Der Arbeitgeber muss zunächst ermitteln, ob an Stelle von Isocyanaten andere Stoffe oder Verfahren mit einem geringeren Risiko anwendbar sind (siehe TRGS 600). Ist der Einsatz von Isocyanaten auf Grund technischer Anforderungen notwendig, so ist auch zu prüfen, ob emissionsarme Produkte oder Verfahren zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt 3.3.2 Absatz 2). Liegt bereits eine geringe Gefährdung vor oder ist diese durch eine Substitution erreicht worden, ist keine weitere Substitutionsprüfung erforderlich.
(1) Auswahl und Festlegung der Maßnahmen: Bestimmte Maßnahmen sind bei Tätigkeiten mit Isocyanaten auch bei geringen Gefährdungen durchzuführen. Dazu gehören:
(2) Bei mittleren und hohen Gefährdungen sind zusätzlich zu Schutzmaßnahmen nach Absatz 4 folgende weitere Maßnahmen erforderlich:
Weitere Hinweise sind der TRGS 500 zu entnehmen.
(3) Für hohe Gefährdungen sind darüber hinaus erforderlich:
(4) Allgemeine Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 der TRGS 500 sind bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen immer und vollständig anzuwenden. Insbesondere dürfen Isocyanate und isocyanathaltige Gemische nicht in Gefäße abgefüllt werden, die mit Gefäßen für Lebensmittel verwechselt werden können. Gefäße und Behälter, in die Isocyanate abgefüllt werden, sind immer zu kennzeichnen.
(5) Werden geringe Gefährdungen für den Aufnahmeweg Atemwege nach Abschnitt 3.3.2 Absatz 2 ermittelt, können Restgefährdungen durch benachbarte Arbeitsplätze mit höherer Exposition oder in Folge von Betriebsstörungen verbleiben. Maßnahmen sind dann für diese benachbarten Arbeitsplätze bzw. Maschinen und Anlagen mit höheren Gefährdungen zu treffen.
(6) Bei geringen Gefährdungen für den Aufnahmeweg Haut nach Abschnitt 3.3.3 Absatz 2 kann es insbesondere in Kombination mit mechanischen Belastungen zu Hautbeschwerden kommen. In diesem Fall ist eine anlassbezogene betriebsärztliche Beratung zu veranlassen, um individuell abgestimmte Maßnahmen festzulegen [10].
(7) Falls es bei Tätigkeiten mit Isocyanaten zu Brand- oder Explosionsgefahren kommen kann, sind ergänzende Schutzmaßnahmen nach § 11 und Anhang I Nummer 1 Gefahrstoffverordnung und der Betriebssicherheitsverordnung festzulegen. Kann es durch die Reaktionswärme, Betriebsstörungen oder Variation der Rezeptur zu Bränden kommen, sind Sensoren zur Erkennung von Überhitzungen vorzusehen. Dies gilt auch für Lager, in denen sich PUR-Produkte bei der Aushärtung erwärmen können.
(8) Zusätzliche Informationen: Für Systeme, bei denen es applikationsbedingt zur Bildung von Aerosolen kommt, sind weitere Hinweise in der DGUV Regel 109-013 "Schutzmaßnahmenkonzept für Spritzlackierarbeiten – Lackaerosole" aufgeführt. Für das Laden, den Transport und die Lagerung von Isocyanaten im Industriebereich liegt ein Maßnahmenkatalog vor [11]. Für Betriebsbereiche im Geltungsbereich der Störfallverordnung sind zusätzlich die Maßnahmen erforderlich, die sich aus den Pflichten nach dieser Verordnung ergeben.
Folgende technische Schutzmaßnahmen werden für Tätigkeiten mit Isocyanaten für mittlere und hohe Gefährdungen festgelegt:
(1) Zu den in Abschnitt 4.3 beschriebenen Maßnahmen sind bei hoher Gefährdung zusätzlich folgende technische Maßnahmen erforderlich. Sie müssen vor Aufnahme der Tätigkeit mit Isocyanaten und der erstmaligen Ermittlung der inhalativen Exposition nach Abschnitt 5 Absatz 2 vorhanden sein.
