2   Beurteilung der Explosionsrisiken

  Wann immer möglich, sollte der Arbeitgeber das Auftreten von explosionsfähiger Atmosphäre verhindern. Um diesen obersten Grundsatz nach Art. 3 der Richtlinie 1999/92/EG zu erfüllen, ist zur Beurteilung der Explosionsrisiken zunächst zu prüfen, ob unter den vorhandenen Gegebenheiten gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann. Sodann ist zu prüfen, ob sie sich entzünden kann.
  Dieser Beurteilungsprozess muss sich immer auf den Einzelfall beziehen und kann nicht pauschal übertragen werden. Im Einzelnen sind nach 1999/92/EG Art. 4 die Wahrscheinlichkeit und die Dauer des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre, die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins und der Aktivierung und des Wirksamwerdens von Zündquellen, die Anlagen, verwendeten Stoffe, Verfahren und ihre möglichen Wechselwirkungen sowie das Ausmaß der zu erwartenden Auswirkungen zu betrachten.
 
Hinweis: Im Vordergrund der Beurteilung der Explosionsrisiken steht zunächst die Beurteilung vom:
  • Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre

    und des Weiteren vom

  • Vorhandensein und Wirksamwerden von Zündquellen.
Die Betrachtung der Auswirkungen ist im Beurteilungsprozess von untergeordneter Bedeutung, da im Fall einer Explosion immer mit einem hohen Schadensausmaß gerechnet werden muss, das von erheblichen Sachschäden bis hin zu Verletzten und Toten reichen kann. Eine quantitative Risikobetrachtung ist im Explosionsschutz deshalb wenig sinnvoll.

 

Der Beurteilungsvorgang ist für jeden Arbeits- bzw. Produktionsprozess sowie für jeden Betriebszustand einer Anlage und dessen Änderungen durchzuführen. Bei der Beurteilung neuer oder bestehender Anlagen sind insbesondere folgende Betriebszustände zugrunde zu legen:
  • die normalen Betriebsbedingungen einschließlich Instandhaltungsarbeiten,
  • die In- und Außerbetriebnahme,
  • Betriebsstörungen und voraussehbare Fehlzustände,
  • der vernünftigerweise vorhersehbare Fehlgebrauch.
  Die Explosionsrisiken sind in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Von Bedeutung sind:
  • die eingesetzten Arbeitsmittel,
  • die baulichen Gegebenheiten,
  • die verwendeten Stoffe,
  • die Arbeits- und Verfahrensbedingungen und
  • die möglichen Wechselwirkungen untereinander sowie mit dem Arbeitsumfeld.
  Ebenso sind Bereiche, die über Öffnungen mit explosionsgefährdeten Bereichen in Verbindung stehen oder gebracht werden können, bei der Beurteilung der Explosionsrisiken zu berücksichtigen.
  Enthält die explosionsfähige Atmosphäre verschiedene brennbare Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube, so muss dies bei der Bewertung der Explosionsrisiken angemessen berücksichtigt werden. Treten z. B. hybride Gemische auf, kann sich die Wirkung der Explosion erheblich verstärken.
 
Hinweis: Generell können hybride Gemische aus Nebeln oder Stäuben mit Gasen und/oder Dämpfen bereits eine explosionsfähige Atmosphäre bilden, wenn die Konzentration der einzelnen Brennstoffe noch unterhalb ihrer unteren Explosionsgrenze liegen.


2.1 Methoden

  Um Arbeitsprozesse oder technische Anlagen bzgl. ihrer Explosionsrisiken beurteilen zu können, sind Methoden geeignet, die eine systematische Vorgehensweise zur sicherheitstechnischen Überprüfung von Anlagen und Verfahren unterstützen. Systematisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nach sachlichen und logischen Gesichtspunkten gegliedert vorgegangen wird. Es werden die vorhandenen Gefahrenquellen zur Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und die möglicherweise gleichzeitig auftretenden wirksamen Zündquellen betrachtet.
  In der Praxis ist es in den meisten Fällen ausreichend, systematisch das Explosionsrisiko entlang einer Abfolge spezifischer Fragestellungen zu ermitteln und zu beurteilen. Im folgenden Kapitel 2.2 wird hierzu anhand charakteristischer Beurteilungsmaßstäbe eine einfache Vorgehensweise beschrieben.
 
