Wann immer möglich, sollte der Arbeitgeber das Auftreten von explosionsfähiger Atmosphäre verhindern. Um diesen obersten Grundsatz nach Art. 3 der Richtlinie 1999/92/EG zu erfüllen, ist zur Beurteilung der Explosionsrisiken zunächst zu prüfen, ob unter den vorhandenen Gegebenheiten gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann. Sodann ist zu prüfen, ob sie sich entzünden kann. | |||||||
Dieser Beurteilungsprozess muss sich immer auf den Einzelfall beziehen und kann nicht pauschal übertragen werden. Im Einzelnen sind nach 1999/92/EG Art. 4 die Wahrscheinlichkeit und die Dauer des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre, die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins und der Aktivierung und des Wirksamwerdens von Zündquellen, die Anlagen, verwendeten Stoffe, Verfahren und ihre möglichen Wechselwirkungen sowie das Ausmaß der zu erwartenden Auswirkungen zu betrachten. | |||||||
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Der Beurteilungsvorgang ist für jeden Arbeits- bzw. Produktionsprozess sowie für jeden Betriebszustand einer Anlage und dessen Änderungen durchzuführen. Bei der Beurteilung neuer oder bestehender Anlagen sind insbesondere folgende Betriebszustände zugrunde zu legen:
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Die Explosionsrisiken sind in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Von Bedeutung sind:
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Ebenso sind Bereiche, die über Öffnungen mit explosionsgefährdeten Bereichen in Verbindung stehen oder gebracht werden können, bei der Beurteilung der Explosionsrisiken zu berücksichtigen. | |||||||
Enthält die explosionsfähige Atmosphäre verschiedene brennbare Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube, so muss dies bei der Bewertung der Explosionsrisiken angemessen berücksichtigt werden. Treten z. B. hybride Gemische auf, kann sich die Wirkung der Explosion erheblich verstärken. | |||||||
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Um Arbeitsprozesse oder technische Anlagen bzgl. ihrer Explosionsrisiken beurteilen zu können, sind Methoden geeignet, die eine systematische Vorgehensweise zur sicherheitstechnischen Überprüfung von Anlagen und Verfahren unterstützen. Systematisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nach sachlichen und logischen Gesichtspunkten gegliedert vorgegangen wird. Es werden die vorhandenen Gefahrenquellen zur Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und die möglicherweise gleichzeitig auftretenden wirksamen Zündquellen betrachtet. | |||||||
In der Praxis ist es in den meisten Fällen ausreichend, systematisch das Explosionsrisiko entlang einer Abfolge spezifischer Fragestellungen zu ermitteln und zu beurteilen. Im folgenden Kapitel 2.2 wird hierzu anhand charakteristischer Beurteilungsmaßstäbe eine einfache Vorgehensweise beschrieben. | |||||||
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Die Beurteilung der Explosionsgefahr ist unabhängig von der Einzelfrage durchzuführen, ob Zündquellen vorhanden sind oder auftreten können. | |||||||
Folgende vier Voraussetzungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, damit Explosionen mit gefährlichen Auswirkungen auftreten können:
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Um diese Voraussetzungen zu prüfen, kann in der Praxis die Beurteilung der Explosionsrisiken anhand von sieben Fragen erfolgen. Hierzu zeigt Abbildung 2.1 den Beurteilungsablauf, in dem jede relevante Fragestellung unterstrichen hervorgehoben ist. Zu ihrer Beantwortung sind die Entscheidungskriterien in den angegebenen Unterkapiteln näher erläutert. Entsprechend dienen die ersten vier Fragen der grundlegenden Prüfung, ob ein Explosionsrisiko besteht und ob überhaupt Explosionsschutzmaßnahmen erforderlich sind. Nur in diesem Fall ist mit Hilfe der drei folgenden Fragen festzustellen, ob die vorgesehenen Schutzmaßnahmen das Explosionsrisiko auf ein unbedenkliches Maß begrenzen. Dieser Schritt ist in Verbindung mit der Auswahl von Schutzmaßnahmen nach Kapitel 3 des Leitfadens ggf. wiederholt durchzuführen, bis eine den Gegebenheiten entsprechende Gesamtlösung gefunden ist. | |||||||
Im Rahmen des Beurteilungsprozesses ist zu beachten, dass sicherheitstechnische Kenngrößen des Explosionsschutzes in der Regel nur unter atmosphärischen Bedingungen gelten. Unter anderen als diesen atmosphärischen Bedingungen können sich die sicherheitstechnischen Kenngrößen bedeutend ändern. | |||||||
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Abb. 2.1: Beurteilungsablauf zur Erkennung und Verhinderung von Explosionsgefahren. |
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In Abbildung 2.1 wird nach einer "zuverlässigen" Verhinderung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre oder der "zuverlässigen" Vermeidung ihrer Entzündung gefragt. Die Frage kann nur mit "Ja" beantwortet werden, wenn die bereits getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen so weitgehend sind, dass unter Berücksichtigung aller Betriebszustände und vernünftigerweise vorhersehbaren Störungen nicht mit dem Auftreten einer Explosion gerechnet werden muss. |