(2) Anlagen, Maschinen und Tankanlagen für Isocyanate mit hoher Gefährdung für die Atemwege müssen so ausgelegt sein, dass auch bei Ausfall eines Bauteils oder Aggregats eine unkontrollierte Freisetzung von Isocyanaten an Arbeitsplätzen verhindert wird. Zudem ist durch weitere Maßnahmen wie z. B. die Begrenzung der Lager- und Verarbeitungsmengen die Exposition bei einer unvermeidbaren Freisetzung so zu begrenzen, dass keine weiteren Personen gefährdet werden.
(3) Tätigkeiten mit hoher Hautgefährdung müssen nach Möglichkeit technisch so gestaltet werden, dass ein Hautkontakt mit Isocyanaten wirksam vermieden wird.
(1) Der Arbeitgeber darf Tätigkeiten mit Isocyanaten nur von Beschäftigten durchführen lassen, die über auftretende Gefahren unterwiesen und mit den Schutzmaßnahmen sowie dem Verhalten im Notfall vertraut sind10.
(2) Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nach § 22 Jugendarbeitsschutzgesetz nur zu Ausbildungszwecken Tätigkeiten mit Isocyanaten durchführen, wenn die Aufsicht durch einen Fachkundigen gewährleistet ist und der Arbeitsplatzgrenzwert unterschritten ist. Mit akut toxischen Isocyanaten der Kategorien 1 und 2 dürfen sie alleine keine Tätigkeiten durchführen. Schulungsanforderungen nach Abschnitt 6 Absatz 6 können sowohl für die Jugendlichen als auch das überwachende Lehrpersonal erforderlich sein.
(3) Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind die Vorgaben des Mutterschutzgesetzes umzusetzen11. Für schwangere oder stillende Frauen ist das allergene Potential von Isocyanaten zu berücksichtigen. Ist eine fachkundige Beurteilung speziell für Isocyanate durch den Arbeitgeber nicht möglich, hat er fachkundigen ärztlichen Rat einzuholen. Arbeitnehmerinnen in diesen Arbeitsbereichen sind über mögliche Gesundheitsgefährdungen wie die Entwicklung einer Allergie durch die Einwirkung dieser Stoffe zu informieren.
(4) Für das Verhalten im Notfall hat der Arbeitgeber Maßnahmen festzulegen und in die Betriebsanweisung aufzunehmen.
(5) Bei Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie bei Störungsbeseitigungen darf der Arbeitgeber nur Personen einsetzen, die über mögliche Gefährdungen (z. B. nicht entleerte Rohrleitungen, Leckagen) und Schutzmaßnahmen unterwiesen wurden.
(6) Reinigungslösungen, nicht ausgehärtete Produktionsabfälle und Isocyanat-Reste dürfen in den Arbeitsbereichen nicht offen gelagert oder ausgehärtet werden. Der Arbeitgeber hat für diese Zwecke Behälter in ausreichender Menge bereitzustellen und sicherzustellen, dass sie abgedeckt oder abgesaugt werden. Eine mögliche Druckentwicklung durch Selbsterwärmung oder chemische Reaktionen ist zu berücksichtigen. Isocyanatreste können u. a. durch Behandlung zu Polyharnstoff umgesetzt werden, von dem in der Regel nur noch geringe Gefährdungen ausgehen.
(7) Bei hoher Gefährdung hat der Arbeitgeber die Notfall- und Entsorgungsmaßnahmen auf den Fall der Freisetzung von Isocyanaten in größeren Mengen auszudehnen. Falls Ersthelfer oder technisches Personal (Entsorgung, Abfahren von Anlagen) im Notfall selbst gefährdet sein können, ist für sie geeignete persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen und sie sind in der praktischen Handhabung zu unterweisen. Bei hoher Gefährdung ist außerdem alle zwei Jahre eine Sicherheitsübung durchzuführen, auszuwerten und formlos zu dokumentieren.
(1) Ist eine Gefährdung der Beschäftigten trotz Ausschöpfung technischer und organisatorischer Maßnahmen möglich, so hat der Arbeitgeber geeignete, persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen.
