5.3.4 dieser TRGS ableitbar sein.

A3.2 Allgemeine Anforderungen an nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden und deren Anwendung

(1) Die nichtmesstechnische Ermittlungsmethode muss auf der Grundlage von Arbeitsplatzmessungen oder vergleichbaren Messungen entwickelt worden sein. Dieses muss in angemessener Form dokumentiert sein. Dazu gehören u. a.:

  1. Angaben zum Anwendungsbereich und Anwendungsgrenzen,
  2. Angaben zu den zugrundeliegenden Annahmen,
  3. Angaben zu den zugrundeliegenden Messdaten,
  4. Angaben zur Herkunft der nichtmesstechnischen Ermittlungsmethode,
  5. ein Leitfaden zur Vorgehensweise bzw. Bedienungshandbuch, insbesondere mit Angaben zu den zu erhebenden Parametern und Randbedingungen.

(2) Die nichtmesstechnische Ermittlungsmethode darf persönliche Schutzausrüstung bei der Ermittlung der Expositionshöhe nicht berücksichtigen.

(3) Die nichtmesstechnische Ermittlungsmethode ist so zu beschreiben, dass ihre Ergebnisse nachvollzogen und auf Plausibilität geprüft werden können.

(4) Nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden müssen Informationen bezüglich der Anwendbarkeit sowohl für kurzzeitige (Kurzzeitwerte) als auch länger andauernde Expositionen (Schichtmittelwerte) enthalten.

(5) Bei Anwendung einer nichtmesstechnischen Ermittlungsmethode ist zu prüfen, ob diese für den zu beurteilenden Arbeitsbereich oder die zu beurteilende Tätigkeit einsetzbar ist. Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit (z. B. Tätigkeiten, Stoffe, Aggregatzustand, klimatische Bedingungen) sind zu benennen, sofern diese bekannt sind.10

(6) Bei Anwendung müssen die für die Beschreibung des Arbeitsbereichs oder der Tätigkeit erforderlichen grundlegenden Angaben gemäß Abschnitt 4.2 und vor Ort die für die Verwendung der nichtmesstechnischen Ermittlungsmethode benötigten Parameter und Randbedingungen erhoben und dokumentiert werden.

A3.3 Personelle Anforderungen

Für die Ermittlung und Beurteilung der inhalativen Exposition mittels nichtmesstechnischer Ermittlungsmethoden sind gefahrstoffbezogene und ermittlungsmethodische Kenntnisse in Verbindung mit einer einschlägigen Berufsausbildung oder -erfahrung [31] notwendig. Dies beinhaltet je nach angewendeter Ermittlungsmethode angemessene Kenntnisse zu:

  1. physikalisch-chemischen Eigenschaften von Gefahrstoffen,
  2. Gesundheitsgefahren bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
  3. den zu beurteilenden Arbeitsplätzen und Tätigkeiten,
  4. den erforderlichen Schutzmaßnahmen,
  5. den im Gefahrstoffrecht geltenden Gesetzen, Verordnungen, Technischen Regeln,
  6. dem Regelwerk der Unfallversicherungsträger,
  7. der Interpretation statistischer Parameter,
  8. dem statistischen und ggf. mathematischen Hintergrund.

(2) Der Anwender muss sich über aktuelle Entwicklungen im Gefahrstoffrecht und den aktuellen Stand der jeweiligen Nichtmesstechnischen Ermittlungsmethode informieren. Je nach angewendeter Ermittlungsmethode kann dieses z. B. durch interne oder externe Fortbildungsmaßnahmen erfolgen.

A3.4 Handlungsempfehlungen oder Hilfestellungen Dritter oder gleichwertige Dokumente und Berichte

(1) Handlungsempfehlungen oder Hilfestellungen Dritter oder gleichwertige Dokumente und Berichte gemäß TRGS 400 dienen der Übertragung von Ermittlungsergebnissen und Schutzmaßnahmen auf andere vergleichbare Arbeitsbereiche oder Tätigkeiten.

