5   Koordinierungspflichten

  Sofern voneinander unabhängige Personen oder Arbeitsgruppen gleichzeitig und in räumlicher Nähe arbeiten, kann es zu unerwarteten gegenseitigen Gefährdungen kommen. Diese Gefährdungen sind insbesondere darin begründet, dass die Beteiligten sich zunächst nur auf ihren Auftrag konzentrieren, Beginn, Art und Ausmaß der Arbeiten benachbarter Personen aber häufig nicht oder nicht ausreichend bekannt sind.
 
Beispiele: Typische Ursachen für eine schlechte Abstimmung zwischen Stammpersonal und Fremdfirmenpersonal mit besonderen Explosionsrisiken sind:
  1. Die Fremdfirma kennt nicht die Umgebungsgefahr beim Auftraggeber und die Auswirkungen auf die eigenen Tätigkeiten.

  2. Die betroffenen Bereiche im Unternehmen des Auftraggebers wissen oft nicht, dass Fremdfirmenpersonal im Betrieb arbeitet und/oder welches Gefährdungspotenzial durch die ausgeführten Tätigkeiten in den Betrieb getragen wird.

  3. Den Führungskräften des Auftraggebers wird nicht gesagt, wie sie und ihr Personal sich gegenüber den Fremdfirmen zu verhalten haben.

 

Auch sicherheitsgerechtes Arbeiten innerhalb einer Arbeitsgruppe schließt die Gefährdung benachbarter Personen nicht aus. Nur eine rechtzeitige Abstimmung aller Beteiligten untereinander bietet Gewähr dafür, dass gegenseitige Gefährdungen vermieden werden.
  Deshalb sind bei der Vergabe von Arbeiten Auftraggeber und Auftragnehmer zu einer Abstimmung mit dem Ziel der Vermeidung einer gegenseitigen Gefährdung verpflichtet. Diese Koordinierungspflicht entspricht zugleich der Anforderung der Arbeitsschutzrichtlinie 89/391/EWG in Art. 7 (4), soweit Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig werden. Für Baustellen sind zusätzlich die Bestimmungen der nationalen Baustellenvorschriften zu beachten.


5.1 Koordinierungsmodalitäten

  Sind Arbeitnehmer mehrerer Betriebe an derselben Arbeitsstätte tätig, so ist jeder Arbeitgeber für die Bereiche, die seiner Kontrolle unterstehen, verantwortlich.
  Unbeschadet dieser Einzelverantwortung jedes Arbeitgebers gemäß Richtlinie 89/391/EWG, ist der für die Arbeitsstätte verantwortliche Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitsorganisation zuständig für die Abstimmung untereinander. Er ist verpflichtet, für einen sicheren Betriebsablauf zu sorgen, um Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Hierzu muss er sich über die Explosionsgefahren informieren, Schutzmaßnahmen mit den beteiligten Personen absprechen, Weisungen erteilen und deren Einhaltung auch kontrollieren.
  Abhängig von der Betriebsgröße oder auch aus anderen Gründen kann der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht immer alleine nachkommen. Er sollte deshalb geeignete Personen als betriebliche Führungskräfte bestellen. An seiner Stelle übernehmen sie dann in eigener Verantwortung die Pflichten des Unternehmers - für die Koordinierung übernimmt sie der Koordinator.
 
Hinweis: Insbesondere bei Arbeiten in oder im Zusammenhang mit explosionsgefährdeten Bereichen oder bei Arbeiten mit brennbaren Stoffen, die zu gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre führen können, wird eine gegenseitige Gefährdung zu unterstellen sein, auch wenn sie zunächst nicht offensichtlich ist. In Zweifelsfällen wird deshalb dem Arbeitgeber empfohlen, einen Koordinator zu bestellen.

 

Aufgrund der spezifischen planerischen, sicherheitstechnischen und organisatorischen Verantwortung sollten vom Arbeitgeber bzw. dem Koordinator folgende Qualifikationen hinsichtlich des Explosionsschutzes erfüllt werden:
  • Fachkenntnis auf dem Gebiet des Explosionsschutzes,
  • Fachkenntnis über die nationalen Vorschriften, die die Richtlinien 89/391/EWG und 1999/92/EG umsetzen,
  • Kenntnis der betrieblichen Organisationsstruktur,
  • Führungsqualitäten zur Durchsetzung der erforderlichen Anordnungen.
 