(2) Atemschutz: Zum Schutz vor Isocyanaten sollen bevorzugt gebläseunterstützte Atemschutzfiltergeräte eingesetzt werden. Diese Geräte erfordern keine Überwindung des Atemwiderstands, so dass sie einen größeren Tragekomfort bieten als normale Filtermasken. Als zweite Wahl können Voll- oder Halbmasken mit Filter eingesetzt werden. Bei beiden Systemen lassen sich Filter gegen organische Dämpfe und Gase oder Kombinationsfilter einsetzen, die bei Aerosolen oder Stäuben zusätzlich gegen Partikel wirksam sind. Bei der Auswahl der Filter ist die mögliche Exposition gegen weitere Stoffe und ihre Konzentration zu berücksichtigen. Treibmittel wie Pentan erfordern einen AX-Filter für Leichtsieder. Filter müssen spätestens nach Ablauf der vorgesehenen Tragezeit ersetzt werden. Belastender Atemschutz darf keine Dauermaßnahme sein.
(3) Bei hohen Gefährdungen kann es notwendig sein, umluftunabhängige Atemschutzgeräte (Pressluftflaschen oder Druckluft-Schlauchgeräte12) einzusetzen, da diese ein besonders hohes Schutzniveau bieten. Zur eigentlichen Zuführung der Luft an der Person sollten Vollmasken oder bei Überdrucksystemen Hauben mit Visier eingesetzt werden, die das Einatmen von Nebenluft wirksam verhindern [13].
(4) Augen- und Gesichtsschutz: Chemikalienschutzbrillen bieten einen einfachen, Helme mit Gesichtsschild einen erweiterten Schutz vor gelegentlichen Spritzern. Bei höherem Risiko wie bei Wartungsarbeiten an Druckgefäßen und Spritzapplikationen bieten Frischlufthauben oder Vollmasken den besten Schutz.
(5) Körperschutz: Ist mit Spritzern, auslaufenden Flüssigkeiten oder Sprühnebel zu rechnen, hat der Arbeitgeber geeigneten Körperschutz zur Verfügung zu stellen. Chemikalienschürzen bieten einen einfachen Schutz, leichte Schutzanzüge (Overalls) einen erweiterten Schutz. Kontaminierte Arbeitskleidung ist zu wechseln, bei Durchdringung der Kleidung sofort.
(6) Hand- und Hautschutz: Liegen keine konkreten Hinweise für die notwendigen Schutzhandschuhe vor, so müssen diese gemäß TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt" selbst ermittelt werden13. Aufgrund der Tätigkeitsmerkmale und der Gefährdung können auch Schutzhandschuh-Hersteller Empfehlungen für geeignete Schutzhandschuhe abgeben.
(7) Bei der Auswahl der Schutzhandschuhe sind die mechanische und thermische Belastung, die Dauer der Einwirkung und die Möglichkeit der Benetzung zu berücksichtigen. Die Durchbruchzeit (Permeationszeit) in Minuten kann den Informationen der Hersteller der Schutzhandschuhe entnommen werden. Empfohlen wird, die Schutzhandschuhe nur für ein Drittel der angegebenen Durchbruchzeit zu tragen.
(8) Bei Arbeitsende und vor Pausen sind die Hände gründlich zu reinigen. Eine ausreichende Hautpflege der Mitarbeiter ist sicher zu stellen. Bei vorgeschädigter oder krankhaft veränderter Haut sollte generell ein Betriebsarzt aufgesucht werden.
(1) Ausgehend vom Ergebnis der Ermittlung gemäß Abschnitt 3 führt der Arbeitgeber in angemessenen Abständen, mindestens jedoch einmal im Jahr eine Beurteilung der Arbeitsplätze sowie der persönlichen Schutzausrüstungen durch und prüft die isocyanatführenden Behälter, Schläuche, Verrohrungen und Aggregate auf Beschädigungen und Leckagen. Er dokumentiert die dabei festgestellten Mängel und veranlasst ihre Beseitigung.