(2) Ermittlungsergebnisse von anderen Arbeitsbereichen oder Tätigkeiten können auf die zu beurteilenden Arbeitsbereiche oder Tätigkeiten übertragen werden, sofern die Expositionsbedingungen vergleichbar sind.

(3) Für die Übertragungen von Ermittlungsergebnissen besonders geeignet sind Ermittlungsergebnisse unter ungünstigen Bedingungen (reasonable worst case).

A3.5 Control Banding-Ansätze und Expositionsmodelle

(1) Control Banding-Ansätze und Expositionsmodelle dienen der quantitativen, semiquantitativen oder qualitativen Expositionsermittlung und der Ableitung geeigneter Schutzmaßnahmen. Sie beruhen bei der Beurteilung der Tätigkeiten im Allgemeinen auf folgenden Parametern:

  1. den toxikologischen Eigenschaften der Stoffe,
  2. den eingesetzten Mengen der Stoffe,
  3. den die Freisetzung bestimmenden Eigenschaften der Stoffe, z. B. Staubungsverhalten, Dampfdruck oder Siedepunkt,
  4. der durch die Tätigkeit bedingten Freisetzung, z. B. Sprühanwendung, Streichen, Fräsen, Sägen,
  5. den technischen und organisatorischen Randbedingungen, z. B. vorhandene Schutzmaßnahmen.

(2) Control Banding-Ansätze und Expositionsmodelle sind z. B.

  1. ART (Advanced REACH-Tool) [32],
  2. ECETOC TRA [33],
  3. EMKG-Expo-Tool [7],
  4. Stoffenmanager®/GESTIS-Stoffenmanager® [34].

(3) Bei Verwendung von Control Banding-Ansätzen und Expositionsmodellen dürfen nur technische und organisatorische Maßnahmen berücksichtigt werden. Die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung darf in diese Betrachtung nicht einbezogen werden.

(4) Der Anwendungsbereich und die Grenzen des verwendeten Control Banding-Ansatzes oder Expositionsmodells müssen definiert sein.

(5) Der Anwender hat die Ergebnisse auf Plausibilität zu prüfen. Im Rahmen dieser Plausibilitätsprüfung kann es hilfreich sein, Parameter zu variieren, um die Zuverlässigkeit der abgeleiteten Aussagen zu beurteilen. Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung ist zu dokumentieren.

(6) Wenn gleichzeitig Messungen und eine nichtmesstechnische Ermittlung mittels Control Banding-Ansätzen oder Expositionsmodellen durchgeführt werden und beides zum selben Befund führt, so ist dieser zu übernehmen.

(7) Wenn gleichzeitig Messungen und eine nichtmesstechnische Ermittlung mittels Control Banding-Ansätzen oder Expositionsmodellen durchgeführt werden und zu unterschiedlichen Befunden führen, so ist die Entscheidung für die Wahl des Befunds im Bericht zu begründen.

A3.6 Rechenmodelle

(1) Rechenmodelle dienen zur orientierenden Abschätzung der Exposition und zur Festlegung der weiteren Vorgehensweise. Sie beruhen in der Regel auf Annahmen zur freigesetzten Stoffmenge und zum Luftwechsel sowie auf Stoffeigenschaften (z. B. Staubungsverhalten, Dampfdruck, Siedepunkt).

(2) Konzentrationen lassen sich rechnerisch abschätzen, wenn die relevanten Randbedingungen durch ein geeignetes Modell miteinander verknüpft werden können und diese für den konkreten Anwendungsfall bekannt und quantifizierbar sind.

(3) Die Ergebnisse von Modellrechnungen müssen plausibel sein. Bei jeder Anwendung ist zu begründen, warum die Modellrechnung im konkreten Fall geeignet ist. Zu beschreiben und quantitativ darzustellen sind mindestens

  1. die Gefahrstoffemission,
  2. die arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen und
  3. ggf. die Ausbreitung und Verteilung der Gefahrstoffe im Raum, siehe auch A 3.2.