2.2.1 Sind brennbare Stoffe vorhanden?
Voraussetzung für die Entstehung einer Explosion ist, dass brennbare Stoffe im Arbeits- bzw. Produktionsprozess vorhanden sind. Das heißt, dass mindestens eine brennbare Substanz als Ausgangs- bzw. Hilfsstoff eingesetzt wird, als Rest-, Zwischen- oder Endprodukt entsteht oder bei einer betriebsüblichen Störung gebildet werden kann. | |||||||
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Generell sind alle Stoffe als brennbar anzusehen, die zu einer exothermen Oxidationsreaktion fähig sind. Hierunter fallen einerseits alle Stoffe, die bereits nach der Stoffrichtlinie RL 67/548/EWG als entzündlich (R10), leichtentzündlich (F bzw. R11/R15/R17) oder hochentzündlich (F+ bzw. R12) eingestuft und gekennzeichnet sind. Aber auch alle sonstigen Stoffe und Zubereitungen, die (noch) nicht klassifiziert sind, jedoch die jeweiligen Entzündlichkeitskriterien erfüllen oder generell als entflammbar anzusehen sind, fallen hierunter. |
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Nur wenn brennbare Stoffe vorhanden sind, ist eine weitergehende Betrachtung möglicher Explosionsgefahren notwendig. |
2.2.2 Kann durch ausreichende Verteilung in Luft explosionsfähige Atmosphäre entstehen?
Ob sich bei Vorhandensein brennbarer Substanzen eine explosionsfähige Atmosphäre bilden kann, ist von der Zündwilligkeit des in Verbindung mit Luft gebildeten Gemisches abhängig. Wird dabei der notwendige Dispersionsgrad erreicht und liegt die Konzentration der brennbaren Substanzen in der Luft innerhalb ihrer Explosionsgrenzen, dann ist eine explosionsfähige Atmosphäre vorhanden. Bei Stoffen in gas- oder dampfförmigem Zustand ist ein ausreichender Dispersionsgrad naturgemäß gegeben. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zur Beantwortung der o. g. Frage sind je nach Gegebenheit folgende Eigenschaften der Stoffe und deren möglichen Verarbeitungszustände zu berücksichtigen:
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2.2.3 Wo kann explosionsfähige Atmosphäre auftreten?
Ist die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre möglich, so ist zu ermitteln wo sie am Arbeitsplatz bzw. in der Anlage auftritt, um das Gefährdungspotenzial eingrenzen zu können. Für diese Ermittlung sind wiederum die Eigenschaften der Stoffe und die anlagen-, prozesstechnisch- und umgebungsspezifischen Gegebenheiten zu beachten:
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2.2.4 Ist die Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre möglich?
Kann explosionsfähige Atmosphäre in bestimmten Bereichen in solchen Mengen auftreten, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich werden, so wird die explosionsfähige Atmosphäre als gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bezeichnet und die Bereiche werden als explosionsgefährdete Bereiche eingestuft. | |
Abb. 2.4: | Bereits kleine Mengen brennbarer Flüssigkeiten können bei ihrer Verdampfung zu großen Mengen brennbarer Dämpfe führen (Beispiel verflüssigtes Propan). [aus IVSS-Broschüre "Safety of Liquefied Gas Installation", The International Section for the Prevention of Occupational Risks in the Chemical Industry, the International Social Security Association (ISSA), Heidelberg, Germany] |
Ob es sich also bei einer zuvor festgestellten explosionsfähigen Atmosphäre um eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre handelt, hängt von dem Volumen der explosionsfähigen Atmosphäre in Verbindung mit der schädigenden Wirkung im Falle einer Entzündung ab. In der Regel kann aber zunächst davon ausgegangen werden, dass mit einer Explosion ein hohes Schadensausmaß verbunden ist und eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre vorliegt. | |||||||
Ausnahmen von dieser Regel sind beim Umgang mit sehr kleinen Mengen möglich, z. B. in Laboratorien. Hier ist nach den örtlichen und betrieblichen Verhältnissen zu beurteilen, ob die zu erwartenden Mengen explosionsfähiger Atmosphäre gefahrdrohend sind. | |||||||
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Darüber hinaus ist bei einer spezifischen Beurteilung der Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre auch die Auswirkung durch eine Zerstörung benachbarter Anlagenteile in der Umgebung zu beachten. |
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2.2.5 Ist die Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre zuverlässig verhindert?
Ist die Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre möglich, so sind Explosionsschutzmaßnahmen notwendig. Dabei sollte zunächst versucht werden, das Auftreten explosionsfähiger Atmosphäre zu vermeiden. Hierzu sind die möglichen Explosionsschutzmaßnahmen in Kapitel 3.1 in Verbindung mit organisatorischen Maßnahmen nach Kapitel 4 beschrieben. | |
Die getroffenen Explosionsschutzmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu prüfen. Dazu sind alle unterschiedlichen Betriebszustände und alle Störungen (auch seltene) zu berücksichtigen. Nur wenn das Auftreten von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre sicher verhindert ist, kann auf weitere Maßnahmen verzichtet werden. |
2.2.6 Ist die Entzündung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre zuverlässig verhindert?
Kann die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre nicht vollständig ausgeschlossen werden, sind Maßnahmen zur Vermeidung wirksamer Zündquellen erforderlich. Je wahrscheinlicher demnach das Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre ist, desto sicherer muss das Vorhandensein von wirksamen Zündquellen vermieden werden. Die möglichen Explosionsschutzmaßnahmen sind in Kapitel 3.2 in Verbindung mit organisatorischen Maßnahmen nach Kapitel 4 beschrieben. | |
Kann das gleichzeitige Auftreten von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und wirksamen Zündquellen nicht ausgeschlossen werden, sind auch konstruktive Schutzmaßnahmen nach Kapitel 3.3 in Verbindung mit organisatorischen Maßnahmen nach Kapitel 4 erforderlich. |