(2) Der Arbeitgeber legt für die technischen Schutzmaßnahmen einen Prüf- und Wartungsplan fest und dokumentiert ihn14. Schutzmaßnahmen zur Erfassung oder Absaugung von Stäuben, das Not-Halt-System sowie Einrichtungen zur Erkennung oder Abwehr von Brand- und Explosionsgefahren oder gefährlichen Betriebsstörungen müssen bei der Einrichtung der Arbeitsplätze und dann in angemessenen Abständen, in der Regel einmal jährlich, auf ihre Funktion geprüft werden. Die genauen Prüffristen hängen von der Art der Schutzmaßnahme ab und unterliegen verschiedenen Rechtsvorschriften oder Herstellerangaben, die für den Prüf- und Wartungsplan zu ermitteln sind. Das Ergebnis dieser Prüfungen ist schriftlich zu dokumentieren.
(3) Um die Wirksamkeit der vorhandenen Absaugungen zu überprüfen, veranlasst der Arbeitgeber bei mittleren und hohen Gefährdungen für den Aufnahmeweg Atemwege die in Abschnitt 5 und Anhang 2 beschriebene Ermittlung der inhalativen Exposition. Dies erfolgt in der Regel durch Arbeitsplatzmessungen. Nach § 7 Absatz 7 GefStoffV ist hierbei bei mittleren Gefährdungen die Prüfung mindestens alle drei Jahre und bei hohen Gefährdungen in einer kürzeren Frist durchzuführen, wobei sich ein Prüfintervall von zwei Jahren bewährt hat.
(4) Schutzmaßnahmen zur Erfassung oder Absaugung von Stäuben sind nach Anhang 1 Nummer 2.3 Absatz 7 der Gefahrstoffverordnung jährlich auf ihre Funktion zu prüfen. Falls in einem Jahr eine Prüfung nach Absatz 3 vorgesehen ist, ist bis auf die Kontrolle auf offensichtliche Mängel keine zusätzliche Prüfung erforderlich.
(5) Der Arbeitgeber legt unter Berücksichtigung der Herstellerangaben und der Beanspruchung fest, nach welcher Einsatzzeit bzw. Tragedauer die persönlichen Schutzausrüstungen (Chemikalienschutzhandschuhe, Atemschutzfilter) ersetzt werden müssen und welche Wartungen und Funktionsprüfungen durchzuführen sind und dokumentiert diese. Kontaminierte (verschmutzte) Handschuhe sind spätestens nach Schichtende zu entsorgen. Mangelhafte persönliche Schutzausrüstungen dürfen von den Beschäftigten nicht verwendet werden und sind bei Beschädigungen durch den Arbeitgeber zu ersetzen.
8 | Zusätzlicher Atemschutz kann erforderlich sein. Absaugungen sind nicht erforderlich, wenn sichergestellt ist, dass die Beurteilungsmaßstäbe und ihre Spitzenbegrenzungen für die Inhaltsstoffe eingehalten werden (siehe Abschnitt 3.3.2 Absatz 5). Werden dabei Messergebnisse auf andere Arbeitsplätze übertragen, so müssen die bei den Referenzmessungen verwendeten Produkte zusammen mit den expositionsbestimmenden Randbedingungen wie maximale Verarbeitungsmengen und Lüftungsanforderungen ermittelt und dokumentiert werden. Konzentrationsschwankungen und ungünstige Bedingungen, die bei der Produktanwendung auftreten können, sind dabei zu berücksichtigen. |
9 | Beispiele hierfür sind die Verriegelung der Bedienelemente, Einsatz von Tastern (Tippbetrieb) sowie akustische und optische Statusanzeigen (siehe EN 894 Teil 1-3, EN 61310 Teil 1-2 und EN 981). |
10 | siehe § 7 Arbeitsschutzgesetz. |
11 | siehe § 11 Mutterschutzgesetz. |
12 | Dies sind Druckluft-Schlauchgeräte nach DIN EN 14593 oder DIN EN 14594. Technische Druckluft muss aufbereitet werden, um als Atemluft eingesetzt werden zu können. |
13 | Siehe TRGS 401 Abschnitt 5.5.2 in Verbindung mit den Anhängen 2 und 6, DGUV Information 212-007 "Chemikalienschutzhandschuhe" sowie GESTIS-Stoffdatenbank (gestis.dguv.de). |
14 | Für Maschinen und Anlagen kann er dazu Angaben des Herstellers übernehmen. |