Hinweis: Als Koordinator werden häufig eingesetzt:
  1. Mitarbeiter aus der mit der Planung befassten Abteilung,

  2. Verantwortliche einer der maßgeblich beteiligten Arbeitsgruppen.

 

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber bzw. sein Koordinator die Aufgabe, die Arbeiten der beteiligten Arbeitsgruppen unabhängig von ihrer Unternehmenszugehörigkeit aufeinander abzustimmen, um mögliche gegenseitige Gefährdungen zu erkennen und gegebenenfalls einschreiten zu können. Er muss deshalb rechtzeitig über die bevorstehenden Arbeiten informiert sein.
 
Hinweis: Sowohl die eigenen Mitarbeiter als auch der/die Auftragnehmer sowie alle sonstigen auf dem Firmengelände tätigen Personen sollten den Arbeitgeber bzw. seinen Koordinator mit folgenden Informationen rechtzeitig unterstützen:
  • vorgesehener Arbeitsbeginn,
  • voraussichtliches Arbeitsende,
  • Ort der Arbeiten,
  • Personaleinsatz,
  • vorgesehene Arbeitsweise,
  • Namen des oder der Verantwortlichen.

 

Im Einzelnen umfassen die Aufgaben des Arbeitgebers bzw. seines Koordinators die Durchführung von Ortsbesichtigungen und Abstimmungsgesprächen sowie die Planung, Kontrolle und ggf. störungsbedingte Neuplanung von Arbeitsabläufen, vgl. Checkliste A.3.5.


5.2 Schutzmaßnahmen zur sicheren Zusammenarbeit

  Zusammenarbeit kann in Betrieben mit gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre auf verschiedenen Dienstebenen und in allen Betriebsbereichen vorkommen. Für die Festlegung und Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung einer gegenseitigen Gefährdung muss deshalb jedes vom Arbeitsauftrag und seiner Durchführung her mögliche Zusammenarbeiten oder Nebeneinanderarbeiten von Personen berücksichtigt werden.
  In der Praxis sind die den Explosionsschutz betreffenden Koordinierungsmaßnahmen meist Bestandteil der allgemeinen Koordinierungsaufgaben:
  1. während der Planungsphase,
  2. während der Ausführungsphase
  3. und nach Abschluss der Arbeiten.
  Im Zuge dieser Phasen hat der Arbeitgeber bzw. sein Koordinator auch für die organisatorischen Explosionsschutzmaßnahmen zu sorgen, die Wechselwirkungen zwischen gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre, Zündquellen und Betriebsstörungen vermeiden.
 
Beispiele:
  1. Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre in der Umgebung technischer Anlagen verhindern, wo mit Zündquellen zu rechnen ist [vgl. Kap. 3.1], z. B. durch Verwendung von Ersatzstoffen anstelle von lösungsmittelhaltigen Reinigungsmitteln, Lacken etc. oder durch ausreichende Lüftungsmaßnahmen.

  2. Einsatz und Erzeugen von Zündquellen in Bereichen mit explosionsgefährlicher Atmosphäre vermeiden, z. B. bei Schweiß-, Schneid-, Löt- und Trennschneidarbeiten [vgl. Kap. 4.4/4.5 und Muster A.3.3].

  3. Betriebsstörungen z. B. durch Abstellen der Gaseinspeisung, Erzeugung von Druckschwankungen oder Abstellen von Energien oder Schutzsystemen infolge Arbeiten in Nachbarbetrieben verhindern.

 

Um festzustellen, ob während der Arbeitsausführung die vereinbarten Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, die beteiligten Personen ausreichend unterwiesen sind und sie sich entsprechend den vereinbarten Schutzmaßnahmen auch ordnungsgemäß verhalten, kann zur Unterstützung eine Checkliste [vgl. Anhang 3.4] benutzt werden.
 
Hinweis: Unabhängig von Verpflichtungen Einzelner sollte für aller Beteiligte gelten:
  • Kontakt suchen,
  • Absprachen treffen,
  • Rücksicht nehmen,
  • Vereinbarungen einhalten.