(4) Wenn gleichzeitig Messungen und eine nichtmesstechnische Ermittlung mittels Rechenmodellen durchgeführt werden und beides zum selben Befund führt, ist dieser zu übernehmen.

(5) Wenn gleichzeitig Messungen und eine nichtmesstechnische Ermittlung mittels Rechenmodellen durchgeführt werden und zu unterschiedlichen Befunden führen, so ist die Entscheidung für die Wahl des Befunds im Bericht zu begründen.

A3.7 Befund und Berichterstattung bei Anwendung nichtmesstechnischer Methoden

(1) Die Befunderhebung erfolgt gemäß Abschnitt 5.3.4 dieser TRGS.

(2) Bestehen Zweifel an der Plausibilität des Ergebnisses der nichtmesstechnischen Ermittlung, ist ein Befund nicht ableitbar. In diesem Fall ist die Ermittlung mit einer anderen nichtmesstechnischen oder messtechnischen Methode erneut durchzuführen.

(3) Der Bericht muss Folgendes enthalten:

  1. Titel,
  2. Ermittlungsaufgabe,
  3. Anlass der Ermittlung,
  4. Ermittelnde Stelle (Name, Anschrift),
  5. Auftraggeber (Name, Anschrift),
  6. begleitende Informationen zur Ermittlung, z. B. Vorbesprechung (Teilnehmer, Datum), Bearbeiter der Ermittlungsaufgabe, Ansprechpartner, Vorgangsnummer und Datum,
  7. Festlegung des Arbeitsbereichs einschließlich seiner räumlichen und organisatorischen Beschreibung (Firma, Anschrift, Betriebsort),
  8. Beschreibung der Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
  9. Festlegung und Begründung der Auswahl der Gefahrstoffe, deren Konzentrationen zu ermitteln sind,
  10. Art und Menge sowie relevante Einstufungen und gefährliche Eigenschaften der Gefahrstoffe sowie Beurteilungsmaßstäbe,
  11. relevante Randbedingungen mit Datum der Erhebung (Abschnitt 4.2 Absatz 2),
  12. Angaben zum eingesetzten nichtmesstechnischen Ermittlungsverfahren,
  13. Auflistung der aus den relevanten Randbedingungen abgeleiteten Parameter, die für die Ermittlung verwendet wurden,
  14. Ermittlungsergebnisse,
  15. Befund mit Begründung (Beurteilung der Exposition und der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen),
  16. Hinweise zur Befundsicherung,
  17. Ausstellungsdatum des Berichts,
  18. Unterschrift des Berichterstellenden,
  19. eindeutige Kennzeichnung auf jeder Seite durch u. a. Berichtsnummer oder Vergleichbares, Seitenzahl, Gesamtseitenzahl,
  20. Verzeichnis der verwendeten technischen Regeln, Literatur, Vorgängerberichte.

(4) Wird zur Ermittlung eine Handlungsempfehlung nach TRGS 400, Abschnitt 6.1 Absatz 5 angewendet, ist eine vereinfachte Berichterstattung nach TRGS 400, Abschnitt 8 Absatz 7 mit Verweis auf die Handlungsempfehlung möglich.

(5) Es ist empfehlenswert, die Befundsicherung bei Verwendung nichtmesstechnischer Methoden im Jahresabstand durchzuführen. Dazu ist es erforderlich, dass der Beurteiler vor Ort die weitere Gültigkeit aller relevanten Randbedingungen bestätigt und dokumentiert.

 


8 ECETOC: European Centre for Ecotoxicology and Toxicology of Chemicals.
9 TNO: Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (Nederlandse Organisatie voor toegepast-natuurwetenschappelijk onderzoek).
10 Eine Hilfestellung bei der Auswahl und Anwendung einer nichtmesstechnischen Ermittlungsmethode gibt die Veröffentlichung "Auswahl und Anwendung nichtmesstechnischer Methoden zur Ermittlung und Beurteilung der inhalativen Exposition" [31].