Hinweis: Andere Verfahren zur Risikobeurteilung, wie sie etwa zur Identifikation von Gefahrenquellen (z. B. Anwendung von Checklisten, Ausfall-Effekt-Analyse, Bedienungsfehler-Analyse, Operabilitäts-Analyse/PAAG-Verfahren) oder zur Bewertung von Gefahrenquellen (z. B. Störfall-Ablaufanalyse oder Fehlerbaum-Analyse) in der einschlägigen Literatur nachzulesen sind, sind im Explosionsschutz nur in Ausnahmefällen sinnvoll, z. B. zur Ermittlung von Zündquellen in komplexen technischen Anlagen.


2.2 Beurteilungsmaßstäbe

  Die Beurteilung der Explosionsgefahr ist unabhängig von der Einzelfrage durchzuführen, ob Zündquellen vorhanden sind oder auftreten können.
  Folgende vier Voraussetzungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, damit Explosionen mit gefährlichen Auswirkungen auftreten können:
  • Hoher Dispersionsgrad der brennbaren Stoffe,
  • Konzentration der brennbaren Stoffe in Luft innerhalb ihrer Explosionsgrenzen,
  • Gefahrdrohende Mengen explosionsfähiger Atmosphäre,
  • Wirksame Zündquelle.
  Um diese Voraussetzungen zu prüfen, kann in der Praxis die Beurteilung der Explosionsrisiken anhand von sieben Fragen erfolgen. Hierzu zeigt Abbildung 2.1 den Beurteilungsablauf, in dem jede relevante Fragestellung unterstrichen hervorgehoben ist. Zu ihrer Beantwortung sind die Entscheidungskriterien in den angegebenen Unterkapiteln näher erläutert. Entsprechend dienen die ersten vier Fragen der grundlegenden Prüfung, ob ein Explosionsrisiko besteht und ob überhaupt Explosionsschutzmaßnahmen erforderlich sind. Nur in diesem Fall ist mit Hilfe der drei folgenden Fragen festzustellen, ob die vorgesehenen Schutzmaßnahmen das Explosionsrisiko auf ein unbedenkliches Maß begrenzen. Dieser Schritt ist in Verbindung mit der Auswahl von Schutzmaßnahmen nach Kapitel 3 des Leitfadens ggf. wiederholt durchzuführen, bis eine den Gegebenheiten entsprechende Gesamtlösung gefunden ist.
  Im Rahmen des Beurteilungsprozesses ist zu beachten, dass sicherheitstechnische Kenngrößen des Explosionsschutzes in der Regel nur unter atmosphärischen Bedingungen gelten. Unter anderen als diesen atmosphärischen Bedingungen können sich die sicherheitstechnischen Kenngrößen bedeutend ändern.
 
Beispiele:
  1. Die Mindestzündenergie kann bei erhöhten Sauerstoffgehalten oder Temperaturen stark herabgesetzt werden.

  2. Die maximalen Explosionsdrücke und -druckanstiegsgeschwindigkeiten steigen bei erhöhtem Vordruck an.

  3. Die Explosionsgrenzen werden bei erhöhten Temperaturen und erhöhten Drücken aufgeweitet. Das bedeutet, dass die untere Explosionsgrenze zu niedrigeren und die obere Explosionsgrenze zu höheren Konzentrationen verschoben werden können.

 

Abbildung 2.1: Beurteilungsablauf zur Erkennung und Verhinderung von Explosionsgefahren

 

Abb. 2.1: Beurteilungsablauf zur Erkennung und Verhinderung von Explosionsgefahren.
  In Abbildung 2.1 wird nach einer "zuverlässigen" Verhinderung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre oder der "zuverlässigen" Vermeidung ihrer Entzündung gefragt. Die Frage kann nur mit "Ja" beantwortet werden, wenn die bereits getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen so weitgehend sind, dass unter Berücksichtigung aller Betriebszustände und vernünftigerweise vorhersehbaren Störungen nicht mit dem Auftreten einer Explosion gerechnet werden muss.


2.2.1 Sind brennbare Stoffe vorhanden?

  Voraussetzung für die Entstehung einer Explosion ist, dass brennbare Stoffe im Arbeits- bzw. Produktionsprozess vorhanden sind. Das heißt, dass mindestens eine brennbare Substanz als Ausgangs- bzw. Hilfsstoff eingesetzt wird, als Rest-, Zwischen- oder Endprodukt entsteht oder bei einer betriebsüblichen Störung gebildet werden kann.
 
Beispiel: Brennbare Stoffe können auch ungewollt auftreten, z. B. bei der Lagerung schwacher Säuren oder Laugen in Metallbehältern. Hier kann sich durch elektrolytische Reaktionen Wasserstoff bilden und in der Gasphase ansammeln.

 

Generell sind alle Stoffe als brennbar anzusehen, die zu einer exothermen Oxidationsreaktion fähig sind. Hierunter fallen einerseits alle Stoffe, die bereits nach der Stoffrichtlinie RL 67/548/EWG als entzündlich (R10), leichtentzündlich (F bzw. R11/R15/R17) oder hochentzündlich (F+ bzw. R12) eingestuft und gekennzeichnet sind. Aber auch alle sonstigen Stoffe und Zubereitungen, die (noch) nicht klassifiziert sind, jedoch die jeweiligen Entzündlichkeitskriterien erfüllen oder generell als entflammbar anzusehen sind, fallen hierunter.
 
Beispiele:
  1. Brennbare Gase und Gasgemische, z. B. Flüssiggas (Butan, Buten, Propan, Propen), Erdgas, Verbrennungsgase (z.B. Kohlenmonoxid oder Methan) oder gasförmige brennbare Chemikalien (z.B. Acetylen, Ethylenoxid oder Vinylchlorid).

  2. Brennbare Flüssigkeiten, z. B. Lösungsmittel, Treibstoffe, Erd-, Heiz-, Schmier- oder Altöle, Lacke oder wasserunlösliche sowie wasserlösliche Chemikalien.

  3. Stäube brennbarer Feststoffe, z. B. Kohle, Holz, Nahrungs- und Futtermittel (z.B. Zucker, Mehl oder Getreide), Kunststoffe, Metalle oder Chemikalien.
 
Hinweis: Es gibt eine Reihe von Stoffen, die unter normalen Bedingungen nur schwer zu entzünden sind, aber bei besonders kleiner Teilchengröße oder ausreichend hoher Zündenergie im Gemisch mit Luft explosionsfähig sind (z. B. Metallstäube, Aerosole).

 

Nur wenn brennbare Stoffe vorhanden sind, ist eine weitergehende Betrachtung möglicher Explosionsgefahren notwendig.


2.2.2 Kann durch ausreichende Verteilung in Luft explosionsfähige Atmosphäre entstehen?

  Ob sich bei Vorhandensein brennbarer Substanzen eine explosionsfähige Atmosphäre bilden kann, ist von der Zündwilligkeit des in Verbindung mit Luft gebildeten Gemisches abhängig. Wird dabei der notwendige Dispersionsgrad erreicht und liegt die Konzentration der brennbaren Substanzen in der Luft innerhalb ihrer Explosionsgrenzen, dann ist eine explosionsfähige Atmosphäre vorhanden. Bei Stoffen in gas- oder dampfförmigem Zustand ist ein ausreichender Dispersionsgrad naturgemäß gegeben.
  Zur Beantwortung der o. g. Frage sind je nach Gegebenheit folgende Eigenschaften der Stoffe und deren möglichen Verarbeitungszustände zu berücksichtigen:
  1. Brennbare Gase und Gasgemische:
    • Untere und obere Explosionsgrenze.
    • Während des Umgangs entstehende oder herrschende maximale (ggf. auch minimale) Konzentrationen der brennbaren Stoffe.
  1. Brennbare Flüssigkeiten:
    • Untere und obere Explosionsgrenze.
    • Flammpunkt


    • Hinweis: Im Inneren von Behältern ist nicht von einem explosionsfähigen Gemisch auszugehen, wenn die Temperatur im Behälter stets genügend weit (etwa 5 K bis 15 K, vgl. Beispiel in Kapitel 3.1.2) unterhalb des Flammpunktes gehalten wird.

    • Verarbeitungs- bzw. Umgebungstemperaturen.


    • Hinweis: Liegt z. B. die maximale Verarbeitungstemperatur nicht ausreichend tief unter dem Flammpunkt der Flüssigkeit, so können explosionsfähige Dampf/Luft-Gemische vorhanden sein.

    • Art der Verarbeitung einer Flüssigkeit (z.B. Versprühen, Verspritzen und Aufreißen eines Flüssigkeitsstrahles, Verdampfen und Kondensation).


    • Hinweis: Werden die Flüssigkeiten in Tröpfchen verteilt, z.B. versprüht, ist auch bei Temperaturen unterhalb des Flammpunktes mit der Bildung von explosionsfähiger Atmosphäre zu rechnen.

    • Verwendung einer Flüssigkeit bei hohen Drücken (z. B. in Hydrauliksystemen).


    • Hinweis: Treten Leckagen an der Umschließung brennbarer Flüssigkeiten mit hohen Überdrücken auf, kann die Flüssigkeit abhängig von Leckgröße, Überdruck und Materialstabilität herausspritzen und explosionsfähige Nebel bilden, die in explosionsfähige Dämpfe übergehen können.

    • Während des Umgangs entstehende oder herrschende maximale (ggf. auch minimale) Konzentrationen der brennbaren Stoffe (nur im Innere von Apparaten/Installationen).
  1. Stäube brennbarer Feststoffe:
    • Vorhandensein oder Entstehen von Staub/Luft-Gemischen bzw. Staubablagerungen.


    • Beispiele:

      1. Mahlen oder Sieben,

      2. Fördern, Füllen oder Entleeren,

      3. Trocknen.


    • Während des Umgangs entstehende oder herrschende maximale (ggf. auch minimale) Konzentrationen der brennbaren Stoffe (nur im Innere von Apparaten/Installationen).


    • Abbildung 2.2: Beispiele für die Entstehung von Staub/Luft-Gemischen bei Füll- und Transportvorgängen
      Abb. 2.2: Beispiele für die Entstehung von Staub/Luft-Gemischen bei Füll- und Transportvorgängen.
      [aus IVSS-Broschüre "Dust Explosions", The International Section for the Prevention of Occupational Risks in the Chemical Industry, the International Social Security Association (ISSA), Heidelberg, Germany]

    • Untere und obere Explosionsgrenze.


    • Hinweis: In der Praxis sind die Explosionsgrenzen für Stäube nicht im gleichen Maße nutzbar wie für Gase und Dämpfe. Die Staubkonzentration kann durch Aufwirbeln von Ablagerungen oder durch Absetzen von aufgewirbeltem Staub stark verändert werden. Es ist z.B. möglich, dass durch Aufwirbeln von Staub explosionsfähige Atmosphäre entsteht. Andererseits kann durch Absetzen eines Teiles des aufgewirbelten Staubes, dessen Konzentration zunächst oberhalb der oberen Explosionsgrenze lag, ebenfalls eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen.

    • Korngrößenverteilung (relevant ist der Feinkornanteil kleiner 500 µm), Feuchte, Schwelpunkt.

2.2.3 Wo kann explosionsfähige Atmosphäre auftreten?

  Ist die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre möglich, so ist zu ermitteln wo sie am Arbeitsplatz bzw. in der Anlage auftritt, um das Gefährdungspotenzial eingrenzen zu können. Für diese Ermittlung sind wiederum die Eigenschaften der Stoffe und die anlagen-, prozesstechnisch- und umgebungsspezifischen Gegebenheiten zu beachten:
  1. Gase und Dämpfe:
    • Dichteverhältnis bezogen auf Luft, denn je schwerer die Gase und Dämpfe sind, desto schneller fallen sie nach unten, wobei sie sich fortschreitend mit der zur Verfügung stehenden Luft vermischen und in Gruben, Kanälen und Schächten verbleiben:
      • Die Dichte von Gasen ist im Allgemeinen größer als die Dichte der Luft.


      • Hinweis: Ausnahme bilden Gase mit einer Dichte kleiner als Luft (z. B. Acetylen, Cyanwasserstoff, Ethylen, Kohlenmonoxid, Methan und Wasserstoff).

      • Eine Entmischung eines einmal gebildeten Gemisches in leichte und schwere Anteile allein durch die Schwerkraft ist nicht zu betrachten. Schwere Schwaden fallen nach unten und breiten sich aus. Sie können auch über weite Strecken "kriechen" und dort entzündet werden.

    • Bereits geringe Luftbewegungen (natürlicher Zug, Umhergehen von Personen, thermische Konvektion) können die Vermischung mit Luft erheblich beschleunigen.


    • Abbildung 2.3: Ausbreitungsverhalten von verflüssigten Gasen (Beispiel)
      Abb. 2.3: Ausbreitungsverhalten von verflüssigten Gasen (Beispiel).
      [aus IVSS-Broschüre "Gas Explosions", The International Section for the Prevention of Occupational Risks in the Chemical Industry, the International Social Security Association (ISSA), Heidelberg, Germany]
  1. Flüssigkeiten und Nebel:
    • Verdunstungszahl, die bei einer bestimmten Temperatur die sich bildende Menge explosionsfähiger Atmosphäre bestimmt.
    • Größe der Verdunstungsfläche und Verarbeitungstemperatur, z. B. bei Versprühen oder Verspritzen von Flüssigkeiten.
    • Überdruck, durch den versprühte Flüssigkeiten in die Umgebung freigesetzt werden und explosionsfähige Nebel bilden.
  1. Stäube:
    • Auftreten von aufgewirbeltem Staub, z. B. in Filtern, bei der Förderung in Behälter, an Übergabestellen oder im Inneren von Trocknern,
    • Bildung von Staubablagerungen, bevorzugt auf waagerechten oder schwach geneigten Flächen und Aufwirbeln von Stäuben.

    Außerdem sind weitere örtliche und betriebliche Verhältnisse zu berücksichtigen:

    • Art des Umganges mit den Stoffen unter gas-, flüssigkeits- oder staubdichtem Einschluss oder in offenen Apparaturen, z.B. Beschickung und Entleerung.
    • Möglichkeit des Austretens von Stoffen an Ventilen, Schiebern, Rohrleitungsverbindungen usw.
    • Be- und Entlüftungsverhältnisse und sonstige räumliche Verhältnisse.
    • Mit dem Vorhandensein von brennbaren Stoffen oder Gemischen ist insbesondere in Bereichen zu rechnen, die von der Lüftung nicht erfasst sind, z.B. unbelüftete tief liegende Bereiche, wie Gruben, Kanäle und Schächte.

2.2.4 Ist die Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre möglich?

  Kann explosionsfähige Atmosphäre in bestimmten Bereichen in solchen Mengen auftreten, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich werden, so wird die explosionsfähige Atmosphäre als gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bezeichnet und die Bereiche werden als explosionsgefährdete Bereiche eingestuft.

 

Abbildung 2.4: Auswirkung von einen Liter verflüssigtem Propan
  Abb. 2.4: Bereits kleine Mengen brennbarer Flüssigkeiten können bei ihrer Verdampfung zu großen Mengen brennbarer Dämpfe führen (Beispiel verflüssigtes Propan).
[aus IVSS-Broschüre "Safety of Liquefied Gas Installation", The International Section for the Prevention of Occupational Risks in the Chemical Industry, the International Social Security Association (ISSA), Heidelberg, Germany]
  Ob es sich also bei einer zuvor festgestellten explosionsfähigen Atmosphäre um eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre handelt, hängt von dem Volumen der explosionsfähigen Atmosphäre in Verbindung mit der schädigenden Wirkung im Falle einer Entzündung ab. In der Regel kann aber zunächst davon ausgegangen werden, dass mit einer Explosion ein hohes Schadensausmaß verbunden ist und eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre vorliegt.
  Ausnahmen von dieser Regel sind beim Umgang mit sehr kleinen Mengen möglich, z. B. in Laboratorien. Hier ist nach den örtlichen und betrieblichen Verhältnissen zu beurteilen, ob die zu erwartenden Mengen explosionsfähiger Atmosphäre gefahrdrohend sind.
 
Beispiele:
  1. Mehr als 10 Liter explosionsfähiger Atmosphäre als zusammenhängende Menge müssen in geschlossenen Räumen unabhängig von der Raumgröße immer als gefährliche explosionsfähige Atmosphäre angesehen werden.

  2. Eine grobe Abschätzung ist mit Hilfe der Faustregel möglich, dass in solchen Räumen explosionsfähige Atmosphäre von mehr als einem Zehntausendstel des Raumvolumens als gefahrdrohend gelten muss, also z.B. in einem Raum von 80 m3 bereits 8 Liter. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, dass dann der gesamte Raum als explosionsgefährdeter Bereich gilt, sondern nur der Teilbereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann.

  3. Bei den meisten brennbaren Stäuben reicht bereits eine gleichmäßig über die gesamte Bodenfläche verteilte Staubablagerung von weniger als 1 mm Schichtdicke aus, um beim Aufwirbeln einen Raum normaler Höhe mit explosionsfähigem Staub/Luft-Gemisch vollständig auszufüllen.

  4. Befindet sich explosionsfähige Atmosphäre in Gefäßen, die dem möglicherweise auftretenden Explosionsdruck nicht standhalten, so sind wegen der Gefährdung, beispielsweise durch Splitter beim Bersten, weitaus geringere Mengen als die oben angegebenen als gefahrdrohend anzusehen. Eine untere Grenze kann hierfür nicht angegeben werden.

 

Darüber hinaus ist bei einer spezifischen Beurteilung der Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre auch die Auswirkung durch eine Zerstörung benachbarter Anlagenteile in der Umgebung zu beachten.
 
Hinweis: Durch eine Explosion können auch in der Umgebung Schäden hervorgerufen werden, durch die wiederum brennbare oder andere gefährliche Stoffe freigesetzt und gegebenenfalls entzündet werden.


2.2.5 Ist die Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre zuverlässig verhindert?

  Ist die Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre möglich, so sind Explosionsschutzmaßnahmen notwendig. Dabei sollte zunächst versucht werden, das Auftreten explosionsfähiger Atmosphäre zu vermeiden. Hierzu sind die möglichen Explosionsschutzmaßnahmen in Kapitel 3.1 in Verbindung mit organisatorischen Maßnahmen nach Kapitel 4 beschrieben.
  Die getroffenen Explosionsschutzmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu prüfen. Dazu sind alle unterschiedlichen Betriebszustände und alle Störungen (auch seltene) zu berücksichtigen. Nur wenn das Auftreten von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre sicher verhindert ist, kann auf weitere Maßnahmen verzichtet werden.


2.2.6 Ist die Entzündung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre zuverlässig verhindert?

  Kann die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre nicht vollständig ausgeschlossen werden, sind Maßnahmen zur Vermeidung wirksamer Zündquellen erforderlich. Je wahrscheinlicher demnach das Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre ist, desto sicherer muss das Vorhandensein von wirksamen Zündquellen vermieden werden. Die möglichen Explosionsschutzmaßnahmen sind in Kapitel 3.2 in Verbindung mit organisatorischen Maßnahmen nach Kapitel 4 beschrieben.
  Kann das gleichzeitige Auftreten von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und wirksamen Zündquellen nicht ausgeschlossen werden, sind auch konstruktive Schutzmaßnahmen nach Kapitel 3.3 in Verbindung mit organisatorischen Maßnahmen nach Kapitel 4 erforderlich.